“Es ist der beklagenswerte Ausdruck einer Fehlentwicklung: Ich-Vernarrtheit erfasst immer mehr Zeitgenossen.“

Kinder sind unsere Zukunft. Sie machen Erwachsene zu Eltern – dieses Wort ist bekanntlich viel mehr als eine Familienstandsbeschreibung. Kinder bereichern unsere durchfunktionalisierte Welt durch ihre Unschuld, ihre Lebensfreude und die einfachen Fragen, die uns Große dazu bringen, wieder über elementar Wichtiges nachzudenken. Später werden sie die Pflichten der Eltern- und Großelterngeneration übernehmen. Sie leisten dann deren Arbeit, finanzieren ihre Altersversorgung. Sie halten das Land am Leben.

Aber ach! Kinder sind laut! Kinder laufen herum! Sind neugierig! Mit einem Wort: Kinder befinden sich im natürlichen Gegensatz zum Ungestörtheitsanspruch soignierter Herrschaften, von denen Genuss und Entspannung abfallen wie Blätter vom dürren Baum, sobald ein Kind krakeelt.

Nun rühmt sich ein Gastwirt auf der möglicherweise eine Spur zu hoch gehandelten Insel Rügen, „das erste kinderfreie Restaurant in Binz und auf ganz Rügen, zumindest ab 17 Uhr“ zu betreiben. Er bewegt sich auf demselben Holzweg wie Hoteliers auf der ganzen Welt, die Familien mit kleinen Kindern ausdrücklich von Kost und Logis aussperren.

Es ist der beklagenswerte Ausdruck einer Fehlentwicklung: Ich-Vernarrtheit erfasst immer mehr Zeitgenossen. Wenn aber der Blick nur bis zur eigenen Nasenspitze reicht, wird gutes Zusammenleben schwierig. Das funktioniert nämlich nur in gegenseitiger Rücksicht.

Wenn wir nicht wollen, dass das furchtbar geschichtsvergessene Wort „kinderfrei“ Schule macht, wenn wir vermeiden wollen, dass es bald auch seniorenfreie, männer- oder frauenfreie Bereiche gibt, sollten wir uns an den Wert des Miteinanders erinnern. Überempfindliche Menschen ohne Kinder sollten sich ebenso hinterfragen wie Eltern, die ihre Kleinen völlig unkontrolliert toben lassen, weil ihnen das Smartphone näher ist als der eigene Spross.