Braunschweig. . Andere EU-Staaten messen den Nitratgehalt nach weniger strengen Kriterien. Seit 2010 gab es keine Grenzwertüberschreitungen im Trinkwasser mehr.

Als ob das Problem neu wäre. Seit Jahren tun Regierung und Landesregierung dagegen nichts!

Das moniert unser Leser Thies Nordmann auf unseren Facebook-Seiten.

Zum Thema recherchierte
Johannes Kaufmann

Nein, neu ist das Thema wahrlich nicht. Bereits 1982 ergaben Messungen im Auftrag des Nachrichtenmagazins „Stern“ in 13 von 451 geprüften Kommunen eine Überschreitung des Nitrat-Grenzwerts im Trinkwasser. Der lag damals bei 90 Milligramm pro Liter. Damals wurde vor einer „tickenden Zeitbombe“ im Boden gewarnt, denn der Großteil des Nitrats aus dem massenhaft ausgebrachten Stickstoffdünger sei noch gar nicht im Grundwasser angekommen.

Heute beträgt der Grenzwert 50 Milligramm pro Liter – und er wird überall in Deutschland eingehalten. Seit 2010 gab es keine Grenzwertüberschreitungen im Trinkwasser mehr.

Warum also hat der Europäische Gerichtshof nun einer Klage gegen Deutschland stattgegeben? Hintergrund der Klage sind die Nitrat-Messwerte, die Deutschland der EU meldet. Demzufolge wird an 28 Prozent der Messstellen der Grenzwert überschritten. Als Ursache für diese Belastung wird häufig die intensive Tierhaltung angegeben. Allerdings ist es verwunderlich, dass Deutschland bei der Nitratbelastung wesentlich schlechter abschneidet als Länder wie die Niederlande oder Dänemark, wo die durchschnittlichen Tierbestände wesentlich größer sind als in Deutschland.

Das liegt daran, dass Deutschland im Gegensatz zu anderen EU-Staaten seine Berichte nicht auf das sogenannte EUA-Messnetz mit seinen 1215 Messstellen stützt, das laut dem Nitratbericht (2016) von Umwelt und Landwirtschaftsministerium „die Nitratverteilung im Grundwasser Deutschlands insgesamt repräsentativ abbildet“, sondern auf das EU-Nitratmessnetz. Das verfügt nicht nur über deutlich weniger Messstellen, sondern konzentriert sich als Belastungsnetz außerdem auf besondere Problemgebiete. Im EUA-Netz sinkt die Zahl der Grenzwertüberschreitungen auf rund 18 Prozent der Messstellen. Während andere EU-Länder also Durchschnittswerte an die Kommission melden, hebt Deutschland seine Problemzonen hervor.

Die liegen üblicherweise in Regionen, die intensiv landwirtschaftlich genutzt werden. Doch auch der Zusammenhang mit der Intensivtierhaltung ist nicht so eindeutig wie häufig behauptet. Das zeigt eine Karte, in der besonders belastete Grundwasserkörper mit Orten intensiver Tierhaltung verknüpft werden. Teilweise decken sich diese Gebiete, teilweise aber auch nicht. Besonders hohe Nitratwerte werden beispielsweise regelmäßig in einigen Regionen in Rheinland-Pfalz gemessen, obwohl dort nur sehr wenige Tiere gehalten werden. Umgekehrt führen große Tiermastanlagen in Teilen Ostdeutschlands dort nicht zu einer Überschreitung der Grenzwerte. Das bestätigt selbst das Umweltbundesamt: „Einige Regionen in Deutschland weisen trotz hoher Viehdichte keine erhöhten Nitratgehalte auf.“

Das liegt daran, dass Nitrat aus Gülle oder anderem Dünger nicht einfach mit dem Regen versickert. Die Frage, wie viel des Stickstoffsalzes am Ende im Grundwasser ankommt, hängt von einer Fülle von Faktoren ab, etwa der Beschaffenheit des Bodens, seiner biologischen Aktivität und von den Niederschlägen. Manche Böden können große Mengen Nitrat „denitrifizieren“, also den darin gebundenen Stickstoff in molekularen Stickstoff umwandeln. Durch andere Böden wiederum sickert das Salz nahezu ungehindert hindurch.

Für hohe Nitratwerte in Regionen mit niedriger Tierdichte könnte ausgerechnet eine umweltpolitische Maßnahme mitverantwortlich sein: die Förderung von Biogas-Anlagen. In denen wird durch bakterielle Zersetzung von Pflanzen wie Mais oder Zuckerrüben Methan gewonnen. Der in der Biomasse gebundene Stickstoff bleibt ungenutzt und wird als Biogas-Gülle auf die Felder gebracht, was in Regionen mit leichten Böden schnell zu Nitratüberschüssen führen kann – zumal diese Gülle lange Zeit nicht den strengen Düngeregeln unterworfen war wie tierische Gülle.

Als ein Ausweg aus der ganzen Nitrat-Misere gilt der Biolandbau. Entsprechend begrüßt Harald Gabriel das Urteil des EuGH. „Wir müssen nun substanzielle Schritte nach vorne machen, und der Ökolandbau bietet die Lösung beim Wasserschutz“, sagt der Vorstand des Landesverbands ökologischer Landbau Niedersachsen und Geschäftsführer von Bioland Niedersachsen. Auch der Bund ökologischer Lebensmittelwirtschaft schreibt auf seiner Internetseite: „Auf ökologischen Betrieben sind die Stickstoff-Überschüsse meist deutlich geringer als auf konventionellen; bezogen auf die Fläche sind die Sickerraten von Nitrat um bis zu 50 % geringer.“ Zugleich räumt er aber ein: „Pro Tonne produzierten Ertrags sind die Nitratsickerraten allerdings in beiden Wirtschaftssystemen ähnlich einzustufen.“

Und auch Biolandwirte könnten durch die bereits geforderte Verschärfung der Düngeverordnung Probleme bekommen. Denn Ökobauern verwenden häufig Komposte, die neben Stickstoff viel Phosphor enthalten. Wird die Phosphorgrenze weiter gesenkt, könne das bei Kulturen mit hohem Stickstoffbedarf dazu führen, „dass der Stickstoffbedarf der Kulturen dann nicht mehr vollständig gedeckt werden kann“, heißt es auf dem Informationsportal für Ökolandbau der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung.