Braunschweig. Redakteur Arne Grohmann war Dialysepatient. An die Umstellungen gewöhne man sich sehr schnell, sagt er im Interview.

Auf den Tag genau vor 75 Jahren gelang dem niederländischen Arzt Willem Kolff ein medizinischer Durchbruch. Zum ersten Mal dialysierte er eine Patientin mit akutem Nierenversagen so lange, bis ihre Nierenfunktion wieder einsetzte. Die Dialyse hat seit diesem Tag vielen Menschen mit chronischen Nierenleiden und auf Intensivstationen geholfen.

In Deutschland sind rund 80.000 Personen auf die Dialyse angewiesen. Viele warten auf ein Spenderorgan. Wie das Leben als Dialysepatient war, berichtet Arne Grohmann. Der 51-Jährige ist Lokalreporter unserer Zeitung und lebt seit 2007 mit einer Spenderniere.

Arne Grohmann ist Lokalredakteur unserer Zeitung.
Arne Grohmann ist Lokalredakteur unserer Zeitung. © Peter Sierigk

Herr Grohmann, warum brauchten Sie die Dialyse?

Ich brauchte die Dialyse, weil meine eigenen Nieren eine chronische Nierenentzündung haben. Meine Nieren haben deshalb nach und nach ihre Funktion aufgeben. Das heißt, sie entgifteten den Körper nicht mehr. Und das merkte man auch.

Wie war es für Sie, als die erste Dialyse anstand?

Die Phase der Dialyse war bei mir relativ kurz, von 2005 an nur etwa eineinhalb Jahre. Meine Diagnose stand schon Mitte der 90er Jahre fest: chronische Nierenentzündung. Ich hatte Glück, dass mich meine damalige Ärztin so gut untersucht hatte. Das bedeutete, langfristig würden die Nieren kaputtgehen. Für mich war das eigentlich noch gar nicht so schlimm, weil man davon erstmal nichts merkt. Man pinkelt nicht etwa Blut. Deshalb bleiben viele Nierenerkrankungen oft unerkannt. Aber irgendwann kommt die Phase, in der die Nieren nach und nach ihre Funktion einstellen und nicht mehr entgiften. Man lagert Wasser ein. Man fühlt sich permanent wie schwer verkatert, man hat Kopfschmerzen. Ich hatte auch ein ganz gelbes Gesicht, bekam unreine Haut. Es ging mir schon ziemlich dreckig. In einem Urlaub 2005 war es dann soweit, dass ich nur noch flachgelegen habe. Danach hieß es dann: Jetzt sofort Dialyse. Das war natürlich schon ein Schock. Plötzlich wechselt man in die Welt der Chronischkranken und muss sich damit zum ersten Mal auseinandersetzen.

Nieren sind die Entgiftungsstationen des Menschen

Wie oft mussten Sie dann zur Dialyse?

Ich habe mich erstmal informiert, weil ich dachte, es gibt nur die klassische Blutwäsche. Ein befreundeter Arzt hat mir dann die Bauchfelldialyse vorgestellt. Das ist eine Methode, bei der man nicht dreimal die Woche zur Blutwäsche muss, sondern jeden Tag sogenannte Beutelwechsel macht. Vereinfacht gesagt, füllt man sich eine Flüssigkeit in die Bauchhöhle ein. Die verbleibt dort für mehrere Stunden und diffundiert durch das Bauchfell. Danach lässt man die Flüssigkeit wieder raus und zieht so die Giftstoffe aus dem Körper. Da man das selbst machen kann, ist man unabhängiger. Man ist zwar auch sehr gebunden, da ich viermal am Tag die Flüssigkeit unter sterilen Bedingungen tauschen musste. Dazu hat man einen Katheter, der in die Bauchhöhle geht und nicht verschmutzen darf. Ansonsten könnten Keime in die Bauchhöhle wandern, was dann sehr schmerzhaft sein kann.

Dialysearten

Grundsätzlich unterscheidet man zwei Arten der Dialyse.

Hämodialyse : Dieses Verfahren wird auch als „Blutwäsche“ bezeichnet. Das Blut des Patienten wird dabei außerhalb des Körpers über einen Filter mit halbdurchlässiger Membran von Giftstoffen gereinigt. Die Behandlung findet meist in Dialysezentren statt, kann aber auch zuhause durchgeführt werden (Heimhämodialyse). In der Regel wird dreimal pro Woche dialysiert. Eine Behandlung dauert zwischen vier und fünf Stunden.

Bauchfelldialyse (Peritonealdialyse) : Hier findet die Reinigung innerhalb des Körpers statt. Dabei wird das Bauchfell als natürliche Membran genutzt. Über einen Katheter in der Bauchdecke wird die Spülflüssigkeit in den Bauchraum gefüllt. Nach etwa vier Stunden wird das verbrauchte Dialysat mit den Giftstoffen abgelassen und durch neues ersetzt, der sogenannte Beutelwechsel.

