Braunschweig. Natürlich wirken sich Umfragen auf Wahlen aus - aber nicht so einfach. Die TU-Studie war nicht repräsentativ, aber zutreffend.

Gibt es eigentlich Umfragen darüber, wie die Leute Umfragen finden? Ist wohl schwierig durchzuführen, schon was die Motivation der Skeptiker angeht…

Doch, es sind einige dagegen. All die Wasserstandsmeldungen kurz vor der Wahl sind umstritten. Das gilt auch für die Umfrage, die der Braunschweiger Politologe Prof. Nils Bandelow mit einem Team im Auftrag unserer Zeitung, der Goslarschen Zeitung und des Harz-Kurier im Juli mit Blick auf Kommunal- und Bundestagswahl angeschoben hat. Einen zentralen Einwand formulierte Leser Holger Kuhlmann: „Besonders schlimm ist es, dass so die Wahlen beeinflusst werden. Es gibt zahlreiche Studien, die belegen, dass unsichere Wähler gerne auf der Seite des Siegers stehen wollen.“

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Das stimmt, ist aber nicht das Ende der Fahnenstange. Man unterscheidet verschiedene Effekte auf die Wahl. Zum einen gibt es den – vom Leser angeführten – Mitläufereffekt, der mit Blick auf das Bild des Wagens einer zugkräftigen Musikgruppe auch „Bandwagon-Effekt“ genannt wird. Jeder möchte halt bei den Siegern sein und wählt entsprechend… Zum anderen ist aber auch bereits der „Underdog-“ oder auch „David gegen Goliath“-Effekt beobachtet worden. Dessen Mechanik ist klar: Gerade in Anbetracht mitleiderregender Unkenruf-Umfragen verbessert sich das Ergebnis des angeblich chancenlosen Kandidaten. Ob in Armin Laschets Umfeld in diesen Tagen vor allem dieser Effekt beschworen wird? Und einer Partei wie der FDP oder der Linkspartei kann in diesem Sinne auch ein Umfrageergebnis unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde einen sozusagen paradoxen, am Ende entscheidenden Schub geben – wohingegen für diese Parteien der demoskopische Wert von 8 oder 9 Prozent die große Gefahr birgt, dass sich die „taktischen“ Wähler auf den letzten Metern doch anders entscheiden.

Umfragen werden schwieriger

Kurzum: Eine eindeutig im Sinne der Favoriten sich entfaltende Wirkung von Umfragen lässt sich schwerlich nachweisen. Zumal die Unentschlossenheit vieler Wählerinnen und Wähler sowie die technischen Probleme (repräsentative Umfragen sind schon aus Gründen der regionalen Zuordnung meist auf Festnetz-Telefonie angewiesen, Online-Befragungen gelten als wenig zuverlässig) den Instituten die Arbeit zusätzlich erschweren. Manches wird am Wahlabend aller Voraussicht nach dann doch anders aussehen als vorausgehen.

Die nicht repräsentative, aber auf die Mitwirkung von immerhin siebentausend Menschen gegründete Umfrage der TU Braunschweig hat die Kommunalwahlergebnisse zu einem beachtlichen Teil richtig vorhergesagt. „Vor allem bei der Frage, wer die besten Chancen auf den Gesamtsieg bei den jeweiligen Oberbürgermeister- und Landratswahlen hat, lag die Umfrage richtig“, betont Studienleiter Bandelow und nennt den Ansatz der Studie und die Kooperation Wissenschaft-Lokalzeitungen „sehr erfolgreich“. Besonders nah am tatsächlichen Ergebnis landete man in Braunschweig, der Stadt, in der die meisten Menschen sich die Zeit für die Fragebögen genommen hatten. Doch auch in den Landkreisen unserer Region sowie in Wolfsburg lag man alles andere als daneben, wie sich bei der Nachlese herausstellt – wobei Bandelow betont, dass die Studienergebnisse keine seriöse Vorhersage der Wolfsburger OB-Stichwahl zwischen Dennis Weilmann und Iris Bothe erlauben.

Überraschung in Salzgitter

Echt überrascht war er allerdings vom Ergebnis in Salzgitter, wo man, wie er einräumt, den Stimmenanteil des Herausforderers Harald Rau „deutlich überschätzt“ habe. Dass die nackten Zahlen nach der Wahl bezüglich der Partei-Ergebnisse nicht dem Umfrageergebnis entsprechen würden, sei ihm dagegen klar gewesen, betont Bandelow. „Anders als das Wahlergebnis in Salzgitter hat uns nicht überrascht, dass die Unterstützung der Grünen bei den ungewichteten Daten deutlich überschätzt wurde und entsprechend die ungewichteten Stimmenanteile anderer Parteien eher zu niedrig waren.“

Diesen Effekt führt der Politikwissenschaftler zum einen auf den Faktor „soziale Erwünschtheit“ und zum anderen auf die Eigenheiten der freiwillig teilnehmenden Gruppe zurück. Damit wiederum meint er vor allem die Aufgeschlossenheit gegenüber Wissenschaft im Allgemeinen und Umfragen im Besonderen. Und schon wären wir wieder beim eingangs erwähnten Umfrage-Problem. Wer generell gegen Umfragen ist, nimmt halt nicht an Umfragen teil…