Hannover. Während das Sozialministerium in Hannover eine Analyse der Arbeit einleitet, geht die Kammer anwaltlich gegen Kritiker vor.

Die setzen jetzt willkürlich irgendwelche Summen an, weil sie voraussetzen, dass eine Pflegekraft über 70.000 Euro im Jahr verdient. Schön wär’s….

Eine Leserin spricht von „Pflegekammerpfusch“.

Zum Thema recherchierte Michael Ahlers

Erst Mitte Juli gingen die Verantwortlichen in Niedersachsens Pflegekammer mal wieder mit durchwachsenen Nachrichten an die Öffentlichkeit.

Eigentlich möchten Präsidentin Sandra Mehmecke und Mitstreiter am liebsten über Fachfragen reden, wie über die Arbeitsbedingung in der Pflege oder auch darüber, wie man Krankenhaus-Standorte zu Gesundheitszentren ausbauen kann. Statt dessen ging es wieder einmal um die Mitgliedsbeiträge, und seit neuestem hat die Kammer auch noch eine Maulkorb-Debatte am Hals.

2013 hatten SPD und Grüne das Projekt Pflegekammer mit offenem Ausgang in ihre Koalitionsvereinbarung geschrieben. Trotz massiver Kritik unter anderem von Unternehmerverbänden und Gewerkschaften musste die damalige Sozialministerin Cornelia Rundt (SPD) das Projekt umsetzen. Es gehe darum, dass die Pflegeberufe auf Augenhöhe kämen, Ärzte und Apotheker hätten schließlich auch Kammern, hieß es. Dass es dabei eine Pflichtmitgliedschaft gibt, verteidigte die gegenwärtige Sozialministerin Carola Reimann (SPD) im Landtag ausdrücklich.

„Die geforderte Abschaffung von Pflichtmitgliedschaft und Beitragspflicht macht aus einer starken Stimme der Pflege einen zahnlosen Tiger“, sagte Reimann zu der Debatte. „Eine Kammer, die keiner will, schadet mehr, als dass sie nutzt“, warnte dagegen Stephan Bothe von der AfD, selber examinierter Altenpfleger.

Beruhigt hat sich die Debatte nie so richtig. Vielen Mitgliedern stehen dieser Tage Mahnschreiben ins Haus, in denen der Mitgliedsbeitrag für das zweite Halbjahr 2018 gefordert wird. Laut eines solchen Schreibens, das unserer Zeitung vorliegt, wird der in der Leserfrage angesprochene Höchstbetrag fällig, wenn nicht fristgerecht eine korrekte Selbsteinstufung erfolgt ist. 140 Euro waren das für das Halbjahr.

„Bitte beachten Sie, dass eine Pflicht zur Zahlung des im Regelbescheid festgesetzten Beitrages auch dann besteht, wenn Sie sich für eine Klage gegen den vorliegenden Bescheid entscheiden sollten“, heißt es. Freunde macht man sich so nicht. Zwar betont Pflegekammer-Sprecher Tino Schaft, dass die Beitragsordnung für 2019 bereits geändert wurde. Darauf weisen die Festsetzungsbescheide auch hin. Für 2018 gilt allerdings noch die Drohung mit dem Höchstbeitrag.

Der Kammer macht aber nicht nur das Eintreiben der Beiträge bei den rund 90.000 Pflichtmitgliedern Probleme. In vielen Fällen erhalten offenbar auch Niedersachsen Bescheide, die gar nicht zu den Fachkräften in der Alten-, Kranken- und Kinderpflege zählen. Die Kammer appelliert an diese, sich zwecks Klärung unbedingt zu melden.

Dass die Kammer bereits beträchtliche Aktivitäten entfaltet hat, dürfte angesichts neuer Kritik erst einmal wieder in den Hintergrund rücken. Gesorgt hat dafür wieder einmal die Kammer selbst. Mitglied Axel Burgdorf hatte Post von einer Anwaltskanzlei erhalten – im Auftrag der Kammer. Der Peiner, Mitglied der Kammerversammlung, hatte Mitte Juli auf Facebook über seine Bereitschaft gepostet, an einem Grundsatzpapier der Kammer mitzuarbeiten. Einem internen Ausschussprotokoll musste er dann entnehmen, dass „die Expertise von Axel Burgdorf zu diesem Thema nicht nötig ist“.

Dies zitierte Burgdorf ebenfalls über das soziale Netzwerk Facebook kurz aus dem Protokoll, mehr nicht. In dem Schreiben der Kanzlei wird Burgdorf an seine Verschwiegenheitspflicht erinnert. Weiter wird deutlich gemacht, dass die Kammer genau auf mögliche Verstöße achte. Zu der Sache selbst möchte Burgdorf gar nicht mehr viel sagen,. „Wir müssen endlich Akzeptanz schaffen“, meint er zur Arbeit der Kammer, die er engagiert begleitet. Einen Verstoß gegen Verschwiegenheit kann er bei seinem Post ganz offensichtlich nicht erkennen.

„Die Pflegekammer fällt ja leider nicht zum ersten Mal durch einen sehr unangemessen Umgang mit ihren Mitgliedern auf“, sagt der FDP-Fraktionsvorsitzende Stefan Birkner. Wenn jetzt aber die Zwangsbeiträge sogar schon dafür ausgegeben würden, Kritiker einzuschüchtern, sei das ein Skandal. „Solch ein Vorgehen ist einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft wie der Pflegekammer unwürdig“, so Birkner.

Die Pflegekammer wollte zu dem internen Vorgang keine Stellung nehmen, wie ihr Sprecher sagte. Man hält dort aber interne Vorgänge auch im Interesse der Ziele der Kammerarbeit durchaus für schützenswert. Im niedersächsischen Sozialministerium wünscht man sich einerseits eine unabhängige, starke Kammer. Die Turbulenzen aber sieht man gewiss mit einiger Unruhe. Eine Evaluation der Kammerarbeit, die derzeit eingeleitet wird, war aber lange beschlossen. 2020 sollen die Ergebnisse vorliegen, hieß es.