Braunschweig. Schlafmediziner Jörn Schroeder-Richter spricht über nächtliche Atemaussetzer, Messbarkeit von Schlaf und gibt Tipps für eine gute Nacht.

Was in Film oder Literatur lustig, romantisch oder poetisch erscheint, macht Menschen in der Realität ganz schön fertig: Schlafstörungen. Vor allem Menschen, die nachts extrem schnarchen oder andere Atemprobleme haben, landen oft irgendwann im Schlaflabor.

Der Leiter des Braunschweiger Schlaflabors, Jörn Schroeder-Richter, sitzt vor einem Bildschirm mit Daten zu Atmung, Kreislauf und Hirnströmen eines Patienten.
Der Leiter des Braunschweiger Schlaflabors, Jörn Schroeder-Richter, sitzt vor einem Bildschirm mit Daten zu Atmung, Kreislauf und Hirnströmen eines Patienten. © BestPixels.de | Guenter Poley

Am Braunschweiger Klinikum kümmert sich dann Jörn Schroeder-Richter, Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie und Schlafmedizin, um sie. Er ist einer der Experten, die am Dienstag bei „Logo – Wissenschaft aus Braunschweig“, eine Veranstaltung unserer Zeitung mit NDR Info, über das Thema „Wenn die Nacht zur Qual wird – Volkskrankheit Schlafstörung“ diskutieren. Mit Schroeder-Richter sprach Jens Gräber.

Welche Daten werden im Schlaflabor eigentlich von den Patienten aufgezeichnet und wofür brauchen Sie die?

Unser Schlaflabor ist spezialisiert auf Patienten mit schlafbezogenen Atmungsstörungen. Das umfasst 40 bis 50 Prozent aller Patienten, die wegen Schlafproblemen medizinische Hilfe in Anspruch nehmen. Was wir hier messen, ist speziell auf Atmungsprobleme im Schlaf abgestimmt. Viel wichtiger ist aber, dass man sich mit den Patienten unterhält und herausfindet, was sie eigentlich für ein Problem haben. Und man muss klären, ob das, was wir ihnen anbieten, dann auch wirklich hilft.

Welche Daten werten Sie zum Beispiel aus?

Bei meinen Patienten hier ist meistens schon relativ klar, dass ihre Probleme etwas mit der Atmung zu tun haben. Gründe für schlechten Schlaf gibt es aber noch viel mehr. Auch wer Atmungsprobleme hat, hat dazu oft noch andere Probleme mit dem Schlaf. Das muss man im Gespräch mit den Menschen erfassen.

Mit der Ausrüstung hier kann ich den Schlaf selbst messen, die Atmung, die Kreislauftätigkeit, die Herztätigkeit, die Hirnströme. Bei letzteren gibt es verschiedene Kategorien, wonach dann beurteilt wird, ob es Schlaf ist oder nicht und ob er gut oder gestört ist. Das muss allerdings nicht unbedingt damit zusammenfallen, was der Patient erlebt. Die Messung und die Klassifizierung findet natürlich auf einem relativ abstrakten Niveau statt, und dem Patienten selbst kann es egal sein, welches Schlaflevel er nach den Regeln der amerikanischen Schlafgesellschaft erreicht. Er will am nächsten Morgen erholt sein.

Wenn man also schlecht schläft, merkt man das vor allem daran, dass man tagsüber müde ist?

Gerade bei Patienten mit Atmungsstörungen ist es recht häufig so, dass sie wenig merken, außer der Müdigkeit. Der Antrieb, ins Schlaflabor zu kommen, geht dann meistens von ihren Partnerinnen oder Partnern aus. Die sind in der Regel stark genervt, wenn jemand neben ihnen immer wieder Atemaussetzer hat, sie dann aufwachen und vielleicht sogar Angst haben, dass er gar nicht mehr weiter atmet.

Außer den Atemstörungen – welche Ursachen für Schlafstörungen gibt es noch?

Viele Patienten sind von Schlaflosigkeit betroffen. Oft ist es eine sogenannte sekundäre Schlaflosigkeit, also die Folge einer anderen Erkrankung, vor allem einer psychischen Erkrankung. Aber auch Menschen mit schweren Lungenproblemen, etwa Asthma, sind dadurch in ihrem Schlaf gestört. Und so lange man das Asthma nicht kontrolliert, merken die Leute das am nächsten Tag, dass sie nicht fit sind.

