Braunschweig. Nach dem Skandal in einem Schlachthof in Oldenburg hagelt es Kritik an der Deklarierung von Fleisch.

In welchen Supermärkten wird das Fleisch
dieser gequälten Tiere verkauft?

Das fragt unser Leser
Walter Schrade aus Braunschweig

Die Antwort recherchierte Marieke Düber mit unseren Agenturen

Mehr als 600 Stunden Videomaterial aus dem Schlachthof „Standard-Fleisch“ in Oldenburg hat das Deutsche Tierschutzbüro bei verdeckten Ermittlungen erstellt. Videomaterial, das zeigt, wie Rinder in einem der zehn größten Schlachtbetriebe Deutschlands von den Mitarbeitern gequält werden, und das in der Politik und der Gesellschaft für Empörung sorgt. Nicht nur das niedersächsische Agrarministerium hat auf die Enthüllungen reagiert, indem es eine Strafanzeige gestellt hat.

Immer mehr Händler, die von dem Betrieb beliefert wurden, ziehen die Reißleine. Als erster Vertragspartner beendete die Bünting- Gruppe, zu der die Supermarktkette Famila gehört, ihre Zusammenarbeit mit dem Schlachthof. Frosta machte es dem Handelsunternehmen gleich und gab ebenfalls bekannt, für seine Produkte kein Fleisch mehr aus dem Betrieb zu beziehen.

Im Laufe der Woche zogen weitere Supermarktketten nach: Auch der Edeka-Verbund, die Einzelhändler Norma, Lidl, Aldi Süd und Nord sowie die Hit-Frischemärkte aus Nordrhein-Westfalen werden ab sofort nicht mehr von dem Schlachthof beliefert.

Das Deutsche Tierschutzbüro begrüßt die Entscheidung der Handelsketten. „Wir freuen uns darüber, dass so viele jetzt darauf reagiert und ihre Zusammenarbeit beendet haben“, sagt Vorstandsvorsitzender Jan Peifer unserer Zeitung.

Die Information, welche Supermärkte ab sofort kein Fleisch mehr von dem Schlachtbetrieb beziehen, bietet Verbrauchern wie unserem Leser zwar schon eine Orientierungshilfe beim Einkauf. Doch wie sieht es mit Einzelhändlern aus, die sich bisher noch nicht dazu geäußert haben – kann man als Verbraucher auch auf eigene Faust herausfinden, ob der heimische Supermarkt mit dem Betrieb im Oldenburg Geschäfte macht?

Es ist tatsächlich möglich, die Herkunft des Supermarktfleischs nachzuverfolgen, sagt Hiltrud Schrandt vom Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. Der Weg zur Information sei allerdings recht steinig: Auf der Verpackung zerlegter Ware wie Rinderbraten sind laut Schrandt sogenannte EU-Label angebracht, die mit einer Nummer versehen sind. Dank dieser könne man herausfinden, wo das Fleisch verarbeitet wurde, und sich dort nach dem Herkunftsort erkundigen. Schrandt: „Eine Internet-Suche der Nummer reicht dabei in der Regel aus.“

Bei verarbeiteter Wurst sei es zwar schwieriger, aber auch hier gebe es Mittel und Wege: „Es sind zwar meist viele unterschiedliche Betriebe und Bezieher, die das Fleisch liefern. Aber auf der Wurst steht ebenfalls ein Verarbeitungs- und Verpackungsbetrieb“, sagt Schrandt. Auch dort könnten Verbraucher Informationen zu ihren Produkten erfragen. „Ob man es aber bis zum einzelnen Tier zurückverfolgen kann, ist fraglich“, gibt die Sprecherin des Landesamts zu bedenken.

Christian Böttcher, Sprecher des Bundesverbands des Deutschen Lebensmittelhandels, hat einen ähnlichen Rat für Verbraucher: „Auf Frischfleisch und Wurstwaren steht der letzte Verkehrsbringer. Allerdings ist das meistens ein Verarbeitungsbetrieb, und nicht der Schlachthof selbst“, sagt er. Jedoch auch dort könne man sich erkundigen, woher das Fleisch bezogen wird. Für Jan Peifer vom Deutschen Tierschutzbüro ist dieses Verfahren allerdings noch zu wenig transparent: „Nicht nur für den Verbraucher, selbst für Handelskonzerne ist es schwierig zu sehen, woher das Fleisch kommt.“ Und dabei ist es nicht nur der Herkunftsort allein, der seiner Meinung nach für Verbraucher interessant ist: „Produkte sollten der Haltungsform nach gekennzeichnet werden, damit jeder Käufer sofort weiß, was für ein Leben das Tier vor der Schlachtung geführt hat.“

Solche Initiativen einzelner Händler gibt es in Deutschland bereits, bestätigt Christian Böttcher, vom Deutschen Lebensmittelhandel. Manche Unternehmen machen die sogenannte Traceability, also die Möglichkeit, die Herkunft des Fleischs zu verfolgen, zu einem Programm ihrer Marke. Allerdings handelt es sich dabei um eine Leistung, die nicht vom Gesetzgeber vorgeschrieben, es ist lediglich ein zusätzlicher Service.

„Wenn der Kunde aber besorgt ist oder Grund zur Annahme hat, dass er Fleisch erworben hat, das vom Oldenburger Schlachthof stammen könnte, sollte er sich an den Händler wenden“, sagt Böttcher. So können Verbraucher sich auch über den Weg informieren, den die Produkte gehen. Und gerade im Angesicht solcher Ereignisse wie den aktuellen Vorfällen in Oldenburg setzten immer mehr Händler bei ihren Produkten auf Transparenz, sagt Böttcher.

Wenn es nach Tierschützer Jan Peifer geht, müsste sich nicht nur im Handel und bei der Deklarierung von Tierprodukten etwas ändern. Es sind seiner Meinung auch die Betriebe selbst, bei denen man ansetzen muss, damit es gar nicht wieder so weit kommt. Dazu gehört für ihn zuallererst der Schritt, den betroffenen Schlachthof in Oldenburg sofort und endgültig zu schließen. Dass der Betrieb dort nach aktuellem Stand fortgesetzt werden soll und so weiterhin Händler beliefert, ist für ihn unverständlich. „Wir müssen jetzt die Politik in die Pflicht nehmen, die Tierquälerei beenden und den Schlachthof schließen“, sagt er bestimmt.

Zudem müssten die Kontrollen verbessert werden, damit sich Verstöße gegen den Tierschutz, wie es sie in Oldenburg gab, nicht wieder ereignen können. „Wir sehen ja zurzeit, dass die bisherigen Kontrollen versagt haben, weswegen wir sie verstärken sollten“, sagt Peifer.

Sein Vorschlag wäre zusätzlich ein Rotationssystem der eingesetzten Kontrolleure: So könne man dafür Sorge tragen, dass sie unabhängig bleiben und verhindern, dass sich durch lange Bekanntschaften eine Befangenheit dem Betrieb und den Mitarbeitern gegenüber entwickeln.