Braunschweig. Die Kriminalität in Deutschland ist um zehn Prozent rückläufig. Die Gewerkschaft der Polizei und der Opferschutz Weißer Ring fordern mehr Beamte.

Unser Leser William Rossmann aus Königslutter fragt:

Ist die Entwicklung in den Regionen ähnlich verlaufen, oder gibt es andere Trends?

Die Antwort recherchierte Andre Dolle

Die Polizeiliche Kriminalstatistik für 2017 liegt zwar offiziell erst Anfang Mai vor. Es sickerte aber bereits durch: Die Kriminalität in Deutschland ist um knappe zehn Prozent rückläufig. Und mit Blick auf unseren Leser sei gesagt: Für Niedersachsen und unsere Region gilt diese Entwicklung auch, aber weniger stark. In Niedersachsen sank die Zahl der Straftaten um 6,4 Prozent, für die Polizeidirektion Braunschweig liegt die Quote bei 4,9 Prozent.

„Die Zahlen sind natürlich erfreulich. Ich warne aber vor allzu großer Euphorie.“
„Die Zahlen sind natürlich erfreulich. Ich warne aber vor allzu großer Euphorie.“ © Dietmar Schilff, Chef der Gewerkschaft der Polizei in Niedersachsen

Experten führen diesen Rückgang auf zwei wesentliche Ursachen zurück. Zum einen sei es der Polizei offenbar besser gelungen, einige massenhaft verübte Straftaten wie Diebstahl zu bekämpfen, sagte Dietmar Schilff, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei. Zum anderen hänge ein Gutteil der Entwicklung damit zusammen, dass weniger Asylsuchende nach Deutschland gekommen seien. Vergehen wie die illegale Einreise oder ein unerlaubter Aufenthalt, die nur von Zuwanderern begangen werden können, fielen im vergangenen Jahr also weniger stark ins Gewicht.

Beide Ursachen zusammen machen fast die Hälfte des Gesamtrückgangs aus. Schilff sagte daher: „Die Zahlen sind natürlich erfreulich. Ich warne aber vor allzu großer Euphorie.“ Es handele sich noch nicht um eine nachhaltige Entwicklung.

Ähnlich sieht es auch Rainer Bruckert, Vorsitzender der Opferschutz-Organisation Weißer Ring in Niedersachsen. Er zeigte sich vor allem über den Rückgang bei den Gewalttaten erfreut.

Damit sich die Entwicklung verstetigt, fordern Schilff und auch Bruckert mehr Polizisten. Schilff rechnete vor, dass seit 2002 in Deutschland 15 000 Stellen abgebaut wurden. Die Große Koalition hat sich zum Ziel gesetzt, in den nächsten Jahren wieder 7500 Bundespolizisten und 7500 Beamte in den Ländern neu einzustellen. „Längst überfällig“, meinte Schilff. Und Bruckert sagte: „Mehr Polizei bedeutet auch mehr Prävention.“ Der Braunschweiger Bruckert war einst Abteilungsleiter beim LKA.

Positiv bewerteten beide auch ganz besonders den Rückgang der Wohnungseinbrüche – wenn unsere Region hier auch etwas hinterherhinke. In ganz Deutschland sank die Zahl erheblich: um etwa 23 Prozent. Spitzenreiter unter den Ländern ist Rheinland-Pfalz mit minus 28,3 Prozent, gefolgt von NRW mit minus 25,7 Prozent und Baden-Württemberg mit minus 24 Prozent. In ganz Niedersachsen lag die Quote bei 17 Prozent, in unserer Region bei mehr als 10 Prozent. 80 Prozent der Täter kommen laut Polizeipräsident Michael Pientka weiterhin aus Osteuropa und über die A2 in unsere Region. So lässt sich der schlechtere Wert unserer Region bei den Einbrüchen erklären.

„Gerade Wohnungseinbrüche hinterlassen Spuren bei den Betroffenen, bis hin zu traumatischen Schäden und dem unausweichlichen Auszug aus der Wohnung“, sagte Bruckert vom Weißen Ring. „Die Leute fühlen sich oft einfach nicht mehr wohl in den eigenen vier Wänden.“

Passend zum Thema stellte die FDP eine Anfrage zu Wohnungseinbrüchen im Landtag. Demnach war in 35 von 46 Landkreisen die Zahl der Einbrüche 2017 rückläufig. Die Polizei verweist in diesem Zusammenhang auf die zunehmende Konzentration der Ermittlungsarbeit in den Dienststellen. Auch in unserer Region hat jede Polizeiinspektion in den Landkreisen und Städten mittlerweile eine eigene Ermittlungsgruppe. Die Aufklärungsquote stieg bei der Polizeidirektion zwar von 15,5 Prozent auf fast 24 Prozent. Sie ist aber immer noch niedrig. Der Grund: Bei Einbrüchen gibt es kaum Spuren und Zeugen.

In der Stadt Braunschweig hingegen dürfte die Antwort der Landesregierung auf die Anfrage der FDP Sorge bereitet haben. Hier haben die Einbrüche 2017 um 82 Fälle zugelegt. Braunschweig lag dennoch im vergangenen Jahr mit 375 Einbrüchen im Mittelfeld. Gute Nachrichten gab es mit Blick auf Wohnungseinbrüche dagegen für den Landkreis Peine. Die Aufklärungsquote bei Einbrüchen lag bei starken 38 Prozent – der Top-Wert in unserer Region.

Für Braunschweig gibt es einen Trost: Über alle Kriminalitätsbereiche hinweg liegt die Stadt im bundesweiten Vergleich mit anderen Städten mit 200 000 Einwohnern und mehr im oberen Drittel. Bruckert: „Braunschweig ist eine sichere Stadt.“

Es gebe jedoch eine wachsende Diskrepanz zwischen der gefühlten Sicherheit in Deutschland und der Realität der Zahlen, die die Polizei uns mitteilt, so Bruckert.

Noch ein anderer Aspekt spielt womöglich eine Rolle. Der Kriminologe Christian Pfeiffer sagte dem Sender ntv mit Blick auf Flüchtlinge: „Wenn schlagartig viele Fremde ins Land kommen und andere Kulturen integriert werden müssen, verlieren die Menschen ihr Heimat-Gefühl.“