Berlin. Ernährungsministerin Julia Klöckner will die Menge der Lebensmittelabfälle halbieren. Ihre Strategie stößt aber auch auf Kritik

Es geht um 55 Kilogramm: So viele Lebensmittel wirft der durchschnittliche Deutsche im Jahr weg. Hinzu kommen die Nahrungsmittel, die in Supermärkten, Kantinen und Restaurants im Müll landen, weil sie nicht mehr frisch aussehen oder das Haltbarkeitsdatum abgelaufen ist. Und, und, und ... Insgesamt werden in Deutschland pro Jahr schätzungsweise elf Millionen Tonnen Essen weggeworfen.

Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) will das nicht länger hinnehmen: An diesem Mittwoch stellt sie im Kabinett ihre „Nationale Strategie zur Reduzierung von Lebensmittelverschwendung“ vor, die unserer Redaktion vorab vorliegt. Das Ziel: Die Menge der Lebensmittelabfälle soll halbiert werden – bis 2030. Das ist nicht nur der Plan der Bundesregierung, sondern so steht es seit 2015 in der Agenda der Vereinten Nationen zum Thema Nachhaltigkeit.

Warum werden in Deutschland so viele Lebensmittel weggeworfen?
Die Gründe sind vielfältig. Viele Menschen werfen Nahrungsmittel weg, weil das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist. Sie wollen auf Nummer sicher gehen – oder verstehen es als Verfallsdatum. Ein abgelaufenes Mindesthaltbarkeitsdatum heißt aber nicht, dass das Produkt auf jeden Fall schlecht geworden ist. Hinzu kommen hohe Verluste bei Herstellung, Transport und Lagerung. Supermärkte bieten kein Obst mit Flecken oder Milch mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum an.

Julia Klöckner geht in ihren Überlegungen auch auf den Wert von Essen ein: „Lebensmittel werden oft zu schnell weggeworfen, vielleicht auch, weil sie zu billig sind.“


Was will die Bundesregierung konkret dagegen tun?

Klöckners Strategie sieht zunächst Freiwilligkeit vor. Handel, Gastronomen und auch Verbraucher sollen bewusster einkaufen, so der Appell. Vorgeschlagen werden auch flexiblere, also häufigere Warenlieferungen, damit nicht so viele Lebensmittel schlecht werden. Die Initiative des Ministeriums mit dem Namen „Zu gut für die Tonne“ soll weiterentwickelt werden. In Schulen und Kindertageseinrichtungen soll über das Thema gesprochen werden. Lebensmittelunternehmen sollen Mitarbeiter und Kunden sensibilisieren. Werbekampagnen sollen mit Blick auf mögliche Lebensmittelverschwendung überprüft werden. Das Ministerium will ein digitales Projekt unterstützen, das die Abgabe von Lebensmitteln vom Handel an Tafeln verbessert.


Welche Kritik gibt es an Klöckners Strategie?

Die Grünen glauben nicht, dass die Regierung mit dieser Strategie das Problem in den Griff bekommt. „Das liegt auch daran, dass das Ministerium bisher vor allem die Verbraucherinnen und Verbraucher als die schwarzen Schafe ausgemacht hat“, sagte Fraktionschef Anton Hofreiter unserer Redaktion. „Nichts als Prüfaufträge und Appelle – das Landwirtschaftsministerium und Julia Klöckner bleiben ihrer Politik der maximalen Unverbindlichkeit treu.“ Es müsse Schluss sein „mit einer Kühlschrankpolitik, die nur in den Blick nimmt, wie die Verbraucher mit Lebensmitteln umgehen“.

Klöckner müsse endlich die Strukturen anpacken. „Wir brauchen klare Senkungsziele auch für Lebensmittelproduzenten und den Einzelhandel“, fordert Hofreiter. „Bis 2025 muss das Ziel sein, mindestens ein Drittel weniger Lebensmittel wegzuwerfen. Alles andere wäre Augenwischerei.“