Hannover. . Das Finanzministerium verneint jedoch juristisch vorwerfbares Fehlverhalten bei der Nord-LB.

Warum zieht man die verantwortlichen Zocker in der Bank nicht zur Verantwortung?

Dies fragt unser Leser Helmut Krüger aus Fallersleben.

Zum Thema recherchierten Michael Ahlers, Cornelia Steiner und Hannah Schmitz

„Vollständig aufklären“: Das ist die Forderung, die der Grünen-Abgeordnete Stefan Wenzel jüngst im Landtag zur Lage bei der Nord-LB erhob. Die FDP-Fraktion hat bereits Akteneinsicht beantragt. Auch ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss gilt als denkbar. „Wir schließen kein parlamentarisches Mittel aus“, sagt Wenzel.

Nach nervenaufreibenden Verhandlungen hatten Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU) ein Rettungspaket für die kapitalbedürftige Landesbank vorgestellt: Die Nord-LB war vor allem durch einen Berg fauler Schiffskredite in eine Schieflage geraten. Die Sparkassen-Seite will 1,2 Milliarden Euro für die Neuaufstellung der Nord-LB zur Verfügung stellen. Niedersachsen will insgesamt bis zu 2,5 Milliarden Euro bereitstellen, davon eine Milliarde als Garantien.

„Herr Minister Hilbers muss bangen, als der Finanzminister in die Geschichte einzugehen, der Milliarden an Steuergeld in eine gescheiterte Bankenrettung versenkt hat“, sagte der FDP-Fraktionsvorsitzende Stefan Birkner. Ob das geplante neue und risikoärmere Geschäftsmodell der Bank so ertragreich ist, dass es den Schuldendienst für die Kapitalspritze des Lands refinanzieren kann, bleibt in der Tat abzuwarten.

FDP und Grüne haben aber auch drängende Fragen zur Vergangenheit der Landesbank. Für die FDP steht offenbar zunächst die vollständige Übernahme der Bremer Landesbank BLB im Mittelpunkt. „Mit einem symbolischen Euro wäre der Bremer Senat für die BLB gut bedient gewesen, stattdessen sind jedoch insgesamt 262 Millionen Euro geflossen“, erklärte der FDP-Finanzpolitiker Christian Grascha. Zu diesem Komplex will sie Akten sehen. Der Grüne Wenzel sieht dagegen das „Anhäufen von Risiken bei den Schiffskrediten“ insbesondere in den Jahren 2004 bis 2010 als besonders problematisch an. Die politische Verantwortung sieht Wenzel beim damaligen CDU-Finanzminister Hartmut Möllring, der bis 2013 im Amt war.

Dagegen habe dessen Nachfolger Peter-Jürgen Schneider (SPD) die Bank-Bilanz reduziert und über den Verkauf der Immobilientochter Deutsche Hypo versucht, die Kapitalquote zu stärken. Nach der Amtsübernahme durch Hilbers Ende 2017 wurden diese Pläne 2018 wieder gestoppt. Die Finanzminister Möllring und Schneider waren – wie jetzt Hilbers – zugleich auch Aufsichtsratsvorsitzende der Nord-LB. Für Wenzel ist nicht nur das Volumen der Schiffskredite Anlass für Fragen. „Man hat sich offenbar viel zu wenig Sicherheiten geben lassen“, sagte er unserer Zeitung.

Auf Bankenseite fällt die kritische Phase in die Zeit der Vorstandsvorsitzenden Hannes Rehm (2004 bis 2008) und Gunter Dunkel. Dunkel wurde 2009 Vorstandschef. Dunkel hatte die Bank „auf eigenen Wunsch“ verlassen. Bei seinem Abschied Ende 2016 hatte der Ministerpräsident Dunkel bescheinigt, dieser habe ein Versprechen gehalten: dass Weil wegen der Bank nie unruhig werde schlafen müssen. Wirklich nicht? Bei einem Treffen in Frankfurt wurde der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes Helmut Schleweis gefragt, ob er Dunkel und Vorstandskollegen verklagen werde. „Sobald wir Miteigentümer sind, werden wir uns damit beschäftigen“, so Schleweis laut FAZ. Bisher fehle es ihm von außen an Einblicken.

In einem Gespräch mit dem „Manager-Magazin“ hatte sich der ehemalige Vorstandschef Dunkel im November 2018 zu der Aussage hinreißen lassen: „Ich hätte mir den Deal mit KKR damals nicht zerreden lassen sollen.“ Dann würde die Situation heute eine andere sein. Ein Deal der Bank mit dem Finanzinvestor KKR zum Verkauf von faulen Schiffskrediten in Höhe von 1,3 Millionen Euro war 2017 endgültig geplatzt. Von der Nord-LB heißt es dazu, dass sich die Transaktion „unter dem Strich nicht gerechnet hätte“, sie hätte nur eine überschaubare Entlastung gebracht. Der Vorstand habe sich zu einem Einzelverkauf der Kredite entschieden. „Dieser Kurs hat der Bank seither ein Vielfaches an Entlastung gegenüber dem angedachten KKR-Deal gebracht“, sagte ein Sprecher.

