Hannover. Die Einstiegsgehälter sollen angeglichen werden, die Ausbildung wird vereinheitlicht.

Betont locker und guter Dinge kamen die beiden Matadore aus den Sitzungssälen in einem Gebäude des Landessportbundes. „Wir kommen gut voran“, betonte Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), und auch seine Grüne Partnerin Julia Willie Hamburg wirkte nicht so, als hätten sich drinnen Dramen abgespielt. „Man muss immer einen Plan im Kopf haben“, sagte Weil auf Fragen zur Zusammensetzung der neuen Landesregierung. Also nicht viel.

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Doch am Donnerstag wollten Weil und Hamburg vor allem über Bildung reden. „Wir gehen von einem gemeinsamen Bildungsverständnis aus“, betonte Weil. Und in der Tat hatten SPD wie Grüne in der vergangenen Legislaturperiode immer wieder die Bedeutung von Teilhabe hervorgehoben, soziale Schranken kritisiert und Schule als Lebens- statt bloßen Lernort definiert. „Wir wollen die Bildungspolitik in Niedersachsen deutlich stärken“, kündigte Hamburg an, die in der Grünen Landtagsfraktion auch für Bildungspolitik zuständig war.

Die Grüne hob allerdings den Fachkräftemangel sowohl bei Erziehern wie auch bei Lehrern nicht nur in Niedersachsen hervor. Um den Kitas zu mehr Personal zu verhelfen, will die neue Koalition die berufsbegleitende Ausbildung verstärken. So soll auch die angestrebte „dritte Kraft“ in den Kita-Gruppen kommen. Wenn nicht ausreichend Lehrerstellen besetzt werden können, sollen die Schulen auf anderes, unterstützendes Personal zurückgreifen können und dafür Mittel bekommen. „Der Fachkräftemangel wird andauern“, sagte Hamburg. Die Schulsozialarbeit soll weiter gestärkt, die Digitalisierung über Tabletklassen vorangetrieben werden. Weil sprach in diesem Zusammenhang von der „Schule der Zukunft“.

Lehrerstudium wird verändert

In der Lehrerausbildung will das Land laut Hamburg hin zur „Stufenlehrerausbildung“. „Unser Plan ist es, das Studium so zu verändern, dass wir es nach Stufen orientieren und nicht mehr nach Schulformen“, sagte Hamburg. Die Schulen bräuchten außerdem mehr Freiräume, dies höre sie immer wieder. Die Grünen machen sich unter anderem seit langem für „Lernen im eigenen Takt“ stark. Dies kann allerdings dazu führen, dass Lernziele schon in Klasse 1 für einzelne Kinder früh heruntergeschraubt werden.

Weil wiederum setzte einen anderen Akzent. Es müsse in der Grundschule mehr um Basiskompetenzen gehen, sagte er mit Blick auf jüngste Studien. „Unser gemeinsames Ziel ist es, dass Lesen, Rechnen und Schreiben in der Grundschule besser vermittelt werden kann“, sagte Weil. Dazu solle die Stundentafel „erweitert“ werden. Mittel gegen den Sanierungsstau an Hochschulen sollen unter Rot-Grün ebenfalls zur Verfügung gestellt werden. Zudem stellte Weil eine längere Leine für die Hochschulen in Aussicht: Sie bräuchten mehr Selbstständigkeit. Auf Nachfrage bestätigten beide auch, dass das Einstiegsgehalt A13 für alle Lehrkräfte kommen solle. Das hatten beide Parteien im Wahlkampf zugesagt.

Ergebnisse am 3. November

Am Mittwoch hatten die „zentralen Koalitionsverhandlungen“ von SPD und Grünen begonnen. Sie waren ab Mitte Oktober von elf Arbeitsgruppen beider Parteien vorbereitet worden, die sich thematisch am gegenwärtigen Zuschnitt der Ministerien orientierten. Bei der SPD spielten dabei die SPD-Bezirke eine starke Rolle. Zur finalen Runde gehört auch der Wolfsburger Bundestagsabgeordneten Falko Mohrs aus dem Bezirk Braunschweig. Mohrs war auch am Donnerstag in Abwesenheit von SPD-Bezirkschef Hubertus Heil in Hannover dabei. Bei den Grünen verhandeln allen voran Hamburg und Ex-Agrarminister Christian Meyer.

Die Ergebnisse der Verhandlungen sollen am 3. November präsentiert werden, am Wochenende danach treten dann SPD wie Grüne mit den Ergebnissen vor Parteitage. Mit größeren Schwierigkeiten wird nach jetzigem Stand nicht gerechnet. Beim Streitthema Autobahnen etwa – die SPD ist für den Weiterbau der A39, die Grünen sind dagegen – hatte Weil am Mittwoch einfach auf die Zuständigkeit des Bundes verwiesen. Auch ein Streit wie um den Umgang mit dem Wolf dürfte die Koalition nicht verhindern. Beim Klimaschutz hatten Weil und Hamburg bereits am Mittwoch Ziele verkündet. Demnach sollen erneuerbare Energien den Energiebedarf des Bundeslandes 2030 zu mindestens 75 Prozent decken - 2035 sollen es mindestens 90 Prozent und fünf Jahre später dann 100 Prozent sein. Dabei sollen Importe klimaneutraler Energieträger die eigene Energie „made in Niedersachsen“ nach Bedarf ergänzen. Das Interessante werden die Wege dahin sein.

Landtag konstituiert sich

Stimmen die Parteitage den Verhandlungsergebnissen zu, folgt am 7. November die Unterzeichnung des Koalitionsvertrages. Einen Tag später ist die konstituierende Sitzung des neugewählten Landtags vorgesehen. In dem stellt wieder die SPD die stärkste Fraktion, dürfte also für die ausgeschiedene Gabriele Andretta vermutlich eine Nachfolgerin als Landtagspräsidentin stellen. Doch je nach Gesamtpaket kann es auch ein Mann werden. Eine Schlüsselposition ist die des SPD-Fraktionsvorsitzes – hier wurde sehr früh Kultusminister Grant Hendrik Tonne ins Spiel gebracht. Doch vieles kann sich erfahrungsgemäß noch drehen. So wird auch Olaf Lies für den Fraktionsvorsitz genannt. Der Minister gilt als möglicher Spitzenkandidat zur Landtagswahl 2027, würde aber am liebsten wieder Wirtschaftsminister sein, wie vor seinem Wechsel ins Umweltministerium. Doch der Wirtschaft gilt auch ein starkes Interesse der Grünen.

Weil stellte am Donnerstag klar, dass solche Fragen jetzt noch nicht anstünden. Zunächst werden weitere Themenbereiche verhandelt, darunter an diesem Freitag wohl die Innenpolitik. Doch wie sagte Weil: Man komme gut voran.