Wolfsburg. Viele Ukrainer haben die Hoffnung auf Frieden verloren. Unsere Zeitung erreicht Karolina Yurchak (23), die am Mittwochmorgen Donezk verlassen hat.

Seine Einschätzung ist mit „pessimistisch“ vorsichtig umschrieben. „Ich sehe keine Chance auf Frieden“, sagt Valeri Glotov in Wolfsburg, die Wahrscheinlichkeit für einen Krieg liege bei fast hundert Prozent. Glotov stammt aus Donezk und lebt seit sieben Jahren in Deutschland.

Wir haben mit dem Telefonat am Mittwoch noch ein bisschen gewartet, bis die sprachlich sicherere neunjährige Tochter Lydia aus der Schule kommt. Sie wirft dann auch hier und da das akkuratere deutsche Wort ein. Aber eigentlich gibt es wenig herumzureden. Glotovs Sicht ist erschütternd eindeutig. „Der Krieg wird kommen – und zwar bald.“ Und die Heimatstadt? Mit welchen Gefühlen denkt er an Donezk, die Kohle-Metropole in der Ostukraine? Da stöhnt Glotov: „Was denken Sie?“ Die Schwiegermutter berichte von Panzern auf der Straße. Und die Tochter sagt aus dem Hintergrund, eigentlich lebe die gesamte Verwandtschaft dort.

Kämpfe seit 2014

Nach der Anerkennung der Separatistengebiete von Luhansk und Donezk durch den Kreml wird ein Einsatz der russischen Armee in der Ostukraine erwartet. Seit 2014 bekämpfen sich dort Truppen der Regierung in Kiew und Einheiten der von Moskau unterstützten Rebellen. UN-Schätzungen zufolge wurden bereits mehr als 14.000 Menschen getötet. Auch am Mittwoch werden von internationalen Beobachtern mehr als 1000 Explosionen in den Regionen Luhansk und Donezk gemeldet. Die vom Westen unterstützten Regierungstruppen und prorussische Separatisten geben sich gegenseitig die Schuld an der Gewalteskalation.

„Wir sind auf der Autobahn“

Auch der Wolfsburger Chorleiter Paul Schaban (47), der schon seit 25 Jahren in Deutschland wohnt, stammt aus Donezk. Er erzählt, dass er jeden Tag via Whatsapp mit Mutter und Geschwistern in Kontakt stehe. Die Sorgen seien groß, die Aufregung immens. Eine Art „Ruhe vor dem Sturm“ sei mancherorts zu beobachten, berichtet er.

Und nicht wenige packten die Koffer. Von der mit ihm über Ecken verwandten Karolina Yurchak erzählt Schaban zum Beispiel, deren Familie sei soeben auf Donezk aufgebrochen, um sich in Sicherheit zu bringen. Und tatsächlich ist Karolina Yurchak (23) wenige Minuten später telefonisch zu erreichen. Sie hat anderthalb Jahre bei Wismar gelebt und spricht hervorragend Deutsch. „Wir sind gerade auf der Autobahn, wir sind heute Morgen losgefahren“, sagt sie unserer Zeitung.

Karte Donezk
Karte Donezk © Jürgen Runo | Jürgen Runo

In der Nähe der Stadt Winnyzja wolle die fünfköpfige Familie nun unterkommen. Das Bittere: Als 2014 ihr Haus bombardiert worden sei, habe man Donezk schon einmal verlassen, sei aber nach ukrainisch-deutschen Umwegen zurückgekehrt. Nun aber sei die Lage zu gefährlich. „Wir Ukrainer wollen nicht, dass uns gesagt wird, was uns gehört und was nicht“, fügt sie trotzig hinzu. Also hat auch sie keine Hoffnung auf Entspannung? „Nein“, sagt Karolina Yurchak, „wir haben keine Hoffnung. Es dauert schon zu lang.“

Kirchen wollen am Freitag Glocken läuten

Angesichts des Ukraine-Konflikts hat Landesbischof Christoph Meyns alle evangelischen Kirchengemeinden im Braunschweiger Land zu Friedensgebeten und Glockenläuten am Freitag, 25. Februar, 18 Uhr, aufgerufen. Da alle Bemühungen um eine diplomatische Lösung vorerst zu einem Ende gekommen seien, deute sich eine „Gewalt- und kriegsorientierte Neuordnung der politischen Verhältnisse in Europa“ an.

„Absehbar ist allerdings, dass das Leben von Menschen bedroht ist, sollte es zu kriegerischen Auseinandersetzungen kommen“, betont der Landesbischof. In dieser besorgniserregenden Situation könnten Menschen in der Kirche zusammenkommen, ihre Sorgen vor Gott bringen und für den Frieden beten.

Mehr Hintergrundinfos:

Andere Ukrainer aus unserer Region kommen hier zu Wort.

Einschätzungen einer Braunschweiger Politologin zum Konflikt lesen Sie hier.