Braunschweig. Am Leichtweiß-Institut der TU Braunschweig werden globale Schicksalsfragen bearbeitet. Der Minister Lies ist schwer beeindruckt.

Wie verhindert man Mikroplastik im Nudelwasser? Und wie die Verbuschung der Elbe? Wie präzise lässt sich Hochwasser vorhersagen? Was passiert, wenn Bauern mehr beregnen? Was tun wir für die Haltbarkeit der Deiche? Was haben Austern im Wattenmeer für Auswirkungen? Und wie bringt man Brasilianer dazu, weniger Müll in Flüsse zu schmeißen?

Fragen über Fragen. Alle haben sie mit Wasser zu tun. Genauer: mit Wasserbau. Und sie haben damit zu tun, dass es am Dienstagmittag im Leichtweiß-Institut für Wasserbau der TU Braunschweig keinen Standard-Termin der manchmal öden Kategorie „Minister-Besuch“ gab.

Obwohl er natürlich da war. Kernig bekam Olaf Lies (SPD) sogar eine gut verständliche Begrüßung hin – trotz des Ratterns der Strömungssimulatoren in der 140 Meter langen Versuchshalle der Ingenieure an der Beethovenstraße. Der Mann aus dem Nordwesten ist Minister für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz. Und wie viel die Arbeit hier mit all diesen Themen zu tun hat, das bekamen er, die SPD-Landtagsabgeordnete Annette Schütze und die Journalisten so faktenreich wie anschaulich erklärt.

Viele Projekte, wenig Leute

Generell kann man sagen: Die Folgen des Klimawandels machen diese Arbeit immer wichtiger. Wasserfragen sind stets Schicksalsfragen – aber sie stellen sich jetzt besonders dringlich. „Natürlich spüren wir die Aufwertung, es gebe so viele spannende Projekte mit diversen Partnern aus Deutschland und aller Welt“, sagte der Institutsleiter Prof. Nils Goseberg unserer Zeitung. Das Problem der Forscher sei jedoch die personelle Knappheit. „Uns fehlt der akademische Mittelbau.“

Apropos akademisch: Natürlich war es ein ganz schöner Ritt, in anderthalb Stunden die Arbeitsbereiche Hydrologie, Küsteningenieurswesen, Wasserbau und Gewässermorphologie sowie Abfall- und Ressourcenwirtschaft zu durchstreifen. Goseberg selbst ist Experte für Küstenschutz. „Einmal Wellen anstellen, bitte!“, rief er, bevor er in einem neuen Kühlraum der Abgeordneten und dem Minister zeigte, wie hier die Wirkung eines bestimmten Wellengangs auf ein bestimmtes Sediment simuliert wird. Wenige Minuten später ging es schon um Friesland. Eindringlich erläuterte Prof. Matthias Schöniger, welche Herausforderungen der Anstieg des Meeresspiegels bei gleichzeitigen Dürre-Problemen im Inland darstellt. „Wir brauchen Polder, die Holländer machen’s auch“, rief Schöniger. Deutlich wurde an dieser Stelle wie auch in der Einführung des neuen Professors Kai Schröter, wie anspruchsvoll die Aufgabe ist, die mehr oder minder soliden Erkenntnisse aus Simulation und Modellierung so zu bündeln, dass Politik und Verwaltung wirklich erfahren, an welcher Stelle sie umsteuern müssen.

Von Braunschweig nach Rio

Länger schon mit dem Umsteuern befasst ist das Team von Prof. Klaus Fricke, der für Abfall- und Ressourcenwirtschaft zuständig ist. Kurz und knackig beschrieb er das Potenzial, den CO2-Ausstoß durch Wiederverwertung (statt Verbrennung) von Kunststoffen zu reduzieren – und zwar global. Fricke (69) wird die TU im Oktober verlassen, um sein Know-how verstärkt in der „phantastischen Stadt“ Rio de Janeiro einzubringen, wie er unserer Zeitung erzählte. „Die Brasilianer brauchen Hilfe in diesen Fragen. Die deutsche Technik ist in vielen Ländern sehr gefragt, wir sind da schon mit führend“, sagte Fricke trocken. Und schon ging es in einer anderen Halle weiter mit Bemerkungen zu Pumpwasserkraftwerken und Fließwasservegetation…

Dass Olaf Lies gleich am Anfang des Rundgangs sagte, „diese Themen begegnen uns jeden Tag“, passte ziemlich gut zu einer anderen Meldung von Dienstag: Eine Gruppe von Forschern wies darauf hin, Deutschland sei auf Starkregen-Ereignisse zu wenig vorbereitet. Die gesamte Mittelgebirgs-Region sei gefährdet, betonte der Professor für Umweltrisiken und Nachhaltigkeit an der Universität Potsdam, Christian Kuhlicke. In großen Städten müsse der Fokus auf potenziell lebensbedrohliche Fallen wie etwa Keller und Tiefgaragen liegen. „Es reicht nicht, Sirenen auf die Dächer zu stellen und Warn-Apps zu entwickeln“, kritisierte Kuhlicke. Vielmehr müssten konkrete Maßnahmen wie etwa Rückhaltebecken geplant werden. Wasserbau eben…