Braunschweig. Anwalt Burkhard Benecken erklärt im Interview, warum Mörder ein faires Verfahren verdienen - und Zeugen manchmal „gegrillt“ werden müssen.

„Wie kann man nur Verbrecher verteidigen?“ Diese Frage bekommt Burkhard Benecken immer wieder zu hören. Als Strafverteidiger ist er in ganz Deutschland in Gerichtssälen unterwegs, um für seine Mandanten das bestmögliche Strafmaß zu erstreiten. Auch in unserer Region war der Anwalt aus Marl im Einsatz – etwa beim Terror-Prozess gegen den Hildesheimer Prediger Abu Walaa vor dem Oberlandesgericht in Celle, wo er als Zeugenbeistand einen jugendlichen IS-Attentäter begleitete. Oder beim Amtsgericht in Wolfenbüttel - dort verteidigte er einen Betrüger, der Daten von Asylbewerbern missbraucht hatte. Zusammen mit seinem Kollegen Hans Reinhardt hat Benecken ein Buch über seine Erfahrungen und Erlebnisse geschrieben.

Herr Benecken, Ihr Buch trägt den Untertitel: Advokaten des Bösen. Was reizt Sie an der Arbeit mit dem Bösen?

Korrekt müsste man eigentlich sagen: Advokaten des vermeintlich Bösen, denn für unsere Mandanten gilt ja zunächst die Unschuldsvermutung. Aber wir haben uns die künstlerische Freiheit genommen, den Titel etwas zuzuspitzen. Tatsächlich haben viele unserer Mandanten eine schlimme Tat begangen. Als Strafverteidiger mache ich den Beschuldigten keine Vorwürfe wie viele andere – die Staatsanwaltschaft etwa, die Medien oder Angehörige von Opfern. Ich ziehe in den Ring für eine Person, die oft von anderen in die Ecke gestellt wird und sorge als Strafverteidiger dafür, dass diese Person ein faires Verfahren bekommt.

Man kann ja annehmen, dass es einfacher ist, sich lieber auf die Seite des Guten zu stellen, also Straftäter anzuklagen, damit sie für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen werden. Wann war Ihnen klar, dass Sie sich für das vermeintlich Böse einsetzen, also Straftäter verteidigen wollen?

Dieser Wunsch ist bei mir tatsächlich schon im Kindesalter entstanden. Mein Vater ist auch Strafverteidiger, er hat mich früh mitgenommen in die Gerichtssäle. Schon im Grundschulalter war ich in der forensischen Psychiatrie, ich habe als Kind Straftäter gesehen, die anderen den Kopf abgeschnitten haben. Und ich habe mich damals schon gefragt: Warum werden Leute so? Das hat mich nie losgelassen.

Erinnern Sie sich an einen besonders grausamen Fall, der Sie nachhaltig bewegt hat?

Wir haben es leider mit sehr vielen grausamen Fällen zu tun. Ich denke an einen Mandanten – er wird in den Medien Internet-Killer genannt –, der nach einem Dating-Chat mehrere Frauen umgebracht hat. Eine der Taten geschah auch in meiner Heimatstadt Marl im Ruhrgebiet. Nachbarn von mir kannten das Opfer. Auch da kam sehr schnell die Frage: Wie kann man nur solch einen Täter verteidigen? Das berührt einen dann auch persönlich.

In der Öffentlichkeit wird nicht nur in solchen Fällen schnell der Ruf nach einer möglichst harten Strafe laut. Ihre Aufgabe ist es jedoch, im Sinne Ihres Mandanten ein möglichst mildes Urteil zu erstreiten. Wie geht es Ihnen damit, wenn sie wissen, dass er eine schwere Straftat begangen hat?

Im Extremfall hat mir ein Mandant eine schwere Straftat gestanden und ich wirke sogar darauf hin, dass er freigesprochen wird. Wenn ich nach Aktenlage die Beweislage so einschätze, dass ihm die Tat nicht nachzuweisen ist, muss ich das sogar tun als Strafverteidiger. Auch kann es zu erheblichen Fehlern der Ermittlungsbehörden kommen, die am Ende zu einem Freispruch führen müssen. Meine Aufgabe ist es, das bestmögliche Ergebnis für den jeweiligen Mandanten zu erreichen – egal, was er getan hat. Für mich ist jemand erst dann schuldig, wenn die Tat, die er begangen hat, auch nachweisbar ist – mit prozessordnungsgemäßen Mitteln.

