„Bisher ist die Berichterstattung über den Fall Wedel eher zurückhaltend. Es scheint, man hat aus dem Fall Kachelmann gelernt.“

Von einer Hexenjagd kann noch keine Rede sein – jedenfalls nicht in Deutschland. Rund ein Vierteljahr ist es her, dass zahlreiche Frauen aus der Filmbranche den mächtigen Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein mit Vorwürfen über erzwungenen Sex zu Fall brachten und damit weltweit die #MeToo-Debatte anstießen. Während in den USA und in England bald zahlreiche Prominente aus Showbusiness und Politik am Pranger standen, blieb es hierzulande ruhig. Bis Anfang des Jahres mehrere Frauen im „Zeit“-Magazin den Regisseur Dieter Wedel massiver Übergriffe beschuldigten.

Gestern hat der 75-Jährige Konsequenzen gezogen und ist von seinem Posten als Intendant der Bad Hersfelder Festspiele zurückgetreten. In seiner Stellungnahme greift er auch die Medien an. Angesichts der „Verdachtsberichterstattung“ habe er keine Chance, seine Reputation zu wahren. Allerdings ist Wedel selbst Teil der Medienbranche und hat ihre Mechanismen bisher zu seinem Vorteil zu nutzen verstanden. Auch jetzt stellt er selbst schwer belegbare Vorwürfe in den Raum, wenn er Erpressungsvorwürfe vermeintlicher Zeuginnen andeutet.

Dabei ist die Berichterstattung bisher eher zurückhaltend. Und das mag einen historischen Grund haben: den Fall Kachelmann. Er hat gezeigt, wie gefährlich und irreleitend ein „Klima der Vorverurteilung“ sein kann, das Wedel auch in seinem Fall unterstellt. Bisher scheint es, man hat hierzulande daraus gelernt.