Braunschweig. Die Frühlinge werden wärmer und trockener, erklärt DWD-Meteorologe Janssen. Die geringe Bodenfeuchte hat gravierende Auswirkungen.

Wann kapieren Menschen endlich, dass die Dürre Folge ihres Handelns ist und wir gerade erst die Anfänge zu spüren bekommen?

Dies bemerkt Tanja Schniedertöns auf unseren Facebook-Seiten

Zum Thema Dürre recherchierte Andreas Eberhard.

Hält die Trockenheit an, steht Deutschland der nächste Dürresommer ins Haus. Dies meldete zuletzt der Deutschen Wetterdienst (DWD). Aber lässt sich wirklich schon voraussagen, wie der diesjährige Sommer wird? Wir fragten nach bei Wolfgang Janssen, Diplom-Meteorologe beim DWD in Offenbach. Sein Spezialgebiet sind Wetterprognosen für die Landwirtschaft. Außer mit Voraussagen beschäftigt er sich auch mit der Klimaentwicklung in der Vergangenheit. Wir sprachen mit ihm über die derzeitige Trockenheit, den Klimawandel und über die Bedeutung der Bodenfeuchte.

Wie fundiert sind eigentlich Prognosen, die jetzt, Ende April, schon den nächsten möglichen Dürresommer 2019 voraussagen?

Das Wörtchen „möglich“ ist hier ganz entscheidend. In Überschriften der Medien wird das häufig reißerisch überspitzt. Auch das Wort „Prognose“ ist hier eher ein Missverständnis. Es gibt keine seriösen Prognosen, die jetzt einen Dürresommer voraussagen. Aber da die Böden momentan so trocken sind, haben wir uns gefragt: Wie würde sich die Bodenfeuchte dieses Jahr entwickeln, wenn man den durchschnittlichen Witterungsverlauf der Jahre 1981 bis 2018 zugrunde legt? Das Ergebnis ist keine Prognose, sondern eher eine Aussage, welche Bodenfeuchte unter durchschnittlichen Bedingungen zu erwarten ist. (Siehe Grafik „Bodenfeuchte“.)

Anhaltspunkte dafür, wie sich das Jahr entwickeln wird, gibt es also noch nicht?

Das wäre schön, und mit unseren Sechs-Wochen-Vorhersagen sind wir da schon dran. Aber während sich Temperaturen etwas leichter vorhersagen lassen, ist dies bei Niederschlägen noch relativ schwierig. Um hier zuverlässiger zu werden, müssen wir noch mehr verstehen. Daran arbeiten wir. Aber Überschriften wie „Erneuter Dürresommer in Sicht“ sind noch nicht seriös. Die Bodenfeuchte dagegen ist eine konservative Größe – das heißt, sie lässt sich sehr viel besser vorhersagen als der Niederschlag.

Bräuchte es jetzt, wie viele Fachleute sagen, einen äußerst regenreichen Sommer, um die Waldbrandgefahr und Schäden für die Landwirtschaft abzuwenden?

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Einen verregneten Sommer will natürlich niemand, auch die Landwirte nicht. Aber gerade jetzt, da die Vegetation anfängt zu sprießen, brauchen wir in den nächsten Wochen ordentlich Niederschlag. Das ist wichtig für die Pflanzenentwicklung. Schon heute ist das Wachstum durch die Trockenheit teilweise eingeschränkt, und das ist schlecht für den Ertrag. Auch die Wälder brauchen dringend Wasser, schon wegen der Vorbelastungen vom Vorjahr. Insbesondere Kiefernwälder haben 2018 ziemlich unter der Trockenheit gelitten. Ein weiterer trockener Sommer wäre für die geschwächten Bäume sicherlich nicht förderlich. Das erhöht die Anfälligkeit für Infektionen und Schädlinge wie den Borkenkäfer. Was die Waldbrandgefahr angeht: Wenn es drei Tage je fünf bis sieben Millimeter Niederschlag gäbe, würde das das Risiko schon deutlich senken.

Wegen der Waldbrände schauen wir zur Zeit vor allem auf die ostdeutschen Bundesländer. Wie schätzen Sie die Lage für unsere Region ein?

Die östlichen Landesteile Deutschlands sind durch die kontinentale Lage besonders betroffen, aber auch der Osten von Niedersachsen ist ziemlich trocken. Ganz entscheidend sind auch die Böden. In Brandenburg, aber auch in Teilen Ihrer Region – Richtung Heide – sind die Böden sehr leicht und sandig und können wenig Wasser speichern. Das macht es den Pflanzen schwerer, mehrwöchige Trockenperioden zu überbrücken.

Lässt sich die momentane Trockenheit auf den Klimawandel zurückzuführen.

Auch wenn es natürlich weiterhin Schwankungen gibt und jetzt nicht von Jahr zu Jahr wärmer wird – die Tendenz zum Wärmeren ist da. Wenn wir unsere Messaufzeichnungen anschauen, stellen wir eine Klimaänderung und einen Temperaturanstieg fest. Ein markanter Wechsel war 1989. Das war ein richtiger Bruch. (Siehe Grafik „Temperaturverlauf“) Im Gegensatz zur Temperatur schwankt der Niederschlag deutlich stärker – von Jahr zu Jahr und von Monat zu Monat. Wenn wir seine Entwicklung betrachten, stellen wir fest, dass tendenziell im Winter mehr Niederschlag fällt und im Frühjahr eher weniger. In Kombination damit, dass es immer früher wärmer wird und die Pflanzen früher Wasser ziehen, führt das dazu, dass der Boden eher trocken wird. Und wir beobachten, dass die Frühjahrstrockenheit des Bodens zunimmt.

Von den erhöhten Niederschlägen während der Wintermonate profitiert der Boden nicht?

Nein, da kann es soviel regnen, wie es will. Der Bodenspeicher kann nicht grenzenlos Wasser aufnehmen. Wenn er aufgefüllt ist, versickert der Rest und fließt ins Grundwasser ein. Die hohen Niederschläge des Winters lassen sich in der Regel nicht bis in den Sommer konservieren. Im zurückliegenden Winter wurde der Bodenspeicher übrigens trotz durchschnittlicher Niederschläge nicht ganz aufgefüllt – weil der Boden vom letzten Jahr noch so ausgetrocknet war.

Ist denn absehbar, ob der Boden in den nächsten Tagen und Wochen wieder auftanken kann?

In den kritischen Gebieten im Osten Deutschlands wird sich in den nächsten Tagen nahezu nichts ändern – selbst wenn es regnet. An einem Tag können schon mal fünf Millimeter Regen verdunsten. Es muss daher wirklich schon ordentlich regnen, damit der Bodenspeicher wieder auffüllt wird.

Und wie sind die Aussichten für unsere Region?

Momentan liegt Braunschweig noch bei etwa 50 Prozent verfügbarer Bodenfeuchte unter Grasbewuchs. Unsere Prognose für den 1. Mai liegt zwischen 30 und 50 Prozent. Das ist nicht mehr viel. Bereits ab 40 Prozent ist das Pflanzenwachstum stark reduziert. Sie schalten sozusagen in den Sparmodus.