In Ihrem Buch schreiben Sie: Selbst ein Mörder hat es in einem Rechtsstaat verdient, fair behandelt zu werden. Gibt es auch Fälle, bei denen Sie ein Mandat ablehnen, bei denen Sie sagen: Das kann ich jetzt nicht mehr mit meinem Gewissen vereinbaren?

Es gibt keinen Vorwurf, der so schlimm ist, dass ich sagen würde: Ich nehme das Mandat nicht an. Es spielt für mich keine Rolle, was jemand getan hat. Teilweise muss ich sogar sagen: Je schwerwiegender der Vorwurf, desto größer ist die Herausforderung für mich. Für mich gibt es nur zwei Gründe, ein Mandat nicht anzunehmen. Erstens: Wenn die Chemie zwischen mir und dem Mandanten nicht stimmt. Einige haben zum Beispiel völlig abstruse Vorstellungen davon, welches Ergebnis bei einem Strafverfahren herauskommen soll. Wenn ein Mandant mit meiner Einschätzung nicht einverstanden ist, muss er sich einen anderen Verteidiger suchen. Zweitens: Wenn ich persönlich betroffen wäre, wenn etwa Angehörige oder meine Partnerin auf der Anklagebank säßen. Als Strafverteidiger muss man emotionslos, gewissenlos, sogar morallos sein. Man muss alles Gute für seinen Mandanten heraussuchen und alles Schlechte ausblenden.

Sie schildern, dass Angriffe oft von Opferseite kommen. In Prozessen sind Opfer auch wichtige Zeugen, die zum Teil Traumatisches erlebt haben. In Ihrem Buch beschreiben Sie, wie wichtig es als Strafverteidiger ist, Aussagen zu filetieren, Zeugen manchmal regelrecht zu „grillen“, um das Bestmögliche für Ihren Mandanten zu erreichen. Auch auf die Gefahr hin, Opfer dann möglichweise wieder zu traumatisieren?

Es ist unsere Aufgabe als Strafverteidiger, alles für unsere Mandanten in den Ring zu werfen, was für sie spricht. Ich habe mal ein Interview mit einem amerikanischen Strafverteidiger gelesen, der gesagt hat: Man muss Zeugen regelrecht durch den Mixer jagen. Das sind deutliche Worte, die in der Tat zutreffen. In vielen Konstellationen sind Opfer unsere Feinde, die Feinde des Strafverteidigers. Es ist unser Auftrag, sie zu „zerlegen“, sie durch bestimmte Fragetechnik in eine Richtung zu lenken, im Optimalfall in Widersprüche zu verwickeln und ihre Glaubwürdigkeit infrage zu stellen. Es kommt immer wieder vor, dass Opfer hochgradig frustriert aus dem Gerichtssaal laufen, verzweifelt sind, weinen. Ich habe vor einigen Wochen erlebt, dass ein Opfer sein Handy an die Wand geschmissen und geschrien hat: Sie Schwein, was Sie hier machen, ist nicht mehr menschlich! Wenn es solche Reaktionen gibt, habe ich meinen Job gut gemacht – so hart sich das auch anhört.

Wie gehen Sie persönlich damit um? Man legt ja solche Erlebnisse nicht im Gerichtssaal ab, sondern trägt sie weiter mit sich herum.

Ich bewahre eine professionelle Distanz. In meiner Rolle als Strafverteidiger sehe ich mit einer Art Tunnelblick nur das, was für meinen Mandanten wichtig ist. Alles andere links und rechts blende ich aus. Wenn ich abends zuhause bin, wenn ich abschalte und den Tag Revue passieren lasse, kommen natürlich gerade bei dramatischen Fällen Erlebnisse, Aussagen oder Gedanken wieder hoch. Aber ich kann damit umgehen.

