Schwangerschaft, Geburt, die frühe Kindheit, das Jugendalter – in Deutschland herrscht wirklich kein Mangel an Vorsorge, wenn es um die Gesundheit von Heranwachsenden geht. Vom ersten Herzschlag des Embryos bis ins Erwachsenenalter hinein wird in Praxen gemessen und gewogen, Ärzte drücken Müttern und Vätern Broschüren in die Hand mit Ernährungshinweisen, Kochrezepten oder Stillempfehlungen. Es gibt feste Impfpläne sowie Vorsorgehefte, mit denen die Entwicklung des Kindes dokumentiert wird. All das kostet gesetzlich versicherte Eltern nichts.

Und doch: Viel zu viele Kinder sind zu dick, viel zu viele Kinder haben ein verfaultes Gebiss. Es gibt Erstklässler, die weder ein paar Schritte balancierend auf einer Bordsteinkante schaffen noch auf einem Bein stehen können. Gleichzeitig schaffen sie es nicht, sich zu konzentrieren und Konflikte auszuhalten, sie kämpfen mit psychischen Krankheiten und Verhaltensauffälligkeiten.

Mangelnde Bildung der Eltern kann Kinder krank machen

Das große Angebot zur Vorsorge kommt also nicht bei allen an. Nun bestätigt eine Studie der DAK, was seit Längerem beklagt wird: Es ist nicht das mangelnde Einkommen der Eltern, das die Kinder krank macht, es ist die mangelnde Bildung. Denn der Fernseher steht in bildungsfernen Schichten oft im Kinderzimmer, an Smartphones und Spielzeug mangelt es nicht. Selbst wenn es Eltern mit niedrigen Schulabschlüssen zu Wohlstand gebracht haben, schaffen sie es nicht immer, ihr Kind gesund zu fördern.

Hinzu kommt: Die Kinder aus der Gruppe der gesundheitlich Abgehängten bleiben oft auch im Bildungssystem auf der Strecke. Schule funktioniert in Deutschland nur mit der Unterstützung der Eltern. Doch wer den Impftermin einfach verschläft oder nicht auf die Idee kommt, mit seinem Kind das Zähneputzen zu üben, der hält sich oft auch von der Schule fern.

Ehrgeizige und erfolgreiche Jugendliche

Gleichzeitig geht es der großen Masse besser denn je. Plombenfrei auch noch am 18. Geburtstag, sportlich gestählt durch jahrelange Vereinsmitgliedschaft, ein gradliniger Schulverlauf: Die meisten Jugendlichen warten darauf, ins Erwachsenenleben durchzustarten. Laut Experten war noch nie eine Generation so ehrgeizig und erfolgreich wie die heutigen Jugendlichen – ein toller Erfolg, wäre da nicht das abgehängte Fünftel, das einfach in jeder Hinsicht durch alle Systeme fällt.

Doch wie können Eltern erreicht werden, denen gar nicht bewusst ist, dass ihr Kind leidet? Klar ist: Wenn die schlechte Verfassung eines Kindes Ärzten, Lehrern oder Erziehern auffällt, wird es Zeit, etwas zu unternehmen. Womöglich muss das Jugendamt eingeschaltet werden, wenn die Milchzähne verfault sind, bevor der erste bleibende Zahn durchbricht, denn auch das ist Vernachlässigung. Gesundheitsämter könnten auch Sammelimpfungen ausführen wie in den 70er-Jahren. Sicher hilft den Kindern ein kostenloses und gesundes Essen in der Kita.

Vielen Kindern fehlt die starke Lobby

Der Vorschlag der Krankenkassen, zunächst einmal eine Zuckersteuer einzuführen, ist ein vergleichsweise pra­gmatischer Schritt, der die Eltern in ihrer Erziehungshoheit nicht einschränkt.Und eine Ernährungsampel, die schnell schon im Supermarkt gesundheitsschädliche Nahrungsmittel identifiziert, könnte verhindern, dass Verbraucher mit falschen Werbesprüchen in die Irre geleitet werden.

Würde das abgehängte Fünftel Ernährungsministerin Klöckner so am Herzen liegen wie die Menschen, die sie für potenzielle Wähler hält – die Zuckersteuer wäre längst beschlossen, wie die Ernährungsampel. Aber den Kindern aus bildungsfernen Schichten fehlen nicht nur starke Eltern. Ihnen fehlt auch eine starke Lobby.