Braunschweig. Der Äthiopien-Kenner und ehemalige Domprediger Hempel würdigt die Verdienste des Friedensnobelpreisträgers am Horn von Afrika.

Wie am Freitag bekannt wurde, erhält der äthiopische Ministerpräsident Abiy Ahmed den Friedensnobelpreis 2019. Über die Entscheidung und den Preisträger sprachen wir mit Äthiopien-Kenner Joachim Hempel (70). Der ehemalige Domprediger in Braunschweig absolvierte sein Vikariat in der Evangelischen Gemeinde deutscher Sprache in Addis Abeba, für deren Schule er sich bis heute einsetzt.

Herr Hempel, hatten Sie Abiy Ahmed als Nobelpreis-Kandidaten auf dem Schirm?

Gäbe es Gewissheit, dass das Nobel-Komitee sich mit Menschen beschäftigt, die sich ganz konkret für Frieden einsetzen, dann hätte ich ihn auf dem Schirm gehabt. Aber leider klaffen in Europa Wahrnehmung und Realität häufig auseinander, gerade mit Blick auf Afrika.

Sie freuen sich also über die Entscheidung?

Ja, sogar sehr. Schließlich hat Ahmed in kürzester Zeit zuwege gebracht, woran seine Vorgänger jahrzehntelang gescheitert sind.

Was ist seine besondere Leistung?

„Für die künftige Entwicklung des Landes, hoffe ich, ist der jetzige Nobelpreis von wegweisender Bedeutung“, sagt der ehemalige Domprediger Joachim Hempel, hier 2018 bei einem Leserforum unserer Zeitung.
„Für die künftige Entwicklung des Landes, hoffe ich, ist der jetzige Nobelpreis von wegweisender Bedeutung“, sagt der ehemalige Domprediger Joachim Hempel, hier 2018 bei einem Leserforum unserer Zeitung. © BestPixels.de | Philipp Ziebart

Er ist ja erst anderthalb Jahre im Amt. Seitdem hat er die Einparteienherrschaft beendet und einen tiefgreifenden Wandel angestoßen. Dass er sich als erste Amtshandlung ins Flugzeug gesetzt hat, um mit dem Erzfeind Eritrea einen seit 40 Jahren andauernden Kriegszustand zu beenden, ist eine echte Leistung. Dieser Mann ist ein Glücksfall für die äthiopische Gesellschaft.

Wie gefestigt ist der Frieden zwischen Äthiopien und Eritrea?

Das Erreichte ist ziemlich stabil. Es gibt gemeinsame Kommissionen, die sich um die Entwicklung von Wirtschafts- und Verkehrsverbindungen kümmern. Beide Länder treten in der Region gemeinsam auf. Außerdem hat Ahmed die Länder am Horn von Afrika in einen Aussöhnungsprozess gebracht. Er hat es geschafft, die zerstrittenen Staaten Somalia, Dschibuti, Eritrea, Sudan an einen Tisch zu bringen.

Seine Initiativen zeigen also Wirkung in der ganzen Region.

Ja, ganz fundamental. Und das ist neben dem Frieden mit Eritrea sein zweiter großer Erfolg.

Was ist Abiy Ahmed für ein Typ?

Er stammt aus einer interessanten Familie. Der Vater ist Moslem, die Mutter orthodoxe Christin, er selbst Protestant. Eine solche Familiengeschichte ist für ein vielfältiges Land wie Äthiopien von besonderer Symbolkraft. Außerdem gehört er einer neuen Generation an. Gerade für die jungen Leute ist er der große Hoffnungsträger.

Wo auf dem Weg der Transformation sehen Sie Äthiopien?

Ich sehe die Entwicklung sehr positiv. Aber manch alter Kader klammert sich noch an die Macht. Der nächste Prüfstein werden die Wahlen sein. Die Fortschritte in Äthiopien sind nach wie vor fragil. Für die künftige Entwicklung des Landes, hoffe ich, ist der jetzige Nobelpreis von wegweisender Bedeutung.