„Nicht jeder Vorwurf wiegt gleich schwer, so viel Differenzierung müssen wir uns auch in der teils aufgeregten Metoo-Debatte leisten.“

Der Filmproduzent Harvey Weinstein (66), der sich gestern den Behörden stellte, stand ganz am Anfang der Metoo-Ära. Die Vorwürfe, die zahlreiche Schauspielerinnen wegen sexueller Übergriffe gegen ihn erhoben, brachten die ganze Debatte über unangemessenes Verhalten und Übergriffe erst ins Rollen.

Nun wird Anklage erhoben, im Fall Weinstein könnte das zweite aufsehenerregende Gerichtsurteil der Metoo-Ära fallen. Das erste war der Schuldspruch für den Komiker Bill Cosby (80) wegen sexueller Nötigung. Die Vorwürfe waren viel älter, das Urteil fiel erst jetzt. Sicher auch ein Erfolg der überfälligen Metoo-Debatte, denn Cosby war seit langem Anschuldigungen ausgesetzt – ernste Konsequenzen hatten sie nie.

Vielleicht gibt es also bald einen zweiten Schuldspruch. Unabhängig davon ist die Zahl der irgendwie Beschuldigten schon bestürzend hoch. Jüngstes Beispiel ist Morgan Freeman (80): Der Hollywood-Star soll Frauen belästigt haben. Es geht um schlüpfrige Sprüche, er soll auch versucht haben, einer Frau den Rock hochzuziehen. Noch ein schuldiger alter Mann also? Nach moralischen Maßstäben wohl schon. Allerdings geht es um Verhalten, das im Grenzbereich zur Strafbarkeit angesiedelt ist. Nicht jeder Vorwurf wiegt gleich schwer, so viel Differenzierung müssen wir uns auch in der teils aufgeregten Metoo-Debatte leisten. Denn nur dann kann sie ihr wichtigstes Ziel erreichen: Klarmachen, dass solches Verhalten geschmacklos und dumm ist.