„Die Rodung des Forsts war eine beschlosseneTatsache, als am 6. Juni 2018 die Kohle-Kommission zusammentrat.“

Auf dem Höhepunkt des Streits um die Rodung des Hambacher Forsts nahm die Hysterie der Baumretter absurde Züge an. Da twitterte Linken-Chefin Katja Kipping von jeglicher Sachkenntnis unberührt: „Die Bäume im #HambacherForst sind 12.000 Jahre alt.“ Eine Sensation, wenn man bedenkt, dass die ältesten Bäume Nordrhein-Westfalens wie etwa die Forster Linde in Aachen bisher auf rund 1000 Jahre geschätzt wurden.

Sarah Wagenknecht und viele weitere so umweltberührte wie faktenaverse Politiker verbreiteten derweil bei Facebook die Behauptung, mit dem Hambacher Forst ginge es nun dem „letzten großen Mischwald Mitteleuropas“ an den Kragen. Wer der Meinung ist, dass auch im Dienste des Naturschutzes nicht allzu dreist gelogen werden sollte, dem sei gesagt: Das zu rodende Gebiet bei Hambach ist etwa halb so groß wie der Braunschweiger Westpark. Der Elm, ebenfalls ein Mischwald, wie jeder Wanderer unserer Region weiß, ist 80 Mal so groß.

Etwa ein Drittel der Fläche Deutschlands ist bewaldet. Das sind mehr als elf Millionen Hektar. Tendenz: deutlich steigend. Laut Bundeswaldinventur 2012 sind 76 Prozent davon Mischwald. Daran ändern auch die 100 Hektar nichts, deretwegen die Hambacher Baumretter die Öko-Katastrophe ausrufen. Zumal der Braunkohle-Abbau letztlich sogar zu mehr Wald führen wird. RWE hat sich dazu verpflichtet, bis zum Ende des Tagebaus die Waldfläche auf dem Gebiet um 1900 Hektar zu vergrößern. Schon heute sind die von RWE im gesamten Braunkohlerevier renaturierten und aufgeforsteten Flächen etwas größer als der gerodete Wald.

Es ist schlimm genug, wenn wohlstandsverwahrloste Stadtkinder aus ideologischer Verblendung sich nicht nur vom Rechtsstaat, sondern gleich aus der Zivilisation verabschieden ­– und mit ihren Fäkalien auf Polizisten werfen. Der Journalist Reiner Burger bezeichnete die gewaltbereiten Linksextremisten, die im Hambacher Forst gegen den bösen Kapitalismus kämpfen, in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ darum zurecht als „Fanatiker im Phantasialand“.

Aber immerhin sind die „Aktivisten“ in ihrem Fanatismus offen und ehrlich. Zur puren Heuchelei hingegen wurde das Verhalten der großen Umweltverbände und der Grünen in dieser Sache.

Letztere hatten die Rechtsgrundlage für die Rodung des Forsts vor etwas mehr als zwei Jahren selbst geschaffen. Johannes Remmel, der grüne Umweltminister von Nordrhein-Westfalen höchstselbst, hatte im Mai 2016 gemeinsam mit Landeschefin Hannelore Kraft (SPD) die Leitentscheidung der Landesregierung präsentiert, in der es heißt: „Braunkohle ist im rheinischen Revier weiterhin erforderlich, dabei bleiben die Abbaugrenzen der Tagebaue Inden und Hambach unverändert.“ Auch nach dem Pariser Klimagipfel im November 2016 wurde diese Entscheidung noch einmal von der rot-grünen Landesregierung bestätigt.

Die Rodung des Forsts war eine beschlossene Tatsache, als am
6. Juni 2018 die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung zusammentrat, die als „Kohle-Kommission“ den deutschen Ausstieg aus der Kohleverstromung vorbereiten soll. Daran beteiligt sind auch die Umweltverbände Greenpeace und BUND. Keines der Mitglieder machte seine Teilnahme von einer Änderung dieser Tatsache abhängig.

Wenige Monate später nun sind Greenpeace, BUND und Co. plötzlich auf den Barrikaden, tun so, als sei die Rodung des Hambacher Forsts ein hinterhältiger Anschlag auf die Kohle-Kommission und drohen mit ihrem Austritt aus dem Gremium. Das Angebot von RWE, die Rodung zu verschieben, bis die Kommission zu einer Empfehlung gekommen ist, lehnten die Umweltverbände dann aber trotzdem ab – obwohl offensichtlich ist, dass NRW auf die Hambacher Braunkohle, die immerhin fast 15 Prozent des Strombedarfs des Landes deckt, nicht einfach so verzichten kann.

Braunkohle zu verfeuern, ist die dreckigste Form der Stromerzeugung. Der Ausstieg ist deswegen richtig und wichtig, und es ist gut, dass die Umweltverbände in der Kohle-Kommission mitwirken. Alles andere als gut sind die mangelnde Distanz der Verbände zu fäkalienwerfenden Fanatikern und der Versuch, den Kohleausstieg an allen demokratischen Prozessen vorbei herbeizudemonstrieren.

Zumal dieselben Lobbyisten aus Politik und Umweltbewegung, die jetzt gegen die Rodung des Hambacher Forsts demonstrieren, zur deutschen Braunkohle-Renaissance beigetragen haben. Denn auch die schönste Ideologie schützt nicht vor der physikalischen Tatsache, dass Atomausstieg und CO2-Anstieg zusammenhängen. Die Technikhistorikerin Anna Veronika Wendland schreibt dazu auf dem politischen Internet-Blog „Salonkolumnisten“: „Wer ,Atomkraft? Nein danke!’ rief und durchsetzte, hat als Belohnung die Braunkohle bekommen, gegen die jetzt so heftig protestiert wird. Doch wer vom RWE-Kernkraftwerk Emsland nicht sprechen will, der sollte zu RWE im Hambacher Forst schweigen.“