Aber es gibt Schlaflosigkeit auch als eigenständiges Phänomen, das für die Patienten sehr quälend sein kann. Da kann man auch durchaus von einer Unterversorgung für Menschen mit diesen Problem sprechen. Es gibt zwar medikamentöse und effektive verhaltenstherapeutische Behandlungen, aber immer noch ein zu geringes Therapieangebot.

Ich sehe zum Beispiel Patienten, die wegen Schlaflosigkeit herkommen, oft nur ambulant. Es überfordert unsere Kapazitäten hier, ihnen ein Therapieangebot zu machen. Nur wenn es dazu noch eine andere Störung gibt, die man eventuell mit unseren Geräten messen kann, machen wir weitere Diagnostik und können vielleicht eine zusätzliche Therapie anbieten.

Wie sieht eine solche Therapie aus?

Bei Atemstörungen behandeln wir oft mit einem System, das über Nase und Mund Luft mit einem höheren Druck als normal zuführt. Das sorgt dafür, dass die Atemwege offengehalten werden und idealerweise Atemaussetzer und Unterbrechungen des Schlafs weitestgehend reduziert werden.

Es gibt aber auch andere Methoden, etwa Zahnschienen, die den Unterkiefer nach vorne schieben. Relativ neu ist der sogenannte Zungenschrittmacher. Weil bei vielen Patienten ein Hauptproblem darin besteht, dass die Zunge zurückfällt und dadurch der Hals zu eng wird, kann man viel erreichen, wenn man synchron zur Atmung die Zunge nach vorne bewegen kann. Dann ist im Rachen mehr Platz und die Atmung ist nicht mehr behindert.

Das erreicht man mit einem Sensor, der Bewegungen der Atemmuskulatur registriert, und einer Elektrode, die einen Nerv stimuliert, der die Zunge nach vorne bewegt.

Wie lange müssen Patienten bei Ihnen auf einen Termin warten?

Wir führen eine Warteliste von einem Jahr, auf der wir aber auch nach Priorität sortieren. Wenn ich den Eindruck habe, dass es wichtiger ist, kommt jemand früher dran. Das ist kein schöner Zustand, aber ich kenne das aus der Schlafmedizin nicht anders.

Welche Fragen stellen Sie Patienten mit Schlaflosigkeit?

Wir versuchen, das möglichst genau einzugrenzen: Wie lange dauert es, bis Sie einschlafen? Ist es mehr ein Problem des nicht Einschlafens oder des frühen Erwachens? Oder der vielen Schlafunterbrechungen? Liegen Sie nachts wach und können dann nicht wieder einschlafen? Wann hat es angefangen? Was hat das für Folgen für den Tag des Patienten?

Wie stark sind die Auswirkungen auf den normalen Tagesablauf der Patienten denn normalerweise?

Das rührt an die Frage: Was ist eigentlich guter Schlaf? Ich würde sagen, guter Schlaf ist, wenn man nachts nicht über den Schlaf nachdenkt und sich am nächsten Morgen fit fühlt. Klappt das nicht, ist die Frage, wie kommen die Leute damit klar.

Es gibt Menschen, die halten Schlafstörungen insofern gut aus, als sie sich trotzdem am nächsten Morgen fit genug fühlen für das, was sie vorhaben. Möglicherweise könnte man trotzdem messen, dass sie weniger aufmerksam sind – aber der Patient empfindet das nicht als Problem. Während sich andere Menschen sehr schwer tun, auch wenige Schlafunterbrechungen gut wegzustecken.

Es gibt also nicht immer einen objektivierbaren Zusammenhang zwischen dem, was Messungen darüber sagen, wie gut jemand schläft, und wie die Person sich tatsächlich fühlt.

Gibt es handfeste gesundheitliche Folgen, wenn jemand über längere Zeit schlecht schläft?

Auf jeden Fall. Schlafentzug oder schlechter Schlaf führen zu einer gewissen Schwächung des Immunsystems, auch hier sind die Menschen unterschiedlich stark betroffen. Es gibt große Untersuchungen, ob das Krebs begünstigt – da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Es gibt auch Untersuchungen, die einen Zusammenhang zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen nahelegen.

Kann man denn fehlenden Schlaf nachholen, zum Beispiel am Wochenende?

