Braunschweig. Die Trockenheit setzt den Wäldern im Braunschweiger Umland zu. Landesforsten-Sprecher: Wir brauchen einen richtig verregneten Sommer.

Regenfälle bis zum Herbst – bei den meisten dürfte diese Aussicht kaum für Begeisterung sorgen. Für den niedersächsischen Wald geht, wäre es das Beste, was passieren könnte – da ist sich Knut Sierk sicher. Der Waldbrandexperte der Niedersächsischen Landesforsten blickt besorgt in die Zukunft: „Die Trockenheit ist schon wieder katastrophal. Der Wasserspeicher im Boden ist leer, und auch die Feuchtigkeit im Oberboden ist aufgezehrt“, erklärt er. „Helfen kann uns nur ein richtig verregneter Sommer.“ Entscheidend sei dabei weniger die Gesamtmenge des Niederschlags, sondern, dass der Regen sich über einen längeren Zeitraum verteilt. „Mit einem Starkregen, wie wir ihn 2021 im Ahrtal gesehen haben, ist uns wenig gedient. Der Boden und die Pflanzen müssen das Wasser schließlich auch aufnehmen können.“

Wie dramatisch ist die Lage wirklich in unseren Wäldern, wie groß die Bedrohung durch Waldbrände? Ein erster Blick auf die Deutschlandkarte des Deutschen Wetterdienstes (DWD) zur Waldbrandgefahr offenbart zunächst keine außergewöhnliches Risiko für unsere Region. Während zwar in großen Teilen Ostdeutschlands bereits wieder die höchste Gefahrenstufe 5 gilt, bewegen sich die meisten Teile Niedersachsens jahreszeittypisch auf der relativ niedrigen Stufe 2. Dies verdankt sich den kurzen Regenfällen, die in den vergangenen Tagen und Nächten über unserer Region niedergegangen sind.

Regenfälle von sehr begrenzter Wirkung

Ihre Auswirkungen sind aber nur von äußerst begrenzter Dauer. „Nachhaltig sind diese Regenfälle leider überhaupt nicht“, erklärt Dennis Glanz, ebenfalls Landesforsten-Sprecher. „Aufgrund der Wärme und des Windes setzt die Verdunstung umgehend ein. Im Boden kommt daher kaum Wasser an, das für die Bäume und sonstigen Pflanzen verfügbar wäre. Die Wälder sehen zwar schön grün aus, aber der Boden ist staubtrocken.“

Auch der dämpfende Effekt der Regenfälle auf die Brandgefahr ist nur extrem kurz. „Das hält allenfalls einen Tag“, sagt Glanz, der in Wolfsburg arbeitet. „Wenn es am Tags darauf nicht gleich wieder regnet, geht der Gefahrenindex sofort nach oben. Deshalb rechnen wir auch in unserer Region absehbar mit Gefahrenstufe 4.“ Ein Blick in die Vorhersagen des DWD bestätigt die Einschätzungen der beiden Förster. Schon für die kommenden Tage zeigen die DWD-Karten eine deutliche Zunahme der Waldbrandgefahr – in ganz Deutschland, aber gut sichtbar auch in unserer Region. Vor allem gilt dies im Norden, also in Teilen des Landkreises Gifhorn und der Stadt Wolfsburg.

Unterschiedliche Gefahrlage im Norden und Süden der Region

Die Karten des Deutschen Wetterdienstes zeigen Vorhersagen zur Gefahr von Waldbränden und bodennahen „Graslandfeuern“.
Die Karten des Deutschen Wetterdienstes zeigen Vorhersagen zur Gefahr von Waldbränden und bodennahen „Graslandfeuern“. © Jürgen Runo | Jürgen Runo

Dass die Lage hier schnell brenzliger ist als in anderen Teilen des Landes, liegt zum einen an den Böden, zum anderen an der Art der Vegetation. Den Laub- und Mischwäldern, die vor allem auf den fruchtbareren, schwereren Böden in der südlichen Hälfte unserer Region gedeihen, gelingt es etwas besser, Wasser zu speichern. Deshalb ist das Waldbrandrisiko hier in der Regel geringer. Auf den leichten, sandigeren Böden im Norden dagegen gibt es mehr Nadelwälder. Diese sind grundsätzlich brandgefährdeter. „Am heikelsten sind Kiefernwälder“, erklärt Waldbrandexperte Sierk, der schwerpunktmäßig für die Lüneburger Heide zuständig ist. „Gleich danach kommt die Fichte.“