Burkard Benecken verteidigte auch das deutsche Model Gina-Lisa Lohfink, die sich vor Gericht wegen des Vorwurfs der falschen Verdächtigung verantworten musste.
Burkard Benecken verteidigte auch das deutsche Model Gina-Lisa Lohfink, die sich vor Gericht wegen des Vorwurfs der falschen Verdächtigung verantworten musste. © picture alliance / dpa | Boris Roessler

Man muss auch sagen, dass es vermeintliche Opfer gibt, die andere zu Unrecht beschuldigen. Gerade bei Sexualdelikten steht es häufig Aussage gegen Aussage und durch geschickte Fragetechniken können Sie falsche Beschuldigen als solche entlarven.

Das kommt im Prinzip jeden Tag vor. Oftmals fassen Gerichte und Staatsanwaltschaften mutmaßliche Opfer mit Samthandschuhen an. Da gibt es Richter, die ersichtliche Widersprüche gar nicht abfragen, sondern fast alles durchgehen lassen. Umso wichtiger ist es, dass man einen starken Strafverteidiger hat, der die entscheidenden Fragen stellt. In meinem Buch beschreibe ich den Fall eines Supermarkt-Mitarbeiters, der eine Auszubildende befummelt haben soll. Das Gericht war schon auf Verurteilungskurs. Als ich das vermeintliche Opfer im Zeugenstand befragte, stellte sich heraus, dass am Ende gar nichts mehr zusammenpasste. Sie hat schlicht gelogen, weil sie den Supermarkt wechseln wollte, was man ihr zuvor untersagt hatte. Sie dachte: Wenn ich jetzt den Vorwurf erhebe, dass mich einer angegrapscht hat, komme ich vielleicht in eine andere Filiale. Mein Mandant musste unheimlich viel über sich ergehen lassen. Bei der Arbeit galt er fortan als der Grapscher, als notgeiler Typ. Am Ende wurde, obwohl die Lüge feststand, gegen die Frau kein Strafverfahren eingeleitet wegen falscher Verdächtigung. Wenn man einmal in der Rolle des mutmaßlichen Opfers ist, hat man in der Justiz einen Schutz, der nicht in Ordnung ist.

Und wer einmal in der Rolle des mutmaßlichen Täters ist, hat man kaum eine Chance, den Stempel wieder loszuwerden. Wer fängt diese Menschen auf? Für Verbrechensopfer gibt es Hilfen – aber was ist mit jenen, die erst als Täter gelten, aber zu Unrecht beschuldigt werden?

Für die gibt es meiner Kenntnis nach keine offiziellen Hilfsangebote. Man kann sich privat an einen Psychotherapeuten wenden. Oft ist auch ein Strafverteidiger derjenige, der Zuspruch gibt, aber ein professionelles Angebot ist mir nicht bekannt. Ich erlebe immer wieder, dass solche Menschen traumatisiert zurückbleiben. Sie sind sozial geächtet uns selbst bei einem Freispruch bleibt bei vielen Menschen in ihrem Umfeld der Gedanke zurück: Vielleicht ist ja doch etwas dran.

Sie schildern in Ihrem Buch, welche Konsequenzen das auch für Prominente hat, die zu Unrecht einer Tat beschuldigt werden. Bundesweit bekannt wurden Sie als Verteidiger von Influencerin und Model Gina-Lisa Lohfink. Sie wehrte sich 2016 vor Gericht gegen einen Strafbefehl. Sie soll zwei Männer fälschlich beschuldigt, sie unter K.o.-Tropfen gesetzt und vergewaltigt zu haben.

