Braunschweig. Der Chef des Vereins „Freie Ukraine Braunschweig“ berichtet von der polnisch-ukrainischen Grenze. Es gibt Pierogi – und die Angst vor Sabotage.

„Am Anfang war es chaotisch. Jetzt läuft hier alles sehr gut organisiert. Den Menschen wird hervorragend geholfen. Das Mitgefühl der Polen ist sehr groß.“ Igor Piroschik aus Salzgitter, geboren 1960 in Lwiw (Lemberg), der Vorsitzende des Vereins „Freie Ukraine Braunschweig“, schildert unserer Zeitung am Mittwoch seine Eindrücke aus der polnischen 60.0000-Einwohner-Stadt Przemyśl.

Sie liegt im Südosten Polens, wenige Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt. Viele Flüchtlinge müssen hier versorgt werden. Nach Regierungsangaben sind seit Beginn des Ukraine-Kriegs 500.000 Flüchtlinge aus dem Nachbarland in Polen angekommen. Ministerpräsident Mateusz Morawiecki sagte am Mittwoch: „Wir sind verpflichtet, unseren Nachbarn zu helfen, und wir tun es auch. Wir haben einen humanitären Korridor eingerichtet, wir haben alle Verfahren beschleunigt, die wir von unserer Seite aus beschleunigen konnten.“

Vorwürfe afrikanischer Flüchtlinge

Morawiecki warnt, man solle russischen Propagandakampagnen über das Vorgehen an der Grenze keinen Glauben schenken. „Wir haben Tausende von Beweisen und Zeugnissen für alle diese Situationen.“ In sozialen Medien hatten Videos mit Szenen an der Grenze die Runde gemacht, die nicht nur in Afrika für Empörung sorgten.

Einige afrikanische Flüchtlinge hatten den Vorwurf erhoben, auf ukrainischer Seite tagelang in bitterer Kälte und ohne Versorgung von Grenzbeamten rüde am Passieren der Grenze gehindert worden zu sein, während weiße Flüchtlinge sie passieren konnten. Die Vorwürfe bezogen sich zum Teil auch auf die Abfertigung durch den polnischen Grenzschutz.

Igor Piroschik, der Salzgitteraner Chef des Vereins „Freie Ukraine Braunschweig“ fotografierte für unsere Zeitung im polnischen Przemysl, wie Freiwillige den Flüchtlingen mit Pappschildern den weiteren Weg weisen.
Igor Piroschik, der Salzgitteraner Chef des Vereins „Freie Ukraine Braunschweig“ fotografierte für unsere Zeitung im polnischen Przemysl, wie Freiwillige den Flüchtlingen mit Pappschildern den weiteren Weg weisen. © Igor Piroschik

Igor Piroschik: In der Schlange stehen Frauen, Kinder, Studenten, Saboteure

Wie Igor Piroschik sagt, seien Wartezeiten nicht zu vermeiden. „Die ukrainischen Behörden kontrollieren genau, wer das Land verlässt.“ Das dauere zum Teil schmerzhaft lange. Doch in der Schlange derer, die nach Polen wollen, befänden sich nicht nur ukrainische Frauen und Kinder sowie Studenten und Arbeitnehmer, die gastweise in der Ukraine lebten, sondern auch Menschen aus anderen Staaten der ehemaligen Sowjetunion sowie wohl auch russische Saboteure, so genannte „Schläfer“.

Im Flüchtlingslager selbst gibt es derzeit ausreichend Essen und Kleidung. „Viele polnische Freiwillige sind da, zum Beispiel werden Pierogi angeboten.“ Andere Freiwillige reckten Schilder in die Luft, auf denen etwa „Krakau“, „Warschau“ oder „Estland“ steht, um den Flüchtlingen den Weg zu weisen, die schon genau wissen, wohin es weiter geht.

„Die meisten Flüchtlinge hier wollen erstmal in Polen bleiben“

Als Mensch, der Russisch, Ukrainisch, Polnisch und Deutsch kann, könne er sich in vielen Gesprächen in dem Lager nützlich machen. „Ich bereue nicht, dass ich hier bin. Ich möchte bis Freitag bleiben. Und eben konnte ich in einem Hotel sogar duschen“, sagt der Helfer aus unserer Region.

Von den vier von einem Sponsor zur Verfügung gestellten Bussen, mit denen Piroschik nach Przemyśl gefahren ist, seien zwei noch vor Ort. Einer sei in Richtung Berlin unterwegs, einer in eine andere Stadt in Polen. „Die meisten Flüchtlinge hier wollen erstmal in Polen bleiben, schätze ich, die hoffen, bald zurückkehren zu können.“

Über einen Hilfskonvoi aus dem Kreis Helmstedt lesen Sie hier.

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