Braunschweig. Ein Göttinger Parteienforscher erklärt, warum das mit der „Ampel“ nach der Bundestagswahl womöglich doch hinhauen könnte.

Was nun, FDP? Michael Freckmann hat sich am Göttinger Institut für Demokratieforschung mit der Partei beschäftigt.

Nun kommt es auf die FDP an. Sie haben sich intensiv mit ihrem Programm befasst. Was sagen Sie?

Auf der einen Seite scheint „Jamaika“ tatsächlich viel einfacher für die FDP. Man kann die Bereiche durchgehen: Klimapolitik, Verkehrspolitik und Wirtschaftspolitik – da ist sie der Union wesentlich näher. Zudem führt Armin Laschet in NRW ein schwarz-gelbes Bündnis, das darf man nicht vergessen. Hinzu kommt: Umfragen vor der Wahl legen nahe, dass die FDP-Anhänger mit knapper Mehrheit für „Jamaika“ sind. Auf der anderen Seite gibt es die Strömung, die in Sachen Bildungspolitik, Digitalisierung und gesellschaftlichem Fortschritt eher zu den Grünen und zur SPD tendiert. Das hat auch mit persönlichen Kontakten zu tun, etwa zwischen FDP-Leuten wie Johannes Vogel aus NRW und Konstantin Kuhle aus Niedersachsen zu Grünen wie Konstantin von Notz.

Sind Politiker wie Kuhle und Vogel typisch für die neue FDP?

Ja, man darf die FDP unter Christian Lindner nicht auf die Klischees aus der Ära Westerwelle-Brüderle reduzieren. Es gibt den vor allem wirtschaftlich orientierten, typischerweise dem Mittelstand angehörenden, eher südwestdeutschen Flügel. Aber da sind seit 2013 auch andere Leute an Bord. Dazu passt der Befund, dass die FDP jetzt von 19 Prozent der Wähler unter 30 gewählt worden ist. Bei den Erstwählern liegt sie sogar auf Platz eins.

Woher kommt der frische Wind?

Nachdem die FDP 2013 aus dem Bundestag geflogen ist, hat sie sehr ernsthaft ihre eigene Rolle hinterfragt. Genau diesen Wandel habe ich untersucht. Wie macht das eine Partei, sich in einem veränderten Spektrum neu zu erfinden, in dem altbekanntes Lagerdenken nicht mehr funktioniert? Heute taugt der Begriff „bürgerliches Lager“ nicht mehr für die alten Abgrenzungsmuster. Es gibt mittlerweile auch viel „Bürgerlichkeit“ in Teilen der SPD und bei den Grünen. Und man unterschätze nicht alte und neue sozialliberale Anknüpfungspunkte in der FDP. Die „Ampel“ wäre in diesem Sinne gar kein linkes Bündnis, sondern könnte auch zu einem Bündnis der Mitte werden – ohne die konservativ-bürgerliche Note, die traditionell von der CDU kommt. Bei allen bisher noch bestehenden Gegensätzen zwischen den Ampel-Parteien etwa in der Steuerpolitik: Ich könnte mir dennoch durchaus vorstellen, dass es zur „Ampel“ kommt.