„Während des Nato-Gipfels drückte Macron Trump so lange die Hand, bis dieser fast vor Schmerz aufjaulte.“

In der Politik geht es oft nicht nur darum, Ansichten oder Programme auf einen Nenner zu bekommen. Mindestens ebenso wichtig ist die Chemie. Stimmt sie, gibt es zwischen Entscheidungsträgern einen guten Draht. Man kann miteinander – oder eben nicht. Diese Woche bietet ein Paradebeispiel für den Chemie-Faktor in der Politik: Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron und Bundeskanzlerin Angela Merkel besuchen US-Präsident Donald Trump in Washington. Der Franzose wird mit dreitägigen Staatsfestspielen bedacht. Er erhält alles: vom prestigeträchtigen Dinner, einem großzügig bemessenen Gesprächstermin im Weißen Haus über einen Auftritt auf dem Heldenfriedhof Arlington bis hin zu einer Rede vor dem Kongress. Die Kanzlerin muss sich hingegen mit einem nüchternen eintägigen Arbeitsbesuch begnügen. De-luxe-Kategorie versus Standard.

Der Grund hierfür besteht darin, dass Macron Trump von Beginn an umworben hat. Die Beziehung zwischen Europa und Amerika sei zu wichtig, um sich von persönlichen Befindlichkeiten leiten zu lassen, betonte er bereits kurz nach der US-Wahl. Die Botschaft: Für mögliche Trump-Aversionen sei kein Platz. Macron entpuppt sich als geschickter Polit-Psychologe. Während des Nato-Gipfels in Brüssel im Mai 2017 drückte er Trump so lange die Hand, bis dieser fast vor Schmerz aufjaulte – eine Macho-Geste, die bei dem Amerikaner ankam. Bei den großen internationalen Gipfeln wie G7 in Taormina oder G20 in Hamburg suchte Macron hingegen bei jeder Gelegenheit das Gespräch mit Trump. Vorläufiger Höhepunkt war die Einladung zur Feier des französischen Nationalfeiertags am 14. Juli in Paris, die zu einem Tätschel- und Umarmungsfestival der beiden Präsidenten wurde. Im Gegensatz dazu machte die Kanzlerin aus ihrer Distanz zur Politik und zum Politik-Stil Trumps nie einen Hehl.