Braunschweig. Schimmel-Expertin: Sichtbarer Befall deutet auf Gifte im ganzen Lebensmittel hin. Aber nicht jeder Schimmel ist gefährlich.

„Die jüngsten Lebensmittelskandale sind auch deshalb schlimm, weil man seine eigene Hilflosigkeit am Kühlschrank spürt.“ – Dies bemerkt A. Fischer im Kommentarbereich unserer Webseite

Hilflosigkeit beim Blick in den Kühlschrank – dieses mulmige Gefühl beschleicht unseren Leser nach dem jüngsten Lebensmittelskandal um bakterienverseuchte Wurst. Aber auch ohne Hygiene-Lücken können sich Mikro-Organismen in unserem Essen ansiedeln. Die bekanntesten davon kennt jeder: Schimmelpilze. Wie gefährlich sie sind, klären wir in dieser kleinen Schimmel-Kunde.

Was ist Schimmel?

Schimmelpilze sind eine sehr bunt gemischte Gruppe von Pilz-Arten. Manche von ihnen sind nicht einmal miteinander verwandt, erklärt Dr. Christiane Baschien von der Deutschen Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen in Braunschweig (DSMZ). Ihnen gemein ist aber: Sie wachsen fadenförmig und ernähren sich von Kohlehydraten. „Darin sind sie uns Menschen nicht mal unähnlich“, bemerkt die Mikrobiologin, die an der DSMZ ein Referenzlabor für innenraum- und lebensmittelrelevante Schimmelpilze leitet.

Die ökologische Aufgabe der Schimmelpilze in der Natur besteht darin, organisches Material – tote Pflanzen und Tiere – abzubauen. Damit sie wachsen können, müssen allerdings die Bedingungen stimmen: Es braucht mittlere Temperaturen von rund 5 bis 25 Grad, und es muss feucht genug sein. Mit zu trockenen oder salzigen Umgebungen kommen die meisten Schimmelpilze nicht zurecht.

Ihre Verbreitung erfolgt über Sporen. „Diese sind in natürlichen Konzentrationen harmlos“, erklärt Christiane Baschien, „und praktisch allgegenwärtig in unserer Luft“. Deshalb ist es in der Regel nur eine Frage der Zeit, bis anfällige Lebensmittel anfangen zu schimmeln.

Wodurch lauert Gefahr?

Erst wenn der Schimmel anfängt, sich auf Lebensmitteln anzusiedeln, kann es problematisch werden. Als Sekundärmetabolite – Nebenprodukte ihres Stoffwechsels – produzieren viele Schimmelarten giftige Stoffe: sogenannte Mykotoxine. Und die können „bei Mensch und Tier bereits in geringen Mengen akute Vergiftungen oder bei langfristiger Aufnahme chronische Gesundheitsschäden hervorrufen“, heißt es auf der Webseite des Bundesinstituts für Risikobewertung. Bemerkenswert: „Das einzige problematische Vorkommen von Mykotoxinen in Deutschland ist im Bereich Lebensmittel zu verzeichnen – in Müsli, in Kaffee, sogar in Wein“, erklärt Christiane Baschien.

Guter Schimmel: Edelschimmel

Allerdings produzieren nicht alle Schimmelpilz-Arten bei ihrem Wachstum Mykotoxine. Im Gegenteil: Manche machen wir uns zunutze, um Lebensmittel zu veredeln oder reifen zu lassen. Die vielleicht bekanntesten Beispiele hierfür sind die Spezies Penicillium camemberti und Penicillium roqueforti, die am Fermentationsprozess von Käsesorten beteiligt sind. Diese Edelschimmel-Arten sind völlig harmlos, erklärt Baschien. „Hier hilft der Schimmel, einen besonderen Geschmack zu erzeugen, oder er fungiert als Schutzhülle und zur Haltbarmachung des Lebensmittels.“

Aussortieren oder wegwerfen?

Was aber tun, wenn uns Schimmelpilze begegnen – und zwar dort, wo sie nicht gewollt sind? Grundsätzlich gilt: „Wenn ein Schimmelpilz ein Lebensmittel sichtbar befallen hat, muss man davon ausgehen, dass er schon längst im gesamten Lebensmittel gewachsen ist und dort seine Gifte abgegeben hat.“ Deshalb, so die Expertin, sei vom Verzehr dringend abzuraten.

Das gilt etwa auch für Äpfel mit kleinen faulen Stellen. Statt die sichtbaren Schadstellen zu entfernen, gehöre solches Obst in die Tonne: Neueste Untersuchungen zeigten, dass das krebserregende Schimmelpilz-Gift Patulin auch dann schon im ganzen Apfel zu finden ist, wenn noch keine Schimmelblüte zu sehen ist. „Die meisten Menschen unterschätzen diese Gefahr leider noch“, warnt die Forscherin. Die Alltags-Weisheit, was noch gut aussehe, rieche und schmecke, sei auch essbar, gelte nicht mehr – „weil man die Mykotoxine schlicht nicht schmeckt“.

Auf Desinfektion verzichten

Von einer Desinfektion des Kühlschranks nach Schimmelbefall rät sie aber dringend ab. „Desinfektionsmittel sind giftig. Sie töten nicht nur Mikroorganismen, sondern sind auch gesundheitsschädlich für den Menschen“, warnt sie. Den Kühlschrank mit einem normalen Reinigungsmittel aus- und anschließend gut trockenzuwischen, reiche völlig aus.

Schimmel vermeiden

Damit es gar nicht so weit kommt, empfiehlt die Expertin, Schimmel möglichst von vorneherein zu vermeiden. Was im Einzelnen zu tun sei, hänge vom Lebensmittel ab, aber generell gelte: „Man sollte die Lebensmittel im Kühlschrank möglichst separat lagern.“

Auch rät sie, verpacktes Gemüse möglichst früh aus der Verpackung zu nehmen und trocken aufzubewahren. Ähnliches gelte für Brot. Dieses sei in einer Papiertüte besser aufgehoben als im Plastikbeutel. „So vermeidet man, dass sich unter der Folie Kondenswasser bildet, das zur Schimmelbildung beitragen könnte.“

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