Bad Harzburg. Sturzfluten, Sturm, Dürre – es steht nicht gut um den Forst im Mittelgebirge. Die Landesforsten suchen Partner und stoßen auf große Hilfsbereitschaft.

„Von einem Umbau der Harzer Fichtenwälder konnte ich leider noch gar nichts erkennen.“ Das schreibt unser Leser Hinrich Schüler aus Hornburg. Er beobachtet die Schäden im Harz zwischen Brocken, Achtermann und Rehberg mit großer Sorge.

Das Thema recherchierte
Armin Maus

Starkregen, Orkan, Dürre – eine Krise in den Wäldern des Harz

Der Wald leidet, im Harz ist das unübersehbar. Wir stehen in der Nähe von Torfhaus an erhabener Stelle. Die kalte, klare Luft erlaubt einen weiten Blick – aber die Aussicht ist alles andere als erhaben. Abgestorbene Bäume stehen wie Kriegerdenkmäler auf der Anhöhe gegenüber, der Hang ist kahl.

„Erst der Starkregen 2017. Dann der Orkan Friederike. Und jetzt die Dürre. Es hat immer wieder einmal Krisen gegeben. Aber in dieser Koppelung ist das historisch einmalig. Die Bäume halten das nicht aus“, sagt Klaus Merker. Als Präsident der Niedersächsischen Landesforsten bewirtschaftet er mit seinem Team ein Drittel des Waldes in Niedersachsen, etwa 330.000 Hektar.

In den geschwächten Beständen entwickelt sich der Borkenkäfer explosionsartig. Nur wenige Schritte entfernt steht ein Dreifuß, Trinet genannt, der Borkenkäfer per Pheromon anlocken und mit Pyrethroid unschädlich machen soll. Viele dieser Trinets sind auf dem Hang verteilt. Es ist ein Versuch der Eindämmung, nicht mehr. „Letzte Woche sind Milliarden von Borkenkäfern geflogen, sagt Merker. „Der Borkenkäfer hat einen ähnlichen Verbreitungsmechanismus wie Corona. Ein Baum steckt 25 weitere an.“

Landesforsten blicken auf Schäden im Wert von 300 Millionen Euro

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    Schaden am Wald beträgt 300 Millionen Euro: „Wir leben aus den Risikorücklagen“

    Die Landesforsten halten sich viel darauf zugute, dass sie zugleich umweltschonend und wirtschaftlich arbeiten. Mit Erträgen aus der Forstwirtschaft kann der geplagte Finanzminister aber fürs Erste nicht mehr rechnen. Der ökonomische Schaden am Wald war schon bis Ende des vergangenen Jahres auf 300 Millionen Euro angeschwollen. „Wir leben aus den Risikorücklagen“, sagt Merker, „genauso wie die Privatwaldbesitzer.“

    Wir stehen an einer Stelle, wo sich Landesforsten und Nationalpark treffen. Der Umgang mit dem Borkenkäfer könnte unterschiedlicher nicht sein. „Wir versuchen, jeden Baum zu retten, sagt Merker. Das heißt: So weit es die Kräfte zulassen, wird jeder befallene Baum aus dem Wald entnommen, „unreifes Holz“, wie Forstamtsleiter Ralf Krüger sagt. Er ist für das Forstamt Clausthal verantwortlich. Die Kosten dafür sind höher als der Preis, der gegenwärtig zu erlösen ist. Der Festmeter wird für 30 Euro gehandelt, normal wäre das Doppelte. Im Nationalpark bleibt das Totholz liegen, der Wald soll sich natürlich regenerieren. Marker und Krüger respektieren diesen ganz anderen Weg, der sich im Bayerischen Wald bewährt hat. Mit dem Unterschied allerdings, dass der Wald dort nicht der Ausnahmebelastung ausgesetzt war, die den Wald seit 2017 fast zu verfolgen scheint.

    Jürgen Brinkmann im Video-Interview: „Bilder aus dem Harz machen betroffen“

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      Wiederaufforstung – Jubiläum der United Kids Foundations ergibt 15.000 Bäume

      Das Land Niedersachsen hat 7,5 Millionen Euro für die klimaangepasste Wiederaufforstung bewilligt. Das ist ein Anfang. Aber die Landesforsten suchen Partner, weil der Wald mehr rasche Hilfe braucht. Wie die Basketballer der BG Göttingen oder der Arzneigroßhändler Kehr aus Braunschweig hat sich die Volksbank Brawo vorgenommen, zur Rettung beizutragen. Das Netzwerk United Kids Foundations feiert sein 15-jähriges Bestehen, und die Volksbank Brawo schenkt ihm zum Geburtstag 15.000 Bäume. Das soll nur der Anfang sein.

      „Den heimischen Wald als Natur- und Klimaschutzgebiet zu erhalten, bedeutet auch, den Kindern hier vor Ort eine nachhaltige Zukunft zu sichern“, sagt Jürgen Brinkmann, der Vorstandsvorsitzende der Bank. „Wir wollen gerne helfen, wir wollen aber vor allem Bewusstsein schaffen.“ Über die Spenden-Plattform www.gemeinsam-fuer-gemeinwohl.de kann für 5 Euro jeder einen Baum spenden. Für den Abschluss eines bestimmten Kredits spendet die Bank zwei weitere Bäume. „Die Region sollte sich gemeinsam engagieren“, findet Brinkmann.

      Merker und Krüger zeigen dem Bankier Rindenstücke, in denen die kleinen Käfer sitzen und fressen. Und sie zeigen auf Waldstücke, deren frisches, vitales Grün das beste Mittel gegen die Mutlosigkeit sind, die auch wackere Forstleute angesichts der dichten Folge von Rückschlägen befallen kann. Dank der Aufforstung ist junger Mischwald entstanden, wo die nach dem Krieg aus schierer Not gepflanzten Monokulturen keine Überlebenschance mehr hatten.

      Die Fichte wird ihren Platz im Harz behalten

      Die Forstleute sehen den angepassten Mischwald als Mittel, den Wald stabiler gegen Klimaveränderungen zu machen. Ralf Krüger sagt: „Das Klima wird wärmer und trockener.“ Manche Bäume, die in Frage kämen, scheiden für den Harz aus: „Zedern und Kastanien gedeihen in dieser Höhe nicht.“ Die Birke oder auch die Eberesche spielen eine Rolle als Pionierbäume. Buchen sollen wieder zu prägenden Bäumen des Harzwaldes werden, brauchen aber in ihren jungen Jahren Schatten unterm Dach anderer Arten. Roterle, Spitzahorn,Douglasie und gegen die Erosion auch Haselnuss ergänzen die Fichte, die weiterhin ihren Platz im Harz haben wird.

      Nationalpark-Leiter- „Der Harz braucht den Klimaschutz“

      Was sich Merker und Krüger wünschen? „Viel Unterstützung für unsere Arbeit für den Wald.“ Brinkmann, dessen Bank gerade die Hälfte der traditionsreichen Brauerei Wolters gekauft hat, lächelt. „Da fällt uns noch viel ein.“ Warum soll nicht auch ein Kasten Bier der Umwelt dienen…

      Schmalspurbahnen rollen bald wieder durch den ganzen Harz