In Braunschweig-Thune vollzieht sich ein politisches Lehrstück. Der Interessenkonflikt zwischen einer Firma, die radioaktive Stoffe verarbeitet und radioaktiven Müll aufbereitet, und den Anwohnern spitzt sich zu. Das Unternehmen hält Grenzwerte ein, stützt sich auf umfängliche Genehmigungen durch die Gewerbeaufsicht. Es handelt rechtens. Doch es will erweitern – und schließt künftig auch die Behandlung von Müll aus der Asse und aus dem Abbau der Kernkraftwerke nicht aus.

Deutlich wurde dies bei unserem Leserforum – und es wirkte wie eine kalte Dusche. Denn dicht am Industriegebiet befinden sich Wohnsiedlungen und zwei Schulen. Die Bürger von Thune, die sich im Laufe der Jahre im Vertrauen auf Stadt und Behörden hier ansiedelten, stellen nun Fragen. Wie kann es sein, dass ein Unternehmen vor ihrer Haustür mit staatlicher Genehmigung bereits jetzt eine Strahlenbelastung wie ein Atomkraftwerk verursacht? Das belegen Messwerte. Wohl gemerkt: Alles bewegt sich im Rahmen der Grenzwerte – und auch innerhalb der Schwankungsbreite der natürlichen Radioaktivität. Doch neue Studien legen nahe, dass wir noch zu wenig über die Wirkung von Niedrigstrahlung wissen, vor allem chronischer Niedrigstrahlung.

Vor diesem Hintergrund ist es ein Fehler, nicht jede Gelegenheit zu nutzen, mehr Vertrauen bei Bürgern und Anwohnern zu erreichen. Das Offenhalten künftiger Nutzungen unter Berufung auf großzügige Ausnahmegenehmigungen erweist sich am Ende auch für das Unternehmen und für seine Mitarbeiter als Hypothek. Besser wäre es, sich eindeutig auf die bestehenden Aktivitäten zu beschränken und sie transparenter zu machen als bislang. Dann wäre gegen eine Erweiterung und Modernisierung, die doch mehr Sicherheit bringt, nichts einzuwenden! Leider kann sich das Unternehmen dazu nicht durchringen. Deshalb treibt dieses politische Lehrstück einer Entscheidung entgegen. Stadt und Land können nicht so tun, als gingen sie die Pläne des Unternehmens nichts an. Politik muss deutlich machen, was mitten im Wohngebiet geht – und was nicht.