Braunschweig. Ist das Thema Lebensmittelverschwendung in der Politik angekommen?, fragt ein Leser. Die Firma Dussmann bietet Abgeordneten täglich 10 Menüs und kocht 2500 Essen.

Inwieweit geht denn die Bundestagskantine mit gutem Beispiel voran, was das Vermeiden von Lebensmittelverschwendung betrifft?

Das fragt unser Leser Peter Stoppok aus Braunschweig

Zu dem Thema recherchierte Dirk Breyvogel

Die Frage des Lesers ist zugespitzt, womöglich auch etwas polemisch gemeint, aber legitim. Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) will mit ihrer Kampagne „Riechen, Probieren, Genießen“ die Bevölkerung stärker als bislang dafür sensibilisieren, gekaufte Lebensmittel so selten wie möglich in die Mülltonne zu schmeißen. Besser noch wäre es, gar nicht so viele Nahrungsmittel anzuhäufen, schrieb sie den Deutschen ins Stammbuch beziehungsweise auf den Einkaufszettel.

Die Ministerin moniert, viele Lebensmittel seien „einfach zu billig“. Es fehle der Respekt für das Produkt. Wie anders sei es sonst zu erklären, dass im Jahr elf Millionen Tonnen Lebensmittel in deutschen Mülltonnen landen?

Aber wie vorbildlich agiert die Politik selbst, wenn sie von den Bürgern verlangt, Maß zu halten?

Die Bundestagsverwaltung reagiert zunächst mit Humor auf die Anfrage unserer Zeitung. „Wie Sie sicher wissen, hat die Bundesregierung beziehungsweise das Ministerium von Frau Klöckner keinen Einfluss darauf, was im Parlament mittags auf den Tisch kommt. Legislative und Exekutive haben da durchaus unterschiedliche Speisepläne.“

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Die Verwaltung verweist auf den Betreiber der Bundestagskantine. Für die Firma Dussmann, die fürs leibliche Wohl der Bundestagsabgeordneten verantwortlich ist, teilt Firmensprecherin Michaela Mehls schriftlich mit: „In den beiden von Dussmann Service betriebenen Kantinen des Deutschen Bundestages im Paul-Löbe-Haus und Jakob-Kaiser-Haus werden täglich 1800 bis 2500 Essen serviert. Wir bieten zehn verschiedene Menülinien, zusätzlich zwei große Salatbuffets und eine schöne Dessertauswahl.“

So weit, so gut. Weiter schreibt sie, dass „dem sorgfältigen Umgang mit Lebensmitteln eine sehr große Priorität“ eingeräumt werde. Sie verweist darauf, dass die Firma Dussmann eine „nachhaltige Entwicklung“ bei ihren Dienstleistungen anstrebe. Aus diesem Grund sei die Bundestagskantine auch als Modellbetrieb ausgewählt worden. Man habe sich, zusammen mit dem Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft, dem WWF und dem Verein „United Against Waste“ das Ziel gesetzt, die Menge an Lebensmittelabfällen um bis zu 30 Prozent zu reduzieren. „Dafür werden die Lebensmittelabfälle gemessen, für jeden Betrieb individuelle Maßnahmen geplant und umgesetzt und erneut gemessen. Die Bundestagskantinen gehen mit gutem Beispiel voran bei den Optimierungen, die die Ministerin vorschlägt“, schreibt Dussmann-Sprecherin Mehls als Antwort für unseren Leser. Der Kantinengast bemerke davon nichts.

Auch die Bundesregierung hat Verpflichtungen, die es zu erfüllen gilt. Die Vereinten Nationen wollen bis zum Jahr 2030 weltweit die Menge des produzierten Abfalls halbieren. Deutschland hat das Ziel mitunterschrieben. Für Deutschland hieße das eine Reduzierung auf rund 5,5 Millionen Tonnen Lebensmittelmüll im Jahr. Klöckner und ihr Ministerium berufen sich auch heute noch auf die Zahlen des Jahres 2012 und eine Erhebung der Universität Stuttgart. Damals startete die bundesweite Aktion „Zu gut für die Tonne“. Filme wie „Taste the Waste“ (2011) sorgten dafür, dass das Thema in der Öffentlichkeit diskutiert wurde.

Seitdem führten mit Horst Seehofer, Ilse Aigner, Hans-Peter Friedrich und Christian Schmidt vier CSU-Politiker das Ministerium. Vielleicht sind die häufigen Wechsel an der Spitze des Hauses auch ein Grund dafür, warum das Thema politisch zu kurz kam. Klöckner setzt daher auf eine Weiterentwicklung bereits angelaufener Kampagnen. So sollen auf der Grundlage neu erhobener Daten künftig größere Bevölkerungskreise angesprochen werden. Die Ministerin will, dass auch in Schulen und Kindertageseinrichtungen darüber aufgeklärt wird, wie weniger Lebensmittelmüll produziert werden kann.

Einige Leser wiesen darauf hin, dass nicht nur private Haushalte Müll produzieren würden, sondern auch der Handel (siehe Grafik). Der Vorsitzende der Tafeln in Niedersachsen und Bremen, Manfred Jabs, bestätigt den Eindruck und kritisiert gegenüber unserer Zeitung eine zunehmende Überproduktion aufseiten der Hersteller. Firmen wie der Tiefkühlriese Frosta würden übrig gebliebene Produkte lastwagenweise den sozialen Einrichtungen anbieten. Die Tafeln in Niedersachsen, mehr als landesweit 100, müssten das Angebot oft ablehnen. Es fehle an Platz und der Möglichkeit, die für die Weitergabe erforderliche Aufrechterhaltung der Kühlkette zu gewährleisten, sagt Jabs.