Braunschweig. Eine Virologin erklärt, warum mehr Infektionen nicht per se gefährlich sind. RKI nennt Kriterien, wann man als geheilt gilt.

Die Einschätzung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vor wenigen Tagen, das Coronavirus ((Sars-CoV-2) werde den Alltag der Menschen in Deutschland „zumindest einschränken“, hat sich bewahrheitet. Mit der steigenden Zahl an Erkrankten steigen auch die Verdachtsfälle. Immer mehr Menschen befinden sich in stationärer beziehungsweise häuslicher Quarantäne. Die meisten Krankheitsverläufe sind weiter leicht. Das Risiko, schwer zu erkranken, steigt mit dem Alter und ist auch abhängig vom allgemeinen Gesundheitszustand der Person. Aber auch gesunde Menschen verändern ihr Verhalten durch die Ausbreitung der Infektionskrankheit, wie Hamsterkäufe in den Supermärkten auch in unserer Region belegen. Die Frage, ob Veranstaltungen abgesagt werden, wird von Organisatoren immer öfter bejaht. So wurde unter anderem die für April terminierte Hannover Messe auf Mitte Juli verschoben. Am Freitag wurde die „Goldene Kamera“ von März auf November verlegt.

Wie schätzt das federführende Robert-Koch-Institut (RKI) die aktuelle Lage in Deutschland ein?

Inzwischen sind in fast allen Bundesländern (außer in Sachsen-Anhalt) Infektionsfälle mit dem neuen Coronavirus bestätigt worden. Bundesweit sind es aktuell 639 Fälle. In Niedersaschen, Stand Freitagabend, sind den Behörden 18 Fälle bekannt. Im Vergleich: in Italien sind weit mehr als 4000 Menschen am Virus erkrankt. Landesweit sind alle Schulen und Universitäten geschlossen. Das Auswärtige Amt in Berlin hat mittlerweile auch eine Reisewarnung für Südtirol ausgesprochen.

Was verstehen Experten unter häuslicher Quarantäne?

Nach Angaben des RKI muss weiter die Eindämmung des Virus im Mittelpunkt der Maßnahmen stehen. Die weitere Ausbreitung müsse, wenn sie nicht verhindert werden kann, verlangsamt werden. „Hierfür ist es notwendig, die Kontaktpersonen von labordiagnostisch bestätigten Infektionsfällen möglichst lückenlos zu identifizieren und ihren Gesundheitszustand für die maximale Dauer der Inkubationszeit (14 Tage) in häuslicher Quarantäne zu beobachten“, schreibt das RKI auf seiner Internetseite. Das niedersächsische Gesundheitsamt in Hannover erklärte gegenüber unserer Zeitung, die Gesundheitsämter vor Ort seien verantwortlich für Menschen, die sich in Quarantäne befänden. Welche Maßnahmen im Einzelfall getroffen werden, ist abhängig vom Verlauf der Erkrankung. Geregelt sei laut niedersächsischem Gesundheitsamt die Anordnung einer Quarantäne über das Infektionsschutzgesetz.

Können Angehörige die Betroffenen während der Quarantäne unterstützen?

Das RKI sagt ja, Bedingungen müssten aber erfüllt sein. Empfehlenswert sei im Haushalt nach Möglichkeit die zeitliche und räumliche Trennung der potenziell infizierten Person – der sogenannten Kontaktperson – von anderen Haushaltsmitgliedern. Es könnte Sinn machen, Mahlzeiten nicht gemeinsam und nicht im gleichen Raum einzunehmen. Wer im Alltag helfen möchte, könne den Einkauf übernehmen und auch dafür sorgen, dass die Räume stets durchlüftet seien, schreibt das RKI. Dabei sei stets darauf zu achten, dass Hygienevorschriften eingehalten und auch gemeinsame Kontaktflächen wie Türklinken regelmäßig desinfiziert werden.

Sind schon Kriterien bestimmt worden, ab wann eine Person als geheilt gilt?