Gina-Lisa Lohfink hatte 2012 zwei Männer wegen Vergewaltigung angezeigt, diese hatten ein Sexvideo verbreitet. Darauf war zu hören, wie sie mehrfach „Nein“ und „Hör auf“ sagte. Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen der Verbreitung des Videos und wegen Vergewaltigung. Am Ende kam sie aber zum Ergebnis, dass eine Vergewaltigung nicht nachzuweisen ist. Übrigens hatten zwei weitere Frauen unabhängig von Gina-Lisa Vergewaltigungs-Vorwürfe gegen die beiden Männer erhoben – auch das wurde eingestellt. Stattdessen leitete die Staatsanwältin ein Strafverfahren wegen falscher Verdächtigung gegen meine Mandantin ein. Wir haben in den Medien sehr schnell klar gemacht, dass wir das für ein völlig ungerechtes Vorgehen halten. Die Medien haben teilweise in einer Art und Weise berichtet, die ich nicht nachvollziehen konnte. Statt die Sache zu beleuchten, wurden mir Fragen zur Kleidung und oder zum Ausschnitt meiner Mandantin gestellt. Der Justizskandal an sich wurde gar nicht thematisiert. Sogar der Justizsenator hat sich in dem laufenden Verfahren eingeschaltet, weil wir der Staatsanwältin schlampige Arbeit vorgeworfen haben. Am Ende warf uns die Pressesprecherin vor, wir hätten Besucher ins Gericht bestellt, um die Verhandlung zu stören. Daraufhin haben wir auf eine Ablösung der Gerichtssprecherin gedrängt. Da war das Tischtuch zwischen Gericht und Verteidigung völlig zerrissen.

Auch seriöse Medien hatten Ihnen damals vorgeworfen, Sie seien nur auf Publicity aus gewesen. Wie wichtig ist die mediale Aufmerksamkeit für einen Strafverteidiger?

Mediale Beachtung kann auch nach hinten losgehen. Weil Gina-Lisa aber meiner Überzeugung nach unschuldig in Verdacht geraten ist, haben wir die negativen Schlagzeilen mitgetragen. Mir wurde reine Showmacherei vorgeworfen, weil ich Befangenheitsanträge gegen die Richterin gestellt habe. Wenn eine Gerichtssprecherin uns runterputzt und vorwirft, wir hätten unsere Mandantin absichtlich beleidigen lassen, um Aufmerksamkeit zu erzeugen, kann man das nicht durchgehen lassen. So ist das eskaliert. Auf der anderen Seite habe ich aber durch die Berichterstattung auch viel Zuspruch erfahren.

Wie gehen Sie mit einer krachenden Niederlage um?

Die gibt es zum Glück selten. Im Fall Lohfink haben wir zwar juristisch verloren, aber Gina-Lisa hat zu einer Beschleunigung des Nein-heißt-Nein-Gesetzes beigetragen (seit 2016 gilt: Für die Strafbarkeit eines Übergriffes kommt es nicht mehr darauf an, ob mit Gewalt gedroht oder diese angewendet wurde. Entscheidend ist: Das Opfer hat die sexuelle Handlung nicht gewollt. Anm. d. Redaktion). Sie hat Widerstand gegen eine total befangene Justiz geleistet bis in die letzte Instanz. Wir hätten nicht damit leben können, wenn wir eine Strafe akzeptiert hätten für ein Verhalten, das ich für nicht strafbar halte. Es war gut, dass wir das öffentlich thematisiert haben und es hatte für die Gesetzgebung einen guten Effekt.

Burkhard Benecken 2018 im Hochsicherheitssaal des Oberlandesgerichts Celle, wo der Terror-Prozess gegen den Hildesheimer Prediger Abu Walaa lief. Er begleitete als Zeugenbeistand den damals 18-jährigen Yusuf, der als Attentäter auf den Essener Sikh-Tempel bekannt wurde.
Burkhard Benecken 2018 im Hochsicherheitssaal des Oberlandesgerichts Celle, wo der Terror-Prozess gegen den Hildesheimer Prediger Abu Walaa lief. Er begleitete als Zeugenbeistand den damals 18-jährigen Yusuf, der als Attentäter auf den Essener Sikh-Tempel bekannt wurde. © picture alliance/dpa | Holger Hollemann

Sie gehen in Ihrem Buch auch mit Ihren Anwaltskollegen hart ins Gericht. Beim Prozess gegen den Hildesheimer Prediger Abu-Walaa vor dem Oberlandesgericht Celle zum Beispiel kritisieren Sie die Taktik der Anwälte, das Verfahren durch immer weitere Anträge in die Länge gezogen zu haben.

