Braunschweig. 3,7 Milliarden kostet die Vorbereitung der Bergung zwischen 2019 und 2033. Die Linke: Ministerium muss mehr Verantwortung übernehmen.

Zu teuer, zu langsam: Der Bundestag hat das Bundesumweltumweltministerium an die kurze Leine genommen. Der Haushaltsausschuss will einen jährlichen Bericht zum maroden Atommüll-Lager Asse bei Wolfenbüttel. Der erste Bericht liegt nun vor, Abgeordnete reagieren aber kritisch.

17 Seiten umfasst der Bericht. Fein säuberlich listet das Ministerium auf, was im vergangenen Jahr geschehen ist, um die Asse für die Bergung der 126.000 Fässer mit Atommüll vorzubereiten. Außerdem gibt es einen Ausblick auf das kommende Jahr und einen Überblick zu den Kosten in den Haushaltsjahren 2019 und 2020 sowie zu den Gesamtkosten.

Gerade bei den Gesamtkosten lässt der Bericht – wie schon beim im April vorgelegten Rückholplan der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) – viele Fragen offen. Gut 3,7 Milliarden Euro soll die Vorbereitung der Asse zwischen 2019 und 2033 kosten. Inbegriffen ist eine Toleranz von 30 Prozent. Schlimmstenfalls muss der Staat bis zur Bergung also eine gute Milliarde Euro mehr ausgegeben.

Verwaltungskosten wurden nicht einberechnet

Obwohl der Rückholplan der BGE erst wenige Wochen alt ist, ist dieser mit Blick auf die Gesamtkosten schon wieder überholt, denn die BGE hatte noch 3,35 Milliarden Euro angegeben. Die Endlagergesellschaft hatte die Verwaltungskosten nicht einbezogen.

Völlig unbeantwortet lassen BGE und das Umweltministerium, was die geplante Bergung und die Stilllegung der Asse ab 2033 kosten werden. Dabei dürfte das den eigentlichen Löwenanteil ausmachen. Die Bergung von Atommüll aus einem alten Bergwerk ist weltweit einzigartig. Darauf verweist das Umweltministerium im Bericht. Die 1,5 Milliarden Euro, die der Staat bis zum Jahr 2019 für die Asse ausgegeben hat, verschweigen das Ministerium und auch die BGE komplett.

Allein um das Bergwerk gebrauchstauglich zu halten, sind umfangreiche Stabilisierungsmaßnahmen nötig. Für die Rückholung ist geplant, einen neuen Schacht sowie ein angeschlossenes Rückholbergwerk zu errichten. Die BGE plant zudem, auf dem neuen Betriebsgelände auch eine Abfallbehandlungsanlage zu bauen. Dort soll das Material untersucht und neu verpackt werden, um es bis zum Abtransport in ein noch ungeklärtes Endlager sicher lagern zu können. All diese Vorhaben werden laufend vorbereitet. Im für die Jahre 2019 und 2020 verfassten Bericht steht zum Beispiel, dass im laufenden Jahr ein Feststofflabor umgebaut werden soll. Dort steht auch, dass ein Gasflaschenlager mit Gabelstapleranlage gebaut wird. Eine Schallschutzkabine für die Schlosserei und anderes wird erwähnt.

Weitere Belastung durch Zwischenlager

Das Pufferlager soll dann aus Platz- und Kostengründen zum Zwischenlager werden. Dass dieses Zwischenlager direkt an der Schachtanlage stehen soll, daraus machen das Umweltministerium und zuvor auch die BGE keinen Hehl. Das Lager wird zu einer weiteren Belastung für die Anwohner rund um die Asse werden.

Das Umweltministerium nennt im Bericht Zieltermine für einzelne Vorhaben – und wo der Betreiber BGE hinterherhinkt. Der Rückholplan der BGE ließ zum Beispiel ein Dreivierteljahr auf sich warten.

Täglich treten 12,5 Kubikmeter Lauge in die Asse ein. Das ist eines der großen Probleme in der Asse. Unter dem „Leistungsziel“, diese Zutrittslösungen in einem alten Bergwerk in Sehnde bei Hannover zu lagern, steht unter aktueller Termin: „nicht abschätzbar“. In Sehnde gibt es Widerstand in der Bevölkerung.

Insgesamt gibt die BGE im Haushaltsjahr 2019 laut Bericht 174 Millionen Euro aus, 2020 sollen es knappe 209 Millionen Euro sein.

Grüne: Bergung muss Priorität haben

Aus Sicht der Grünen sind die steigenden Kosten nicht das große Problem – Hauptsache, der Atommüll wird geborgen. Sven-Christian Kindler, Sprecher für Haushaltspolitik der Grünen-Bundestagsfraktion, sagte unserer Zeitung, dass die Überprüfung der Fortschritte und ein effektives Controlling der Kosten aber wichtig und richtig seien. „In jedem Fall ist klar, dass noch die Enkel unserer Enkelkinder für die energiepolitischen Sünden der Vergangenheit bezahlen werden“, sagte Kindler. Atomkraft sei nicht nur lebensgefährlich, sondern auch extrem teuer. Die Rückholung des Atommülls aus der Asse müsse weiterhin vorangetrieben werden. Nur das biete die Chance, die Anforderungen an die Langzeitsicherheit zu erfüllen. Kindler: „Das ist auch unter finanziellen Gesichtspunkten langfristig die beste, weil am wenigsten teuerste Variante.“

Der Bundestagsabgeordnete Victor Perli (Linke) bezog sich auf einen Bericht des Bundesrechnungshofes. Dieser hatte das Umweltministerium kritisiert. Perli monierte, dass das Umweltministerium sich weiterhin weigere, die politische Steuerung zu übernehmen. Tatsächlich schreibt das Ministerium in seinem Bericht, dass es sich von der BGE berichten lassen will und nur „bei Bedarf (...) steuernd eingreifen“ wird. Der Bundesrechnungshof hatte diese „Fachaufsicht auf Abstand“ kritisiert und festgestellt, dass das Bundesumweltministerium seine „Verantwortung für die Steuerung des Projekts Asse II nicht nachgekommen“ sei. Das Ministerium zeigt sich offensichtlich unbeeindruckt.

Ein Wort von Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) fehlt im Bericht übrigens. Perli sagte dazu: „Für sie scheint die Asse überhaupt kein Thema zu sein.“