Dr. Dagmar Ziehm vom Landesgesundheitsamt in Hannover hält die Definition von „Heilung“ in diesem dynamischen Stadium für schwierig. Allerdings weist ihre Behörde darauf hin, dass auch hier das RKI eine Definition erarbeitet hat, die als Richtschnur gelten soll: Nach aktuellem Wissensstand ist eine Ent-Isolierung und Entlassung frühestens 10 Tage nach Symptombeginn vertretbar. Dabei müssten laut RKI folgende Kriterien erfüllt sein: Fieberfreiheit seit mindestens 48 Stunden, Symptomfreiheit seit mindestens 24 Stunden (bezogen auf die akute Covid-19-Erkrankung). Zudem müssten zwei negative Tests vorliegen, die innerhalb von 24 Stunden auf Grundlage von Abstrichen (oro-/nasopharyngeal) durchgeführt wurden.

Kann man sich mehrfach mit dem Coronavirus infizieren?

Professorin Melanie Brinkmann, Virologin an der TU Braunschweig und am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) sagt, dass Mehrfach-Infektionen sehr unwahrscheinlich seien. „Auf der Basis des Wissens über verwandte Coronaviren von Sars-CoV-2 geht man stark davon aus, dass Menschen nach einer Infektion immun sind, also Antikörper dagegen gebildet haben. Wie lange dieser Immunschutz jedoch besteht, weiß man jedoch noch nicht – dafür ist dieses Virus noch nicht gut genug erforscht.“

Leser Oliver Gottschalk aus Braunschweig fragt: Stellen Menschen, die eine Infektion durchgemacht haben, eine Gefahr für andere dar?

„Überhaupt nicht – ganz im Gegenteil“, sagt HZI-Virologin Brinkmann. Viele Menschen wüssten nicht, dass man ein Virus nicht mehr ausscheidet, wenn die Infektion abgeklungen sei. Man sei also keine Gefahr, trage stattdessen aber zur Herdenimmunität bei. So vergrößere sich der Kreis der Menschen, die gegen das Virus immun sei.

Kann das Virus über Güter aus Risikogebieten übertragen werden?

Das Coronavirus kann nicht über Güter übertragen werden, die in Risiko-Gebieten wie China hergestellt werden, schreibt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) auf ihrer internationalen Internetseite. Das Robert-Koch-Institut (RKI) erklärt, dass es ein „behülltes Virus“ ist. Das bedeutet, dass es von einer Lipidhülle umgeben ist. Diese Viren seien außerhalb des Körpers nicht sehr stabil, weswegen es unwahrscheinlich sei, dass importierte Waren die Quelle einer Infektion sein können. „Eine Übertragung über unbelebte Oberflächen ist bisher nicht dokumentiert“, heißt es vom RKI. Die Übertragung erfolge primär über Sekrete der Atemwege. „Gelangen diese infektiösen Sekrete an die Hände, die dann beispielsweise das Gesicht berühren, ist es möglich, dass auch auf diese Weise eine Übertragung stattfindet“, schreibt das RKI auf seiner Homepage.

Deshalb sei eine gute Händehygiene ein wichtiger Teil der Prävention. So könnten sich die Menschen zudem vor einer Vielzahl weiterer Infektionen wie zum Beispiel Magen-Darm-Erkrankungen schützen.

Wie nervös sind die Deutschen?

Die Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) berichtet weiter von einem Anstieg von Hamsterkäufen. Besonders beliebt seien Konserven und haltbare Lebensmittel. Einkäufe dieser Produkte seien im Vergleich zur Vorwoche um 112 Prozent gestiegen. „Solche Ausschläge haben wir sonst nirgends“, sagte GfK-Experte Robert Kecskes der Deutschen Presse-Agentur. Der Kauf von Fisch- und Obstkonserven sei um 70 Prozent angestiegen, der Kauf von Teigwaren wie Nudeln um 73 Prozent. Der Braunschweiger Epidemiologe Gérard Krause äußerte sich im Interview mit unserer Zeitung verwundert über das Verhalten dieser Mitbürger: „Dass manche Leute jetzt offenbar denken, massenweise Lebensmittel bunkern zu müssen, das finde ich schon eigenartig und übertrieben“, sagte er. Er selbst kenne niemanden, der sowas empfehle oder für notwendig erachte.