Ich war Zeugenbeistand eines der Hauptbelastungsbelastungszeugen in dem Prozess – Yusuf. Er wurde bundesweit bekannt, weil er 2016 als Jugendlicher und ehemaliger IS-Anhänger mit zwei seiner Kumpels einen Anschlag auf den Essener Sikh-Tempel verübt hatte. Ich habe es so wahrgenommen, dass während der Verhandlung sinnlose Fragen gestellt wurden, die überhaupt keinen Mehrwert hatten. Offensichtlich wollten einige Verteidiger das Verfahren in die Länge ziehen. Vielleicht dachten sie an die eigenen Pflichtverteidiger-Gebühren, die ja bei einer Verteidigung vor einem Oberlandesgericht mit Nebenpauschalen bis zu 1000 Euro pro Tag betragen kann. Meinen Mandanten an elf Tagen zu befragen, machte keinen Sinn. Das habe ich im Buch als Chaos-Verteidigung bezeichnet. Das heißt nicht, dass es schlechte Anwälte waren. Aber der eine oder andere hat sich so verhalten, dass es für mich keinen Sinn ergab. Yusuf hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die Angeklagten auch verurteilt wurden.

Sie haben den Kontakt zu Yusuf gehalten, ihr Mandant saß viele Jahre in der JVA Iserlohn. Wie geht es ihm jetzt?

Ein neues psychiatrisches Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass Yusuf jetzt nicht mehr gefährlich ist. Es sieht also gut aus, dass er nach über fünf Jahren hinter Gittern endlich in den offenen Vollzug wechseln kann. Seine Eltern haben eine neue Existenz im Ruhrgebiet aufgebaut und würden ihn gerne auch in ihrem Betrieb beschäftigen. Es gibt immer noch ein ausländerrechtliches Verfahren, in dem die Stadt Gelsenkirchen prüft, ob Yusuf als türkischer Staatsbürger auszuweisen ist. Ich glaube aber, dass wir jetzt mit dem neuen Gutachten gute Karten haben, dass er in Deutschland bleiben darf. Und dass er auch bald wieder Zuhause ist. Er hat ja seine halbe Jugend im Gefängnis verbracht. Er wurde mit 16 inhaftiert, jetzt ist er 22 Jahre alt – das ist eine prägende Zeit gerade in diesem Alter.

Das Beispiel zeigt, dass nicht nur gute Rechtskenntnisse notwendig sind, um einen Mandanten gut zu vertreten, sondern auch psychologische Kenntnisse. Wie eignet man sich diese an?

Psychologische Fähigkeiten sind für einen Strafverteidiger wichtiger als juristische Fähigkeiten. Natürlich muss man das juristische Handwerkszeug beherrschen. Aber was einen guten Strafverteidiger ausmacht, ist die psychologische Betreuung der Mandanten und Angehörigen. Man muss ein Standing haben, den Mandanten klar machen, was sie falsch gemacht haben. Beispiel Yusuf: In den ersten Wochen nach der Inhaftierung hat er noch fanatische Gedanken geäußert. In der JVA kursierten Briefe, in denen von einem Anschlag auf einen Kindergarten die Rede war – da sollte mit Arsen vergiftetes Eis an Kinder ausgeliefert werden, danach wollte man mit einer im Eiswagen versteckten Bombe in den Kindergarten fahren. Vollkommen irre. Ich habe damals Yusuf noch mal den Kopf gewaschen und ihm ganz klar meine Meinung gesagt - auch so etwas ist sehr wichtig. Man darf sich nicht zum Spießgesellen des Mandanten machen, sondern muss eine klare Position beziehen. Solche Fähigkeiten kann man nicht erlernen. Entweder man hat sie oder nicht.

Einen Mandanten gut zu vertreten heißt ja nicht automatisch: Rauspauken um jeden Preis, sondern manchmal ist es auch besser, sich einer Tat zu stellen. Wie entscheiden Sie, was die richtige Taktik ist?

Viele Menschen denken in der Tat, wir wollen jeden Mandanten um jeden Preis raushauen. Aber das stimmt nicht. Nach einer Analyse der Akten besprechen wir uns mit den Mandanten. In rund 50 Prozent der Fälle kommen wir zu dem Ergebnis, keine Chance auf einen Freispruch zu haben. Und dann ist ein Geständnis oder ein Täter-Opfer-Ausgleich, etwa durch Zahlen von Schmerzensgeld, der richtige Weg. Auch das muss man einem Mandanten verkaufen können.

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