Mussten Sie während der Dialyse-Zeit wöchentlich oder täglich Rücksprache mit einem Arzt oder einem Dialysezentrum halten?

Zu Beginn wird man sehr gut und intensiv betreut. Man macht einen Kursus. Zuerst ein paar Tage und Nächte stationär im Krankenhaus, damit man die Dialyse unter Aufsicht lernt. Dann wird man entlassen und kommt ein paar Tage zum Beutelwechsel unter Aufsicht oder alleine vorbei. Aber irgendwann kommt der Tag, an dem man es dann zum ersten Mal alleine zuhause macht. Das war dann aber schnell kein Problem mehr. Wenn man Dialyse macht oder eine Spenderniere hat, ist man permanent in ärztlicher Betreuung. Aber auch nicht jede Woche. Anfangs sind die Taktungen natürlich kürzer. Als es dann mit der Dialyse gut lief, bin ich auch nicht mehr so viel zum Arzt gegangen. Es gab regelmäßige Kontrollen einmal pro Quartal.

Mussten Sie zusätzlich zur Dialyse Medikamente einnehmen?

Wegen der Dialyse an sich musste ich keine zusätzlichen Medikamente einnehmen. Ich hatte vorher schon Blutdrucksenker und Tabletten, die für die Entwässerung sorgen, genommen.

Hatten Sie Probleme, dass Sie wegen der Dialyse bestimmte Sachen nicht essen oder trinken durften?

Ein großer Vorteil der Bauchfelldialyse ist, dass sie über sieben Tage die Woche geht und jeden Tag entgiftet. Das macht es im Vergleich zur normalen Blutwäsche wesentlich angenehmer auch in Bezug auf Essen und Trinken. Natürlich gibt es immer Regeln, wenn du so eine schwere Krankheit hast. Aber bei der Bauchfelldialyse führst du eigentlich bis auf die Beutelwechsel ein relativ normales Leben. Du kannst dich relativ frei bewegen, kannst quasi fast alles essen und trinken.

Hat Sie die Dialyse im Alltag beziehungsweise bei der Arbeit sehr eingeschränkt?

Wenn man überlegt, dass ich viermal am Tag selbstständig diesen sogenannten Beutelwechsel gemacht habe, muss ich im Nachhinein sagen, eigentlich erstaunlich, wie wenig es mich eingeschränkt hat. Wobei der Rhythmus von vier bis fünf Stunden den Tag oder die Woche schon durchgetaktet hat. Wenn ich Mittwochfrüh um 10 Uhr einen Termin hatte, musste ich mir quasi montags schon überlegen, wann ich mit meinem Rhythmus anfange, um dann eben nicht zum Termin den Beutelwechsel machen zu müssen. Aber das lernt man relativ schnell und gewöhnt sich dran. In der Regel habe ich einen Beutelwechsel morgens vor der Arbeit gemacht, bin hingefahren und habe gearbeitet. Dann habe ich einen zur Mittagspause gemacht. Bei der Arbeit hatten wir dafür extra einen kleinen Raum hygienisch hergerichtet, mit Desinfektion. Danach habe ich weitergearbeitet, habe noch einen Beutelwechsel gemacht und bin nach Hause gefahren. Den letzten Wechsel habe ich dann vor dem Schlafengehen gemacht. Man gewöhnt sich da sehr dran.
Es ist natürlich viel Logistik, man muss relativ viel Material bestellen. Ich musste darauf achten, dass mir die Flüssigkeit, Stecker, Verbindungen, Kabel und Schläuche nicht ausgehen. Später habe ich dann noch einmal umgestellt innerhalb der Bauchfelldialyse. Ich habe morgens eine Flüssigkeit genommen, die den ganzen Tag drin bleiben konnte. Abends habe ich mich dann an eine Maschine angeschlossen, die die ganze Nacht den Beutelwechsel gemacht hat. Am Anfang war es ein bisschen gewöhnungsbedürftig, mit einer Maschine neben dem Bett zu schlafen. Besonders, wenn die Freundin neben einem liegt und man die ganze Zeit wie angekettet ist. Aber es lief eigentlich sehr gut.

Hat Sie die Dialyse belastet?

Körperlich nicht, es hat ja auch nicht so lange gedauert. Aber psychisch war es schon ein ganz schönes Brett. Wenn man gefühlt von heute auf morgen auf die Seite der Chronischkranken wechselt, ist das in jungen Jahren ein ganz schöner Schock. Da musste ich schon sehr arbeiten. Zum Glück habe ich eine tolle Familie und einen großen Freundeskreis. Auch die Kollegen bei der Arbeit haben sehr viel Anteil daran genommen. Es gab sehr viel positive Begleitung und gute Energie von vielen Menschen in meinem Umfeld. Das war sehr wichtig.

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