Schöningen. Fördervereins-Vorsitzender Wolf-Michael Schmid spricht über die Herausforderungen fürs Speere-Museum im kleinen Schöningen.

Im Schöninger Forschungs- und Erlebniszentrum Paläon, das die ältesten bekannten Jagdwaffen der Menschheit als archäologische Entdeckung von Weltrang an ihrem Fundort zeigt, wurde am Donnerstag der 300.000. Besucher begrüßt. Für die Paläon GmbH, die das Haus seit knapp sechs Jahren betreibt, ist diese neue Bestmarke ein herausragendes Ergebnis. In sechs Wochen wird sie die Führung des Museums an das Land Niedersachsen übergeben. Damit soll die Finanzierung des defizitären Betriebs auf stabile Beine gestellt werden (wir berichteten). Wolf-Michael Schmid, Vorsitzender des Fördervereins und Sprecher der GmbH, zieht im Interview Bilanz über die Arbeit der vergangenen Jahre und die Herausforderungen der Zukunft.

Herr Schmid, das Paläon zählt den 300.000. Besucher. Wir sprechen mit Ihnen über ein Museum von außerordentlicher Breitenwirkung. Das Thema muss Sie mit Freude erfüllen?

Ja, denn die Zahl ist ein Beleg für den Erfolg. In den sechs Jahren, auf die wir als Betreiber am 1. Juli zurückblicken werden, haben im Schnitt mehr als 50.000 Gäste pro Jahr das Paläon besucht. Nur 4 Prozent aller Museen in Deutschland erreichen so einen Wert. Die gesamte Region profitiert von hohen Besucherzahlen, und deshalb war es immer unser Bestreben, das Paläon so attraktiv wie möglich zu halten.

Und das an einem Standort, dem viele nicht zugetraut haben, dass er überhaupt jemanden anlockt. Welche Faktoren waren dafür ausschlaggebend?

Für Schöningen ist das schon ein Kunststück. Wir haben hier erstmal ein sehr gutes Produkt: Die Schöninger Speere haben Weltbedeutung. Das zieht. Aber der Ausstellungsort muss natürlich so bekannt gemacht werden, dass die Menschen auch interessiert sind, hierher zu kommen, und sie müssen das Gefühl bekommen, die Reise hat sich gelohnt. Das scheint uns gelungen zu sein. Mit vernünftigem Marketing und großem Vertrieb. Wir haben beispielsweise circa 8000 Schüler in der Säbelzahnkatzenausstellung gehabt. Da haben Sponsoren wie die Belegschaftsstiftung der Volkswagen-AG geholfen. Man muss sich halt kümmern, dass die Menschen hierher kommen.

Da spricht natürlich der Unternehmer Schmid. Im Paläon mit seiner spektakulären und ausgezeichneten Architektur haben Sie aber nicht nur streng wissenschaftlich agiert, sondern das Thema Altsteinzeit auch populär verarbeitet und mit der Vermittlung dort angesetzt, wo man die Menschen abholen kann.

Als das Projekt konzipiert wurde, kam von der damaligen Landesregierung unter Christian Wulff eine Forderung: Wir wollen ein Forschungs- und Erlebniszentrum mit außerschulischem Lernort. Das war die Bedingung. Die haben wir umgesetzt und mit Leben erfüllt.

Den wissenschaftlichen Part haben wir den Fachleuten überlassen, wir haben uns um den Erlebnisteil gekümmert und ihn aufgebaut. Dabei hat mich der Erfolg unserer populärwissenschaftlichen Aktionen selbst überrascht. Dass eine Lego- oder Playmobil-Ausstellung so viel Publikum zieht, hat mich gefreut. So ist es uns gelungen, junge Menschen und Kinder spielerisch an Geschichte heranzuführen. Das schmälert den Anspruch eines wissenschaftlich aufgebauten Instituts keinesfalls.

Jetzt bricht eine neue Zeitrechnung an. Das Land hat sich nach langem Zögern entschlossen, die Trägerschaft des Paläon zu übernehmen. Unter dem Stichwort Forschungsmuseum soll der wissenschaftliche Teil durch das Landesamt für Denkmalpflege gesichert werden. Aber wie steht es künftig um den Erlebnissektor, der für die Reichweite und die Besucherzahlen von entscheidender Bedeutung war?