Das geht, aber nur bedingt. Wer chronisch zu wenig schläft, kann das nicht mit mehr Schlaf an zwei Tagen in der Woche ausgleichen.

Wie viele Menschen in Deutschland sind von Schlafstörungen betroffen?

Vor 20 bis 30 Jahren hat man gesagt, dass 2 bis 5 Prozent der Bevölkerung an schlafbezogenen Atmungsstörungen leiden. Inzwischen gibt es deutlich mehr Menschen mit Übergewicht, insofern werden es jetzt wohl eher 7 bis 10 Prozent sein. Genaue Zahlen gibt es für Deutschland nicht.

Bei Ein- oder Durchschlafstörungen gibt es Studien, die nahelegen, dass etwa 5 Prozent der Bevölkerung betroffen sind. Das sind dann nur die, die wirklich ein chronisches Problem damit haben.

Welche extremen Fälle sind Ihnen begegnet?

Extreme Fälle, etwa Schlaflosigkeit von einer Woche, sind sehr selten. Sie werden klassischerweise von Neurologen oder Psychiatern behandelt, diese Leute kommen eigentlich nicht zu uns ins Schlaflabor. Was die Atemstörungen angeht, da habe ich viel gesehen – und man staunt schon, wie lange ein Körper ohne Atmung aushalten kann. So ein Atemaussetzer im Schlaf kann zwei bis drei Minuten dauern, dann ist der Sauerstoffgehalt im Blut schon deutlich erniedrigt.

Warum brauchen wir eigentlich Schlaf?

Das ist eine gute Frage, aber die hat die Schlafwissenschaft bisher nicht beantwortet. Es muss irgendein dringendes Bedürfnis geben, das nur durch Schlaf zu befriedigen ist. Selbst Delfine, die im Wasser leben, aber Luft atmen, schlafen. Bei ihnen schläft allerdings immer nur eine Gehirnhälfte, die andere bleibt wach und ermöglicht dem Tier, zum Atmen aufzutauchen. Es gibt verschiedene Theorien, warum Schlaf für das Gedächtnis wichtig ist oder für das Gehirn allgemein – aber wirklich geklärt ist es nicht.

Wir haben viel über schlechten Schlaf gesprochen. Aber was kann man denn tun, um gut zu schlafen?

Schlaf hat mit Entspannung zu tun. Das Wichtigste ist deshalb meiner Meinung nach, sich nicht zu viel Gedanken über seinen Schlaf zu machen. Ansonsten kann man zum Beispiel nach 15 Uhr am Nachmittag starken Kaffee weglassen – der wird einen sicherlich daran hindern, Abends um 21 Uhr einzuschlafen. Man sollte sich bewegen, Sport treiben, und nicht nur den ganzen Tag am Schreibtisch sitzen. Denn körperliche Betätigung macht müde, dann kann man abends auch schlafen. Und man sollte nicht eine Stunde vor dem Schlafen noch Grünkohl mit Bregenwurst essen.

Was hilft, ist auch ein Schlafritual. Menschen sind Gewohnheitstiere. Wenn man also abends in den letzten 20 Minuten vor dem Schlafengehen immer das gleiche macht, hilft das auch. Lesen zum Beispiel, also Konzentration bis zur Ermüdung. Gut zu schlafen, das ist auch ein Lernprozess. Man kann das verlernen, aber man kann es auch wieder lernen.

Was man nicht tun sollte: eine Flasche Wein oder mehrere Whiskeys trinken. Das funktioniert zwar auf den ersten Blick, man schläft irgendwann ein. Aber leider ist der Schlaf dann nicht erholsam, weil er zerstückelt ist und man immer wieder aufwacht.

Was ist mit heißer Milch mit Honig?

Das empfehlen viele Frauen, wo Männer eher an Bier denken. Ich glaube nicht, dass dieses Mittel einer Überprüfung durch randomisierte Studien standhalten würde. Aber es hat sicher einen hohen psychologischen Effekt, da ist gar nichts dagegen zu sagen.

Service

Am Dienstag, 13. November 19 Uhr, diskutieren im Haus der Wissenschaft in Braunschweig über Schlafstörungen: Prof. Peter Clarenbach aus Bielefeld, Prof. Andrea Rodenbeck aus Göttingen und Jörn Schroeder-Richter aus Braunschweig. Eintritt ist frei.