„Anders verlaufen als eingeschätzt“

Das Finanzministerium erklärte am Mittwoch auf Anfrage: „Die Entscheidungen der Bank zur Eingehung von Schiffskrediten liegen inzwischen viele Jahre zurück. Nach unserem aktuellen Kenntnisstand sind die maßgeblichen Entscheidungen von den zuständigen Gremien der Nord-LB und der BLB vorbereitet und gefasst worden. Die damals vom Vorstand und den zuständigen Gremien zugrunde gelegten Markteinschätzungen haben sich inzwischen als unzutreffend herausgestellt. Dass Märkte anders verlaufen als eingeschätzt, kommt für sich genommen hin und wieder vor. Ein Fehler war sicherlich, eine so große Zahl an Schiffen zu zeichnen und damit ein Klumpenrisiko einzugehen. Ein im juristischen Sinne fehlerhaftes und vorwerfbares Verhalten von Verantwortlichen der Bank ist nach gegenwärtigem Kenntnisstand jedoch nicht erkennbar.“ Ex-Finanzminister Möllring sagte unserer Zeitung: „Es gab nie eine Schiffskrise, die länger als drei Jahre dauerte. Diese dauert schon zehn Jahre.“ Seinerzeit seien alle Entscheidungen einvernehmlich getroffen worden, man habe die Entwicklung schlichtweg nicht vorhersehen können.

Dass „Zockerei“, wie unser Leser schreibt, hier also nicht am Werk war, sieht auch Hans-Peter Burghof, Professor für Bankenwirtschaft an der Uni Hohenheim, so. „Sich für ein Geschäftsmodell zu entscheiden bedeutet immer, ein Risiko einzugehen.“ Die Bremer Landesbank, die HSH Nordbank und die Nord-LB hätten es als norddeutsche Landesbanken als ihre Aufgabe angesehen, Schiffe zu finanzieren. „Zur Marktwirtschaft gehört es, dass Unternehmen auch scheitern“, sagt Burghof. Keiner habe die langanhaltende Krise der Schifffahrtsbranche voraussehen können. „Im Nachhinein zu sagen, dort haben welche sträflich ihre Pflichten verletzt, halte ich nicht für richtig“, sagt Burghof. Wohl gesteht Burghof aber zu, dass die Nord-LB zu klein war, „um in dem Volumen das Rad zu drehen“. Dadurch sei sie nicht mehr diversifiziert genug gewesen – das sogenannte Klumpenrisiko tritt ein.

Die Nord-LB finanziert Schiffe nach eigenen Angaben seit rund 40 Jahren. Richtig gut lief es in der Schifffahrtsbranche und damit für die Kreditgeber, den Landesbanken, in der Boomphase ab 2004. 2006 heißt es dann im Geschäftsbericht der Nord-LB: „Der Nord-LB-Konzern hat sich in den vergangenen zehn Jahren zu einem der zehn größten Schiffsfinanzierer weltweit entwickelt.“ Das Portfolio umfasste damals 2160 Schiffe mit einem Kreditvolumen von 12,1 Milliarden Euro – das waren 7,5 Prozent der gesamten Finanzierungen.

Die Einbruch der Branche setzte im zweiten Halbjahr 2008 ein und war eng an die globale Finanzkrise gekoppelt. 2009 stellte die Landesbank daher erstmals eine größere Risikovorsorge für die Schiffskredite bereit, insgesamt 320 Millionen Euro. In den Folgejahren blieb die Summe im dreistelligen Millionenbereich, überschritt auch die 500- Millionen-Euro-Grenze. Offenbar hat die Landesbank aber wohl noch mindestens zwei Jahre nach Beginn der Krise daran geglaubt, dass sich der Schiffs-Markt wieder erholen werde, und weiterhin Kredite vergeben. Erst 2010 hat die Nord-LB dann begonnen, ihr Schiffsfinanzierungsportfolio stetig zurückzufahren – auch wenn auch dann noch Schiffskredite vergeben wurden. 2010 lag das Volumen des Schiffkreditsportfolios bei rund 20 Milliarden Euro – inklusive der gesunden Kredite –, im September 2018 bei 10,8 Milliarden Euro. Ziel ist es nun, die faulen Kredite mit einem Volumen von 4,6 Milliarden Euro bis Ende dieses Jahres ganz abzubauen.

Das ist jedoch nur ein – wenn auch elementares – Detail der Restrukturierung der Landesbank, die die Träger anstreben. An deren Ende soll auch die Eigenständigkeit der Nord-LB-Tochter Braunschweigische Landessparkasse (BLSK) stehen. Braunschweigs Oberbürgermeister Ulrich Markurth (SPD) sagte dazu am Mittwoch im Rat der Stadt: „Die Eigenständigkeit der BLSK wäre die zentrale Voraussetzung, um als Sparkasse handlungsfähig und wenn nötig auch fusionsfähig zu sein.“ Markurth erläuterte, dass es grundsätzlich eine Offenheit für Fusionen gebe. Allerdings sei die Hinwendung der Sparkasse Gifhorn-Wolfsburg nach Celle kontraproduktiv. „Das hat mit unserem Wirtschaftsraum wenig zu tun.“

Der gestrichene Paragraph

Beim Kampf um eine eigene Sparkasse kann sich die Region aber wohl nicht auf jenen Paragrafen berufen, den Braunschweigs ehemaliger Oberbürgermeister Gert Hoffmann (CDU) jüngst in einem Interview mit unserer Zeitung anführte. Jener Paragraf 13, der zur Übertragung der Landessparkasse auf kommunale Körperschaften sagt: „In diesem Fall leisten die Träger angemessene Hilfen“, entfiel bei späteren Änderungen des Staatsvertrages. Dazu sagte Hoffmann: „In der Tat habe ich das jetzt auch festgestellt“. Er habe sich im Interview auf ein Gutachten von 2006 bezogen, das noch die alte Regel im Staatsvertrag behandelt habe. Praktisch habe diese Änderung allerdings keine nennenswerten Folgen, weil man sich wohl über die „Angemessenheit“ gar nicht verständigt hätte. Nun müsse man die endgültige Gesamtlösung abwarten und auf dieser Basis über einen kommunalen Einstieg diskutieren und verhandeln.