Ich finde es gut, dass das Land die Verantwortung für die Funde, die Ausstellung und die Präsentation übernimmt und so die Perspektive des Hauses sichert. Dass der Erlebnisbereich in den Konzepten des Landesamtes, die jetzt so langsam zum Vorschein kommen, bisher fehlt, ist aber bedauerlich. Die etablierte Marke Paläon würden wir gern zur Verfügung stellen.

Die ursprüngliche Idee des Paläon hatte ein zweites Standbein: Die Weltsensation der Schöninger Speere an ihrem Fundort sollte zugleich durch ihre Präsentation in der wirtschaftlich schwachen Region den Strukturwandel durch hohe Besucherzahlen beleben. Das hat funktioniert.

Ein regionalökonomisches Gutachten des Ift Köln-Potsdam hat ein Jahr nach der Eröffnung nachgewiesen, dass der Betrieb des Paläon im Landkreis Helmstedt für eine Erhöhung der Wirtschaftskraft von 1,5 Millionen Euro pro Jahr gesorgt hat und in der Stadt Schöningen für eine Million Euro. Es wäre doch klug, diesen Nukleus weiterzuentwickeln. Mit den Förderkulissen der Kohlekommission bietet sich jetzt die Chance dazu. Es wäre sinnvoll, ein solch gigantisches Gebilde wie diesen Schöninger Tagebau in unmittelbarer Nachbarschaft zum Paläon auch touristisch zu nutzen. Mit dem wissenschaftlich geprägten Projekt „Wildnis wagen“ gibt es bereits gute Ideen.

Warum hat das GmbH-Modell, das auf das Zusammenwirken von öffentlicher Hand und privaten Unterstützern gesetzt hat, nicht funktioniert?

Im Grunde war es ein sehr gutes Modell. Aber klar war immer: Die GmbH kann nicht allein aus eigener Kraft leben. Museen müssen immer öffentlich gefördert werden. Sie erfordern immer viel Personal und damit finanzielle Mittel. Dafür hat die GmbH von der Stadt Schöningen, dem Landkreis und dem Land Fördermittel bekommen, zuletzt etwa 900.000 Euro. Aber um diese Unterstützung haben wir von Jahr zu Jahr kämpfen müssen. Um vernünftig arbeiten zu können, braucht es aber eine feste Zusage über Jahre. Zudem haben Landkreis und Stadt Schöningen auf Vorgabe des Innenministeriums als Kommunalaufsicht ihre Zuschüsse etwa um die Hälfte auf je 100.000 Euro kürzen müssen. Deshalb haben wir uns an die Landesregierung gewendet und nach einem neuen Konzept gesucht. Aus unserer Sicht wäre ein Trennungsmodell die optimale Lösung. Damit hätte man den wissenschaftlichen Part mit Ausstellung und Gebäude als finanzielle Aufgabe des Landes trennen können vom kulturtouristisch-wirtschaftlichen Part mit Marketing, Vertrieb, Shop, Gastronomie und Außengelände. Mit einer Grundfinanzierung durch die Beitrage der Kommunen plus der von uns generierten Mittel von Sponsoren, wäre das zu realisieren gewesen. Für die Mitarbeiter hätten wir uns einen fließenden Übergang in neue Strukturen gewünscht. Auch deshalb waren wir bereit, die GmbH ein halbes Jahr länger laufen zu lassen als ursprünglich geplant.

Nach Ihrem Modell wäre der Beitrag der Kommunen in die Wertschöpfung durch touristische Nutzen und Beschäftigung vor Ort geflossen. Ein klassischer Museumsbetrieb wird kaum 50.000 Besucher pro Jahr hierherlocken?

Das befürchte ich auch. Ich weiß nicht, wie man Attraktivität halten will, wenn man das Erlebnis weglässt. Wenn das Land für unsere Region Strukturwandel und Tourismus will, muss es den Erlebnis-Teil unterstützen. Vielleicht über das Wirtschaftsministerium. Mit den Zuschüssen aus den Kommunen als Grundstock könnte man vor Ort mit den Projektmitteln, die aus dem regionalen Investitionskonzept und der Kohlekommission kommen, sicher etwas entwickeln. Aber dafür braucht es eine Einrichtung, die diese Förderanträge stellt und umsetzt. Die bisherigen Unterstützer wie der Förderverein, die Stiftungen und viele weitere regionale Akteure haben bereits signalisiert, dass sie weiter zur Seite stehen würden.