Braunschweig. Bis der Impfschutz aufgebaut ist, dauert es etwa zwei Wochen. Mediziner: Daher reicht eine Impfung Mitte Dezember.

„Wie ist es um die Versorgung mit Grippeimpfstoff in unserer Region gestellt?“ Das möchte unser Leser Bernd Passier aus Salzgitter wissen.

In Zeiten von Corona ist die Grippeschutzimpfung besonders wichtig: Das haben in den vergangenen Wochen unter anderem Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und die niedersächsische Sozialministerin Carola Reimann (SPD) immer wieder betont. Auch Gewerkschaften, Krankenkassen und Unternehmerverbände rufen zur Impfung gegen die Influenza auf. Die Befürchtung: Ein Zusammentreffen von Grippe-Welle und Corona-Pandemie könnte das Gesundheitssystem schnell überlasten. Auch die Gesundheit jedes Einzelnen, nicht nur von Risikopatienten, sei durch eine mögliche Doppelinfektion gefährdet. Die Folge: „Die Nachfrage nach Grippeschutzimpfungen ist dieses Jahr enorm gestiegen“, berichtet Dr. Thorsten Kleinschmidt im Gespräch mit unserer Zeitung. Der Allgemeinmediziner ist Vorsitzender des Bezirksausschusses Braunschweig der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN). Durch die gestiegene Nachfrage sind Impfdosen zurzeit nicht in allen Praxen und Apotheken zwischen Harz und Heide vorrätig. Aber Nachschub steht in Aussicht.

„Dieses Jahr gab es einen sehr frühen Ansturm auf die Grippeimpfungen“, sagt Dr. Torben Raeth, Inhaber der Schloss-Apotheke in Salzgitter-Ringelheim und der Apotheke im Marktkauf in Goslar. Der Apotheker ist zudem Vorsitzender für den Bezirk Salzgitter-Goslar im Landesapothekerverband (LAV) Niedersachsen. Normalerweise beginne die Nachfrage im Oktober, dieses Jahr aber bereits schon im September. Gleiches berichtet auch Apothekerin Stefanie Brach von der Apotheke am Botanischen Garten in Braunschweig.

Bestellung der Impfdosen orientiert sich an Vorjahresniveau

Die Bestellungen der Impfdosen für die Grippesaison 2020/2021 liefen wie in den Vorjahren bereits zu Beginn des Jahres – und damit noch vor dem Corona-Lockdown. Der Impfstoff-Bedarf berechne sich aus dem Durchschnitt der verimpften Grippeimpfstoffe der vergangenen drei Impfsaisons, teilt KVN-Pressesprecher Detlef Haffke mit. „Bei der Grippeimpfung gab es in den letzten Jahren eine gewisse Impfmüdigkeit“, beschreibt es Apotheker Raeth.

Da jede nicht genutzte Impfdose Ärzte, Apotheker oder Pharmaunternehmen Geld kostet, wird anhand der Vorbestellungen die Produktionsmenge bestimmt. Laut der KVN haben die niedersächsischen Ärztinnen und Ärzte im Januar insgesamt rund 1,4 Millionen Impfstoffdosen geordert. Gesonderte Zahlen zu Regionskontingenten gibt es laut Kleinschmidt nicht. „Wir reservieren eine bestimmte Menge und rufen diese nach und nach ab“, sagt der Mediziner.

Einzeldosen sind zumeist abverkauft

Dabei sind die Kontingente der niedergelassenen Ärzte den Kassenpatienten vorbehalten. Privatpatienten müssen den Impfstoff auf Rezept selbst in den Apotheken erwerben und sind dabei auf die Vorräte in den Apotheken angewiesen. „Die meisten schon ausgelieferten Einzeldosen sind abverkauft“, teilt Apothekerin Ines-Angela Eder mit. Sie ist LAV-Vorsitzende für den Bezirk Braunschweig. Aufgrund der stark gestiegenen Nachfrage haben die Ärzte und Apotheker in der Region Impfdosen nachgeordert. „Wir versuchen, zeitnah zu versorgen“, sagt Apothekerin Brach. Allerdings erfolge die Auslieferung über die Großhändler nur bruchstückhaft.

Ein Grund: „Die Herstellung des Grippeimpfstoffs ist sehr aufwendig“, sagt Apotheker Raeth. Das dauere etwa ein halbes Jahr. Zudem müssen die einzelnen Chargen der Impfstoffe vom zuständigen Paul-Ehrlich-Institut freigegeben werden. Von daher kommen die Impfstoffdosen nur chargenweise in den Markt und nicht alle gleichzeitig, wie seine Braunschweiger Kollegin Eder ergänzt. Sie stellt in Aussicht: „Voraussichtlich im November werden die nächsten Grippeimpfstoffe in den Apotheken eintreffen.“

1,2 Millionen weitere Impfdosen vom Bund

Zusätzlich könnte Niedersachsen weitere 1,2 Millionen Impfdosen in den kommenden Wochen über den Bund bekommen. „Wir haben damit dieses Jahr doppelt so viele Impfstoffdosen zur Verfügung wie im vergangenen Jahr“, sagt Frank Germeshausen, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des LAV Niedersachsen. Er betont: „Wir Apotheker sind für die Verteilung zuständig, die Ärzte entscheiden darüber, wer geimpft wird.“

Dabei rät die KVN den Ärztinnen und Ärzten, sich nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (Stiko) des Robert Koch-Instituts (RKI) zu richten. Die Stiko empfiehlt auch in Zeiten der Corona-Pandemie eine Grippeschutzimpfung für klassische Influenza-Risikogruppen. Dazu zählen Menschen über 60 Jahren, Schwangere ab dem zweiten Trimester oder Menschen mit Vorerkrankungen wie Diabetes und Herz- oder Kreislaufproblemen. Auch medizinisches Personal in Krankenhäusern, Pflege- und Senioreneinrichtungen sowie im Gesundheitswesen sollte sich impfen lassen.

Grippeschutzimpfung kann auch erst im November erfolgen

Auch wenn zurzeit ein Engpass bei den Impfstoffdosen bestehe, sehen die befragten Ärzte und Apotheker keinen Grund zur Panik. „Da man davon ausgeht, dass die Grippeimpfung nach sechs Monaten an Wirksamkeit verliert, ist der November ein guter Zeitpunkt für eine Impfung. Auch im Dezember kann gut noch geimpft werden, denn die Grippesaison geht normalerweise von Mitte Dezember bis Ende April“, teilt Apothekerin Eder mit. Mediziner Kleinschmidt ergänzt: „Bis der Impfschutz aufgebaut ist, dauert es etwa zwei Wochen. Von daher würde auch noch eine Impfung Mitte Dezember ausreichen.“