„Und dabei droht das Duell der Selbstgerechten: verratene Weltenretter gegen selbsternannte Macher.“

Wer Drama im niedersächsischen Landtag erwartet hatte, der wurde trotz einer historischen Entscheidung enttäuscht. In geschäftsmäßiger, allerdings auch deutlich gedrückter Stimmung stimmte die riesige Mehrheit der Parlamentarier für ein Auflösen des Landtags. Die Dramen waren mit dem Übertritt der Grünen Elke Twesten zur CDU-Fraktion schon seit dem 4. August gelaufen.

Die Anschuldigungen und Verrat-Rufe aus der düpierten Koalition von Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sind zunächst leiser geworden. Auch bei SPD und Grünen weiß man, dass der Übertritt Twestens nicht aus heiterem Himmel kam. Die Abgeordnete war in ihrer Partei immer mehr an den Rand gedrängt. Mag sein, dass der Wechsel so nicht absehbar war. Wahr ist sicher auch, dass Twesten die rot-grüne Mehrheit scheitern sehen wollte.

Das Versagen bei der Aufgabe, die knappe Koalitionsmehrheit von einer Stimme zu sichern, passt aber nahtlos zu dem Kontrollverlust, den die Regierung des SPD-Ministerpräsidenten zunehmend erlitt. Das reicht vom Sonderfall VW, bei dem Weil als eine Art Herold des Weltkonzerns dasteht, bis zum Ärger an den Schulen wegen Lehrermangels und Stundenausfalls.

Nicht alle Vorwürfe sind gerecht. Sie politisch zu kontern, gelang der Koalition aber ebensowenig wie ihr Regierungshandwerk solide auszuüben. Die Affäre um halbseidene Auftragsvergaben in Staatskanzlei und Wirtschaftsministerium ist dafür nur ein Beispiel. Dramatisch waren meist nicht die Vorgänge selbst, sondern die Unfähigkeit, sie in den Griff zu bekommen.

Niedersachsen ist nun auf dem Weg in einen Lagerwahlkampf. Und dabei droht das Duell der Selbstgerechten. Auf der einen Seite die verratenen Weltenretter, auf der anderen die selbsternannten Macher von CDU und FDP. Letztere brachten Niedersachsen, das nur zur Erinnerung, das „Turbo-Abi“ und eine ignorante Verwaltungsreform.