Klein Schöppenstedt. . Landwirt Thomas Mittendorf fährt mit seinem Betrieb in diesem Jahr Verluste ein. „Wir brauchen praktikable Hilfen“, sagt er.

Thomas Mittendorf sitzt auf seinem Mähdrescher. Neben ihm in der Fahrerkabine ist ein neuer Feuerlöscher befestigt. Erst vergangene Woche musste er mit solch einem Gerät einen Schwelbrand auf dem Feld löschen. „Zum Glück stand der Wind günstig“, sagt Mittendorf, der Ackerflächen in der Nähe von Wald bewirtschaftet. Auch ein Tankwagen mit Wasser ist bei der Ernte stets mit auf dem Feld. „Im letzten Jahr stand hier ein Fahrzeug mit Seilwinden, um den Mähdrescher aus dem Matsch ziehen zu können, dieses Jahr haben wir einen Tankwagen dabei“, sagt er kopfschüttelnd.

Die zwei aufeinanderfolgenden Extrem-Wetter-Jahre machen den Landwirten laut Mittendorf am meisten zu schaffen. „Im letzten Jahr war es durch die Nässe gar nicht möglich, Rücklagen zu schaffen“, sagt der 58-Jährige. Auch in diesem Erntejahr ist das für die Bauern unmöglich. Für Getreide und Raps wird laut niedersächsischem Landwirtschaftsministerium je nach Standort mit Einbußen zwischen zehn und 50 Prozent gerechnet. Bei Zuckerrüben und Mais, die erst später geerntet werden, mache sich die Trockenheit auch schon bemerkbar.

Landwirt Thomas Mittendorf steht vor einem leeren Getreidelager.
Landwirt Thomas Mittendorf steht vor einem leeren Getreidelager. © Hannah Schmitz

Wie die oft zitierten „Ertragseinbußen“ in der Realität aussehen, zeigt sich in den Getreidelagern von Mittendorf. Wo normalerweise Roggen, Gerste und Weizen die Kornkammern bis zur Decke füllen, stehen heute noch die Hälfte der Flächen leer. Ein zweites Getreidelager des Betriebs steht komplett leer. „In normalen Erntejahren fahren wir rund 80 Doppelzentner pro Hektar ein, jetzt sind es 15 Doppelzentner“, sagt Mittendorf. Die Erträge hingen von den Böden ab: Bei guten Böden belaufe sich der Ertragsverlust auf ein Drittel, bei schlechteren Böden auf bis zu 80 Prozent. „Das ist keine schlechte Ernte, das ist eine katastrophale Ernte“, stellt Mittendorf fest. Eine Besserung ist nicht in Sicht, glaubt er.

Der Landwirt aus Klein Schöppenstedt lässt trockene Getreidestoppeln durch seine Hände rieseln. „Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass es heutzutage solche schlechten Erträge noch gibt“, sagt er. Mittendorf ist seit 37 Jahren Landwirt. Aus Erzählungen weiß er, dass die Jahre 1958 und 1959 ähnlich waren: Zuerst viel zu nass, dann folgte die große Dürre. Damals hätten Landwirte die Hälfte ihres Viehbestands schlachten müssen, um die andere Hälfte ernähren zu können. Allerdings hätten sie auch die Möglichkeit gehabt, schlechte Erträge aus dem Ackerbau einigermaßen mit Erträgen aus der Viehwirtschaft zu kompensieren. „Als reiner Ackerbauer ist man anfälliger“, sagt Mittendorf. Heutzutage wirke sich allerdings eine Ernte nicht so verheerend aus wie vor Jahrzehnten. Nachschub an Getreide etwa komme aus anderen Regionen der Welt, die Preise blieben stabil.

Hitze und Auswirkungen auf die Landwirtschaft

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    Wie alle Ackerbauer, werde er dieses Jahr rote Zahlen schreiben. „Als Unternehmer müssen wir mit Risiken leben und Rücklagen schaffen“, sagt Mittendorf. Allerdings sei das längst nicht jedem Getreidebauern möglich. Das liege zum Beispiel an einem Überangebot von Getreide auf dem Weltmarkt, das die Preise drückt und den Landwirten geringe Einnahmen beschert. Mittendorf befürwortet eine finanzielle Unterstützung der Landwirte, die unlängst der Bauernverband forderte.

    Der Verbandspräsident Joachim Rukwied sagte: „Eine Milliarde Euro wäre wünschenswert, um die Ausfälle auszugleichen.“ Gestern drängte er noch einmal zur Eile. Doch die Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) will erst die Vorlage des Ernteberichts Ende August abwarten, in dem die tatsächlichen Ernteausfälle beziffert würden. Dann sollen Bund und Länder über das weitere Vorgehen entscheiden.

    Ackerbauer Mittendorf wünscht sich vor allem Hilfen vom Land, die „praktikabel“ sind. So habe das niedersächsische Landwirtschaftsministerium zwar Anfang Juli sogenannte ökologische Vorrangflächen, die normalerweise im Herbst mit nicht nutzbaren Zwischenfrüchten begrünt werden müssen, wegen der Dürre zum Anbau von Futtermitteln freigegeben – allerdings erst zum 16. Juli, moniert Mittendorf. „Die Ausnahme wurde zum 1. Juli beschlossen, galt aber erst zwei Wochen später. Zwei Wochen lang trocknete in der glühenden Hitze das Viehfutter also weiter“, sagt er. „Unbegreiflich“, findet er das.

    Erntehelfer Jens Heinecke (links) und Mittendorfs Sohn Henrik stehen vor dem Tankwagen. Entsteht bei der Ernte ein Schwelbrand, können sie sofort  mit Wasser löschen.
    Erntehelfer Jens Heinecke (links) und Mittendorfs Sohn Henrik stehen vor dem Tankwagen. Entsteht bei der Ernte ein Schwelbrand, können sie sofort mit Wasser löschen. © Hannah Schmitz

    Der Zuspruch unserer Leserin lässt die Herzen von Landwirten vermutlich höher schlagen. Denn auch Mittendorf wünscht sich von Verbrauchern eigentlich nur eines: Verständnis. „Es geht mir nicht darum, dass sich die Brötchenpreise erhöhen sollen. Ich wünsche mir nur, dass der Verbraucher Verständnis dafür hat, dass Getreide ein Naturprodukt ist. Das kann nicht immer in allen Mengen und mit gleicher Qualität zur Verfügung stehen“, sagt er.

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