Hannover. Nach FDP-Politikern fordert auch die CDU-Fraktion Auskunft, wie die AfD-Liste geprüft wurde. Die AfD betont: Alles war rechtmäßig.

Niedersachsens rot-grüne Koalition ist kaum gestartet, da müssen Staatskanzlei und Landeswahlleitung den Blick vorsorglich schon wieder zurück lenken. Ein früherer AfD-Landtagsabgeordneter und ein ehemaliger FDP-Parlamentskollege könnten dafür sorgen, dass die Landtagswahl vom 9. Oktober 2022 wiederholt wird muss. Beide sind Juristen. Sie könnten allerdings auch krachend scheitern. So oder so wird sich der Wahlprüfungsausschuss des Landtags mit der Forderung nach einer Wiederholung befassen – und danach möglicherweise auch der Staatsgerichtshof.

Zwei FDP-Politiker, darunter der frühere Landtagsabgeordnete Marco Genthe, hatten beim Landtag Einspruch gegen die Gültigkeit der Landtagswahl eingelegt. Solche Einsprüche sind nicht ungewöhnlich, doch dieser hat es politisch in sich. Hintergrund sind Vorwürfe des früheren AfD-Abgeordneten Christopher Emden, der mit der Partei gebrochen hat. Emden hatte in einem Interview kurz vor der Landtagswahl erklärt, für einen sicheren Platz auf der AfD-Liste zur Landtagswahl hätte er sich „Stimmen kaufen müssen“. Bewerber aus Parteien, die keinen Wahlkreis mit Erststimmenmehrheit direkt gewinnen, sind auf die sogenannte Landesliste ihrer Partei angewiesen, um ein Mandat zu bekommen.

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Als Schlüsselfigur hatte Emden den AfD-Politiker Ansgar Schledde genannt, der vor der Wahl als möglicher künftiger Fraktionsvorsitzender gehandelt worden war. Schledde kam auf Listenplatz 2 in den Landtag. Er hatte die Vorwürfe zurückgewiesen, die Staatsanwaltschaft Osnabrück Ermittlungen recht schnell eingestellt. Dabei stand der konkrete Vorwurf eines externen Kontos im Raum, über den angeblich die Zahlungen von potenziellen Listenbewerbern abgewickelt wurden. In einer mail an die Landeswahlleitung versuchte Emden, ein Richter, schon im Juli außerdem den Beweis zu führen, dass die Aufstellung der AfD-Bewerberliste in einer Delegiertenversammlung – statt bei einem Mitgliederparteitag – gegen die Parteisatzung verstoßen habe. Zudem seien etliche AfD-Kreisverbände nicht beteiligt worden.

Ex-Innenminister fragt Landeswahlleitung

Kompliziert ist der Fall, weil wegen der Corona-Pandemie eigens eine „Covid-19-Bewerberaufstellungsverordnung“ zur Landtagswahl erlassen worden war. Die ließ Abweichungen von den Satzungen der Parteien zu, wenn diese nicht mehr fristgemäß hätten geändert werden können. In einer Begründung zum Wahleinspruch schreibt Genthe, die AfD habe die notwendigen Schritte schlicht versäumt. Nachdem auch Ex-Innenminister Uwe Schünemann (CDU) mit einer Landtagsanfrage ins Thema eingestiegen war, hatte ein AfD-Sprecher unserer Zeitung gesagt, die Vorgänge seien „in jeder Weise formal korrekt abgelaufen“. Das hätten Schiedsgerichte, ordentliche Gerichte, Gutachter und schließlich die Landeswahlleiterin bestätigt. In der Tat hatte die Landeswahlleitung die AfD-Liste zugelassen, nachdem Nachfragen offenbar zur Zufriedenheit beantwortet worden waren.

Gab es eine „Kriegskasse?“

Der Wahlprüfungsausschuss des Landtags, der sich mit allen Einsprüchen befassen muss, könnte im Fall Genthe etwa Akten der Staatsanwaltschaft beiziehen und auch Zeugen hören. Der Blick der Einspruchführer richtet sich trotz der Einstellung des Ermittlungsverfahrens vor allem weiter auf das Konto, die angebliche „Kriegskasse“. „Es ist davon auszugehen, dass die hier interessierenden Kontobewegungen Teil der Ermittlungsakte geworden sind“, heißt es in einem Schreiben Genthes an den Landtag. Die Staatsanwaltschaft Osnabrück hatte auf Anfrage unserer Zeitung lediglich auf das Einstellen des Verfahrens verwiesen – der Anfangsverdacht lautete auf Untreue. Wie eine Sprecherin des Justizministeriums dazu am Donnerstag auf Anfrage erklärte, war in der Sache zwar von der Staatsanwaltschaft ans Justizministerium „berichtet worden“. Anlass zu Nachfragen sah das Ministerium aber offenbar nicht. Die CDU-Landtagsfraktion rückt nun mit ihrer Anfrage die Landeswahlleitung ins Zentrum. Mit der Landtagsanfrage soll erreicht werden, dass die Prüfung der AfD-Liste in allen Details offengelegt wird.

Kommt Wahlwiederholung?

Genthe geht davon aus, dass die AfD eine Delegiertenversammlung zur Listenwahl der Bewerber wollte, weil die mit Geld aus der angeblichen „Kriegskasse“ leichter zu steuern gewesen sei als eine offene Mitgliederversammlung. Gedacht ist wohl an Hotelkosten und ähnliches. Allerdings hat der AfD-Landesvorstand um den Bundestagsabgeordneten Frank Rinck eine klare Mehrheit bei den AfD-Kreisverbänden, und auch die Delegierten bilden das in der Regel ab. Möglicherweise also gab es gar nicht so viel zu steuern. Der Wahlprüfungsausschuss werde sich voraussichtlich Ende des ersten Jahresquartals 2023 mit dem Schreiben der FDP-Politiker befassen, hatte dessen Vorsitzender André Bock (CDU) Ende November erklärt. Wäre die Listenaufstellung doch zu beanstanden, wäre bei 18 AfD-Abgeordneten wohl eine kritische Größe für eine Wahlwiederholung erreicht. Überzeugt die Beschwerde den Ausschuss dagegen nicht, dürfte es auch mit einer Klage vor dem Staatsgerichtshof schwierig werden.