„Hochexplosives Gemisch“ im Harz

Bei der Fichte denkt man in unserer Region unweigerlich an den Harz. Die Fichtenwälder dort sind großflächig im Niedergang begriffen – nicht zuletzt weil die hitze- und trockengestressten Monokulturen dem Borkenkäfer und Stürmen kaum etwas entgegensetzen können. Bedeutet der Rückzug der Fichte, dass die Waldbrandgefahr im Harz mittelfristig geringer wird? Allenfalls sehr langfristig könnte dies der Fall sein, vermutet Sierk. Auf mittlere Sicht hält er die „entfichteten“ Flächen in den Hochlagen sogar für besonders gefährdet. „Abgestorbene, von Sonne und Wind getrocknete Fichten bilden zusammen mit Reisig und anderem brennbaren, bodennahen Material ein hochexplosives Gemisch.“ Die beiden kurz aufeinander folgenden Großbrände am Brocken im April hätten dies eindrücklich gezeigt.

Waldbrände fangen immer mit einem Bodenfeuer an. Um die Waldbrandgefahr einschätzen zu können, ist es deshalb entscheidend, die Brandgefahr unmittelbar an der Erdoberfläche mit einzubeziehen. Über diese gibt der sogenannte Graslandfeuerindex Aufschluss. Auch hierzu stellt der DWD täglich aktuell Vorhersagekarten – erstellt von der agrarmeteorologischen Abteilung in Braunschweig – im Internet zur Verfügung. Mit Blick auf die nächsten Tage sprechen die Karten eine deutliche Sprache: Die Brandgefahr im Grasland steigt von der geringsten Stufe 1 bis Montag voraussichtlich auf die zweithöchste Stufe 4 – fast im gesamten Bundesgebiet.

Feuerwehr-Flugdienst startet ab Gefahrstufe 4 bis 5

Ausgelöst werden die Waldbrände fast immer durch Menschen. Auch deshalb sind die guten Wetteraussichten, die voraussichtlich viele Menschen in die Wälder locken, schlechte Aussichten in puncto Waldbrandrisiko. Ab Gefahrenstufe 3, mit der der DWD schon am Freitag in Teilen unserer Region rechnet, nimmt die Waldbrandzentrale in Lüneburg ihre Arbeit wieder auf und beobachtet laufend die Lage. Spätestens ab Stufe 5 heben zudem die Feuerwehrflieger ab, um die Lage aus der Luft zu überwachen. In der Ostheide war dies bereits am Dienstag, 10. Mai, der Fall. Für den größten Teil unserer Region ist der Flugdienst am Standort Hildesheim zuständig.

„Wir sehen dieses Jahr schon deutlich mehr Waldbrände als im gleichen Vorjahreszeitraum“, berichtet Knut Sierk von den Landesforsten in Niedersachsen.
„Wir sehen dieses Jahr schon deutlich mehr Waldbrände als im gleichen Vorjahreszeitraum“, berichtet Knut Sierk von den Landesforsten in Niedersachsen. © picture alliance / dpa | Philipp Schulze

Auch wenn der Sommer mit seinen Ungewissheiten noch vor uns liegt, zeigt die Bilanz des Frühlings bereits ein problematisches Bild. „Wir sehen dieses Jahr schon deutlich mehr Waldbrände als im gleichen Vorjahreszeitraum“, berichtet Sierk, „und das, obwohl die Vorjahre teils sogar wärmer waren“. Aber Temperaturen sind nicht allein ausschlaggebend für die Brandgefahr. „Auch Frost hilft nicht gegen Brände, wenn die Luft trocken ist. Wenn dann noch kräftige Winde hinzukommen, hat man schnell ein Pulverfass.“

Rekordwert: 19 Brände allein an einem Tag

Im April hat die Waldbrandzentrale an einem einzigen Tag bereits 19 Brände in Niedersachsen erfasst – ein neuer Rekordwert. Auch wenn darunter viele Kleinbrände gewesen seien, die es „kaum in die Zeitung geschafft hätten“, sage diese Zahl „über die Rahmenbedingungen schon etwas aus“, so Sierk. Dass es den Sommer über „durchregnen“ möge, wünscht der Förster dem Niedersächsischen Wald aber nicht nur wegen der Brandgefahr. „Das frische Grün hängt vielerorts schon wieder. Schon um durchzuhalten, braucht der Wald dringend Wasser.“

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