Braunschweig. Beim Leserforum „Freie Fahrt für Pöbelei“ bemängelt Ministerpräsident Weil etwa die mangelnden Sitten im Verkehr, Sport und Internet.
Beim Leserforum unserer Zeitung „Freie Fahrt für Pöbelei?“ hat Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) gestern Abend eine entschiedene Reaktion sowohl des Staates als auch der Zivilgesellschaft angemahnt. „Klimawandel“ sei ein Wort der Stunde, sagte er. „Aber wir brauchen auch einen Klimawandel in dem Umgang, den wir miteinander pflegen.“
„Kein Lamento“
Weils Rede wie die gesamte Debatte vor rund dreihundert Lesern im BZV-Medienhaus ging von dem Befund aus, dass die Sitten nicht nur im Internet, sondern auch im Straßenverkehr, in der Politik und anderen Bereichen rauer geworden sind. Armin Maus, der Chefredakteur unserer Zeitung, sagte einleitend, die Debatte solle „kein Lamento“ sein, sondern auf Vorschläge zur Verbesserung hinauslaufen.
Dennoch fasste auch der Ministerpräsident zunächst die vielen problematischen Entwicklungen zusammen: Der Umgang in der Schule sei ruppiger geworden, Schiedsrichter im Amateurfußball, Polizisten, Sanitäter, Feuerwehrleute und Kommunalpolitiker würden zunehmend geschmäht, bepöbelt, bedroht – oder sogar angegriffen.
Leserforum: "Freie Fahrt für Pöbelei?"
„Neue Form der Massenkriminalität“
Im Internet werde sozusagen wild beleidigt: „eine neue Form der Massenkriminalität“ nannte er das. Erschwerend hinzu kommen laut Weil fahrlässige Gerichtsurteile. Vorsichtig, aber eindeutig kritisierte er sowohl das Berliner Urteil, demzufolge die unflätige Beschimpfung der Grünen-Politikerin Renate Künast nicht als strafbare Beleidigung einzustufen sei – hier applaudierte das Publikum lebhaft –, als auch die Entscheidung, die Morddrohung gegen die Familie eines Hannoverschen Politikers mit einer Strafe unter vierhundert Euro zu ahnden.
Nach Ansicht des Ministerpräsidenten sei der „wehrhafte Staat“ durchaus herausgefordert. Dies bezog er auf den aus seiner Sicht nötigen Einsatz von „Body Cams“ für Polizisten, auf die Verpflichtung von Plattform-Betreibern, einzelne User identifizierbar zu machen, und auf die Überprüfung des Strafrahmens.
Grundlage legt die Familie
Zum Beispiel Kommunalpolitiker bräuchten eindeutig mehr Schutz, sagte Weil. Trotzdem sei die Politik allein nie und nimmer imstande, das Pöbeln und Wettern, Ätzen und Verletzen einzudämmen. Natürlich seien letzten Endes alle aufgefordert, im Rahmen ihrer Möglichkeiten der Verrohung die Stirn zu bieten.
Dies gelte in der Familie, wo die Grundlage für einen höflichen und friedfertigen Umgang miteinander zu legen sei, in Kitas und Schulen oder auch in den vielen Situationen in der Öffentlichkeit, in denen potenzielle Opfer auf couragierte Menschen angewiesen seien.