“Und was tut die Politik? Ergeht sich in Schuldzuweisungen, Bosheiten und sprachlicher Aufrüstung. Ein Ausdruck von Hilflosigkeit.“

Man kann nur den Kopf schütteln: Migration, die „Mutter aller politischen Probleme“, donnert es am Donnerstag von Bundesinnenminister Horst Seehofer aus Neuhardenberg. Der CSU-Chef riskiert mit dieser Wortwahl, dass ihm der Satz nicht nur als inhaltliche Überzeugung, sondern erneut auch als Breitseite gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel ausgelegt wird.

Merkel wird im politischen Betrieb von Gegnern gerne als „Mutti“ herabgewürdigt. Und SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil, immerhin Koalitionspartner, ätzt auf Twitter im Halbstarken-Sprech zurück, man habe auf das rechtspopulistische Gequatsche „keinen Bock“ mehr, Seehofer sei der
„Vater von reichlich Problemen“.

Richtig, es gibt reichlich Probleme. Außen- und innenpolitisch. Vor allem aber in der Frage, wohin Deutschland steuert. In Zeiten von geringer Arbeitslosigkeit, boomender Wirtschaft und sprudelnden Steuereinnahmen ist es weniger die soziale Frage, die sich stellt. Vielmehr geht es im Herbst 2018 um Haltung. Die Haltung zur Demokratie und zur freiheitlichen Gesellschaft. Wenn Kamerateams von privaten Sicherheitsleuten bewacht werden müssen, Sanitäter angegriffen, Ärzte im Einsatz beschimpft, Politiker angepöbelt, Migranten verfolgt und Hitlergrüße gezeigt werden, dann ist das mehr als ein Sturm im Wasserglas. Es bedroht das, was Deutschland ausmacht.

Und was tut die Politik? Ergeht sich in Schuldzuweisungen, Bosheiten und sprachlicher Aufrüstung. Ein Ausdruck von Hilflosigkeit. Stattdessen muss die Botschaft aller Demokraten lauten, deutlich aufzubegehren. Gegen die von AfD-Chef Alexander Gauland propagierte Revolution genauso wie gegen Versuche von Islamisten, Angst und Terror zu säen.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die Demokratie zur Kernbotschaft seiner Amtszeit ausgerufen. Er sollte entschlossen das Wort ergreifen. Bevor es andere lauter tun.