Braunschweig. Forscher des Julius-Kühn-Instituts haben antibiotikaresistente Bakterien auf Salat und frischen Kräutern nachgewiesen.

Hat das Problem womöglich mit der Gülle
zu tun?

Das fragt ein Leser auf unseren Facebook-Seiten.

Die Antwort recherchierte Johannes Kaufmann

Der Weg antibiotikaresistenter Darmbakterien wie E.coli auf den Salat scheint klar zu sein: Tiere werden mit Antibiotika behandelt, in ihrem Darm haben resistente Bakterien einen Selektionsvorteil, vermehren sich, werden ausgeschieden und gelangen schließlich mit organischem Dünger aus Kot auf den Acker.

Doch ganz so einfach ist es dann doch nicht. „Ich wäre da vorsichtig. Es gibt viele Eintragswege – über den Dünger, Beregnungswasser, Verunreinigung durch Menschen und so weiter“, sagt Professor Kornelia Smalla. Die stellvertretende Leiterin des Instituts für Epidemiologie und Pathogendiagnostik am Julius-Kühn-Institut für Kulturpflanzenforschung (JKI) in Braunschweig ist die korrespondierende Autorin einer Studie, die kürzlich im Fachmagazin „mBio“ erschienen ist. Ihre Arbeitsgruppe hat 24 Proben von Mix-Salaten, Rucola und frischem Koriander, die in Supermärkten in Braunschweig und Magdeburg gekauft wurden, auf antibiotikaresistente Bakterien untersucht – und wurde fündig.

Doch es gehe nicht darum, vor Rohkost zu warnen, betont Smalla. Ziel der Studie war vielmehr ein Vergleich verschiedener Nachweismethoden für übertragbare Resistenzgene in Umweltproben. Es habe sich gezeigt, dass moderne DNA-basierte Techniken nicht sensibel genug seien, um geringe Konzentrationen von Resistenzgenen in den Proben nachzuweisen. Über die klassische Anreicherung der gefunden Keime im Labor sei das hingegen gelungen.

Keine Aussage über Gesundheits- risiko von Salatkonsum

Diese Zielrichtung der Untersuchung belegt auch die Auswahl der Stichprobe – viel zu klein, um eine repräsentative Aussage über das Gesundheitsrisiko des Salatkonsums zu erlauben. „Da sollte man den Ball flach halten“, sagt Smalla – auch mit dem Hinweis auf eine Stellungnahme des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR), das von einem „besorgniserregenden Nachweis“ spricht und empfiehlt, Rohkost und frische Kräuter vor dem Verzehr gründlich zu waschen. Das sei zwar ein sinnvoller Tipp, doch könne und solle man Bakterien nicht vollständig vom Salat entfernen. „Das pflanzliche Mikrobiom ist wichtig für Wachstum, Pflanzengesundheit und den Geschmack, und die Diversität der Bakterien auf dem Salat hält hygienerelevante Keime in Schach“, so Smalla.

Übertragbare Erbgutsegmente vermitteln Antibiotikaresistenz

Einen gewissen Grund zur Besorgnis liefert die Studie dann aber doch. Denn die E.coli-Bakterien in den Proben waren nicht nur resistent gegen das vor allem in der Tierzucht verwendete Antibiotikum Tetrazyklin. Es fanden sich auch weitere Resistenzen, die zudem auf beweglichen Plasmiden platziert waren, Erbgutsegmenten außerhalb der fixen Chromosomen, die Bakterien auch verschiedener Gattungen untereinander austauschen können. Smalla spricht vom „transferablen Resistom“ der Bakterien. Mittels eines sogenannten horizontalen Gentransfers kann ein harmloser Keim eine oder sogar mehrere Resistenzen auf weniger harmlose Bakterien übertragen.

Darum heißt es in der Studie selbst, dass der Konsum von Rohkost „einer der Verbreitungswege von Darmbakterien mit IncF- und Incl-Plasmiden“ sein könne. Solche und andere gefundene Plasmide vermitteln Resistenzen gegen mehrere Antibiotika. Die Studie erwähnt E.Coli-Stämme in einigen Proben, die gegen sieben Antibiotika-Klassen zugleich resistent waren.

Doch solche Funde seien eigentlich nicht allzu überraschend, sagt Smalla: „Überall in der Natur, in allen Habitaten, findet man multiresistente Bakterien. Zum Problem wird das erst, wenn auf diese ein großer Selektionsdruck ausgeübt wird.“ Denn für sich bieten die Resistenzen keinen evolutionären Vorteil. Der entsteht erst, wenn die Keime einem Antibiotikum ausgesetzt werden, der die Konkurrenten um Platz und Nährstoffe tötet und resistenten Individuen ermöglicht, sich auszubreiten. Entsprechend empfiehlt Smalla: „Man sollte weiterhin Salate und Rohkost essen, aber vielleicht nicht, wenn man gerade Antibiotika einnimmt.“

Der nächste Schritt sei nun, der Frage unseres Lesers genauer nachzugehen, also die Ausbreitung solcher übertragbarer Resistenzgene weiter zu erforschen und dabei auch den Beitrag von Beregnungswasser oder Gülle zu prüfen. Dass dabei eine beachtliche Beweglichkeit gefunden werden dürfte, ist zu erwarten. So hätten Forscher aus Israel bereits den Transport von resistenten Bakterien mit dem Staub der Sahara über große Entfernungen nachgewiesen, sagt Smalla.