„Die Debatte über ethische Aspekte neuer Technologien hinkt den tatsächlichen Entwicklungen häufig hinterher.“

Im April 2015 warnten Biologen im Fachmagazin „Science“ vor einem Missbrauch von CRISPR-Cas9. Dabei handelt es sich um biochemisches Werkzeug zur Veränderung von Erbgut. Die Autoren mahnten ein Moratorium an: Auf Eingriffe in die menschliche Keimbahn, also in Spermien, Eizellen oder Embryonen, sollte vorerst verzichtet werden. Drei Wochen später war der Aufruf bereits Makulatur: Chinesische Forscher berichteten, dass sie in nicht lebensfähigen menschlichen Embryonen ein Gen, das eine tödliche Blutkrankheit hervorruft, ausgeschaltet hätten.

Die Debatte über ethische Aspekte wissenschaftlicher Forschung und mögliche Folgen des Einsatzes neuer Technologien hinkt den tatsächlichen Entwicklungen häufig hinterher. Ganz ähnlich ist es beim autonomen Fahren. Während in Deutschland im Juni des vergangenen Jahres eine Kommission aus Ethikern, Technikern, Juristen und Vertretern der Verbraucher nach langen Beratungen einen Bericht vorlegten, der Grundlinien für das autonome Fahren vorschlägt, werden in China womöglich bereits in diesem Jahr erste Autos ohne Fahrer über die Straßen rollen. Während der Bericht der Kommission ausführlich ethisch nicht befriedigend zu beurteilende aber zugleich nahezu unmögliche Unfall-Situationen problematisiert, könnten in China schon sehr bald Computer die Verkehrssicherheit ganz praktisch erhöhen.

Und sollte sich die Technologie auf dem weltgrößten Automarkt bewähren, wird die Diskussion in Deutschland schnell von der wirtschaftlichen Realität überholt. Das bedeutet nicht, dass man sich solche Diskussionen sparen kann. Beim autonomen Fahren geht es aber nicht um ein paar konstruierte Extremfälle, sondern um die Zukunft der Mobilität und die Sicherheit von Millionen Verkehrsteilnehmern. Diskussionen über solche Fragen müssen auf breiterer Basis und weniger akademisch geführt werden.