Braunschweig. Der Chefvolkswirt der Deutschen Vermögensberatung setzt auf staatliche Zulagen. Verbraucherschützer sehen diese kritisch.

Lohnt es sich auch für Geringverdiener privat fürs Alter vorzusorgen?

Das fragt eine Leserin, die anonym bleiben möchte, deren Namen der Redaktion aber bekannt ist.

Die Antwort recherchierte
Hannah Schmitz

Unsere Leserin spielt auf eine Neuerung im Sozialrecht an, die zum 1. Januar dieses Jahres wirksam geworden ist. Rentner, die eine Grundsicherung durch den Staat beziehen, erhalten dadurch einen Freibetrag für eine private Altersvorsorge. Geregelt wurde das im Rahmen des sogenannten Betriebsrentenstärkungsgesetzes. Nach Angaben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales können die leistungsbeziehenden Rentner dadurch bis zu 208 Euro als Freibetrag geltend machen. „Damit sollte das Signal gesetzt werden, dass sich freiwillige Altersvorsorge in jedem Fall lohnt“, erklärt Jarmila Schneider, Sprecherin des Ministeriums.

Allerdings gilt dieser Freibetrag nur für solche Einkünfte aus der Altersvorsorge, die monatlich und bis zum Lebensende ausgezahlt werden. Denn nur dann sei gewährleistet, sagt Schneider, dass die Bedürftigkeit dauerhaft reduziert würde. Ein monatlicher Rentenbetrag aus der privaten Altersvorsorge bis zu 100 Euro wird nach der neuen Gesetzgebung nun nicht mehr auf die Grundsicherung angerechnet. Alles, was als monatliches Einkommen aus der Altersvorsorge darüber hinausgeht, wird zu 30 oder bis zu maximal 50 Prozent auf die finanzielle Unterstützung vom Staat angerechnet. Vor der Gesetzesänderung gab es keinen Freibetrag für sogenannte Leistungsbezieher.

Mit der Gesetzesänderung ermuntert die Regierung also Bürger, die im Alter womöglich auf eine Sozialhilfe angewiesen sind, privat vorzusorgen. Aber lohnt sich das wirklich? Und wie sollten sie vorsorgen? Ralf Götz, Chefvolkswirt bei der Deutschen Vermögensberatung (DVAG), empfiehlt durchweg, ob geringverdienend oder nicht, staatliche Fördermaßnahmen „mitzunehmen“. Denn: „Die Rente ist heute zwar noch sicher, es fragt sich nur in welcher Höhe“, sagt er.

Laut Götz lohne sich etwa die Riester-Rente vor allem für Geringverdiener, aber auch für gut verdienende Singles. Beim „Riestern“ erhalten Sparer eine Grundzulage von 175 Euro pro Jahr, pro Kind kommen Zulagen von bis zu 300 Euro hinzu. Dafür müssen sie vier Prozent ihres Vorjahresbruttoeinkommens einzahlen, um die volle Förderung zu erhalten. Die maximal geförderte Summe beträgt 2100 Euro, inklusive der Zulagen. Der Mindestbeitrag liegt bei 5 Euro pro Monat. „Die Hürde ist sehr gering. Das lohnt sich auch für Menschen, die kaum sparen können“, sagt Götz.

Adrian Englschalk, Finanzexperte bei der Verbraucherzentrale Niedersachsen, sieht das allerdings kritisch. „Wenn ich so knapp bei Kasse bin ist es fraglich, ob ich mein Geld in ein so unflexibles Vorsorgeprodukt anlege“, sagt er. Kurzfristige Kosten wie Nachzahlungen, die Anschaffung eines Autos oder ähnliches, könnten dann leicht für ein Minus auf dem Konto sorgen. „Dann können sie noch so viele Zulagen bekommen, sie holen den fälligen Zins nicht mehr auf“, sagt er.

Besonders Geringverdienern legt er ans Herz, ihr Geld zunächst auf Bankkonten anzusparen, bis sie die Möglichkeit haben, über einen längeren Zeitraum hinweg zu planen. Nicht nur die Riester-Rente, auch andere gängige Altersvorsorgeprodukte hätten das große Manko, unflexibel zu sein. Sparer kämen zwar an ihr Geld vor Renteneintrittsalter heran – außer bei der betrieblichen Rente – machten dadurch aber ein Minusgeschäft. Zulagen und Steuervorteile würden zurückgefordert werden. „Wer trotzdem zum Beispiel riestert, endet oft in der Schuldenspirale, weil seine Liquidität im Hier und Heute nicht ausreicht. Das erleben wir oft genug“, sagt Englschalk.

Riestern lohnt sich laut dem Finanzexperten vor allem für Menschen mit Kindern. „Sie sind dabei die Stellschraube“, sagt er. Allerdings kritisiert Englschalk: „Sparer müssen oft ein biblisches Alter erreichen, um ihre lebenslangen Einzahlungen wieder herauszubekommen.“ Er rechnet vor: Kinderlose müssen bei voller Zulage 98,6 Jahre alt werden, um ihren Nettobeitrag wieder herauszubekommen, Riester-Sparer mit zwei Kindern 91 Jahre alt. Letzteres sei durchaus realistischer.

Nach Angaben von Chefvolkswirt Götz rechnet sich die Riester-Rente dennoch auch für kinderlose Besserverdiener. Sie könnten ihre Beiträge gut von der Steuer absetzen, wenn sie dadurch mehr sparen können als durch die Zulagen. Ein Beispiel: Ein Single mit 70 000 Euro Jahresverdienst zahlt abzüglich der Förderung von 175 Euro einen Beitrag von 1925 Euro ein. Für ihn ergibt sich laut Götz ein Steuervorteil von 696 Euro. Insgesamt sind dadurch von einem Jahresbeitrag von 2100 Euro rund 1230 Euro selbst zu erbringen, den Rest übernimmt der Staat. Das entspreche einer Förderquote von 41 Prozent.

Der Chefvolkswirt der Deutschen Vermögensberater ist überzeugt, dass wegen der demografischen Entwicklung stärkere private Vorsorge nötig ist. Er sagt: „Die Menschen sollten mehr und bewusster Altersvorsorge betreiben.“