Hannover. Im Interview: Wissenschaftsminister Björn Thümler (CDU) spricht über das Thema Digitalisierung. Und er will außerdem den Niedersachsen-Campus.

Einst hatte der frühere CDU-Fraktionschef Björn Thümler ein Heimatministerium gefordert, nun ist er Wissenschaftsminister geworden. Über Niedersachsens Hochschulen und Medizinstudium in Braunschweig sprachen mit dem Minister in seinem Büro Armin Maus und Michael Ahlers.

Herr Thümler, Sie haben als neuer Minister sehr schnell Antrittsbesuche gemacht. Sie waren nach wenigen Tagen bei der Landeshochschulkonferenz der Uni- und Fachhochschulpräsidenten, Sie waren auch sehr schnell in Braunschweig. Wie sind Ihre Eindrücke?

Braunschweig ist eine sehr forschungsintensive Region, die auch bei uns im Fokus steht. Ich habe bei meinem Antrittsbesuch bei TU-Präsidentin Anke Kaysser-Pyzalla deutlich gemacht, dass der Ausbau der Universität für das Land wichtig ist, auch im Verbund Hannover-Braunschweig-Göttingen. Wir haben der TU gerade als Ministerium erlaubt, weiter selbst die Berufungsverfahren zu führen. Im März habe ich außerdem das Leichtweiß-Institut für Wasserbau an der TU besucht. Das Institut ist beteiligt am Forschungszentrum Küste (FZK), zu dem auch der große Wellenkanal in Hannover gehört. Das klingt zwar erst einmal seltsam, Küstenschutz in Braunschweig und Hannover. Das Thema ist für ganz Niedersachsen aber von großer Bedeutung, weil die Küstenregion des Landes groß ist, aber eben auch, weil das Binnenhochwasser zunehmend ein richtiges Problem wird.

Sie haben außerdem gerade ein weiteres regionales Thema vorangetrieben: Braunschweig wird zum Standort der Medizinerausbildung. Der Plan stammt noch aus der Zeit Ihrer Amtsvorgängerin von den Grünen. Angebunden wird das Ganze an die Uni Göttingen. In Braunschweig wird ein Teil der Göttinger Studenten den klinischen Teil des Studiums absolvieren.

Wir habe dazu gerade eine Absichtserklärung mit der Universitätsmedizin Göttingen und dem Städtischen Klinikum Braunschweig unterzeichnet. Ziel der Kooperation ist die Umwandlung der bislang in Göttingen angebotenen Teilstudienplätze im Bereich Humanmedizin in 60 bis 90 Vollstudienplätze. Losgehen soll es zum Wintersemester 2020/21. Traditionell sind die vorklinisch-theoretischen Kapazitäten in Göttingen höher als die klinischen – mit Braunschweig als zusätzlichem Standort der UMG soll dieses Ungleichgewicht ausgeglichen werden. Insgesamt wollen wir in Niedersachsen 200 zusätzliche Medizin-Studienplätze schaffen.

Der Aufbau einer eigenen Universitätsmedizin an der TU Braunschweig liegt ja vom Profil der Universität nicht unbedingt nahe. Das wäre wohl auch sehr teuer. Vielleicht aber eine weitere Bündelung etwa der Energiespeicherforschung? Da gibt es ja in Niedersachsen wenig Konkurrenz.

Das ist genau das, was wir versuchen umzusetzen: Wir müssen nicht an allen Standorten alles machen. Wir müssen vielmehr die Stärken der einzelnen Standorte sehen, sie mit anderen Hochschulen kombinieren und auch für Dritte offenhalten. Das Thema Speicherung erneuerbarer Energien ist für den Bereich Braunschweig/Wolfsburg unumgänglich. Das liegt nicht nur an VW, sondern auch an den weiteren Kompetenzen wie etwa im Bereich autonomes Fahren. Viele Hochschulen wissen voneinander gar nicht so genau, was die anderen machen. Die Zusammenarbeit und die Vernetzung untereinander müssen verstärkt werden.

Kommen wir zum Geld. Sie haben den Hochschulen bei mehreren Gelegenheiten mehr Finanzmittel zugesagt. Die Hochschulen in Niedersachsen gelten als unterfinanziert.

Wir wollen die Grundfinanzierung einiger Hochschulstandorte verbessern, weil wir da erhebliche Defizite haben. Das ist zum Beispiel in Hildesheim so, wo die wichtige Lehrerausbildung stattfindet, das ist in Osnabrück und Vechta so und auch an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig. Wir haben ja für 2018 insgesamt 3 Millionen Euro Nachschlag bekommen, um die Grundförderung anheben zu können.

Es gibt auch in Niedersachsen seit langem Hochschulpakte, also feste Finanzzusagen des Landes an seine Hochschulen. Der jüngste schreibt die Mittel des Landes für die Hochschulen auf dem Stand von 2018 fest. Personalkostensteigerungen werden immerhin getragen. Wird damit nicht eher eine Unterfinanzierung festgeschrieben?

Ich hoffe, dass wir mit dem Haushalt 2019 die Grundförderung deutlich erhöhen können. Wir haben deutliche Mehrbedarfe angemeldet - der Landeshaushalt wächst aber ja nicht in den Himmel. Forschung ist „in“ – aber besonders die die Lehre fällt oft hinten runter. Es gibt viele Wissenschaftler, die sich über Projekte finanzieren und die Hochschule dann nach drei Jahren wieder verlassen. Die Hochschulen brauchen ausreichend Professoren- und Mitarbeiterstellen, um gleichzeitig gute Lehre und Forschung gewährleisten zu können. Und wenn die Grundfinanzierung nicht ausreicht, ist das schwierig.

Das ist ja nicht alles. Allein an der TU Braunschweig gibt es einen Sanierungsstau von 500 Millionen, marode Gebäude wurden aus Sicherheitsgründen dichtgemacht.

Wir werden 147 Millionen zusätzliche Baumittel für den Hochschulbau anmelden. Man muss die Mittel aber auch über die Bauverwaltungen abarbeiten können.

Leidet durch die Finanznöte nicht auch die Freiheit der Forschung, leidet nicht auch die Grundlagenforschung?

Wir kommen ohne Drittmittel nicht aus, das ist Fakt. Beim Technologietransfer haben wir eine gute Verknüpfung zwischen Grundlagenforschung und Output, das stellen wir ganz nach vorne. Schön wäre es, wenn wir die Beinfreiheit bekommen könnten, so ähnlich zu arbeiten wie im Silicon Valley. Wo kreativ Tätige einfach mal zusammensitzen und spinnen. Und wo sich Felder ergeben, auf denen man forschen könnte. Da hat die TU Braunschweig durchaus Potential, auch in Verbindung mit der Leibniz Universität Hannover oder der Uni Lüneburg. Andere Länder vermarkten sich bislang einfach besser. In Brüssel haben wir deshalb neulich „Forschung in Niedersachsen“ vorgestellt, da sind 50 bis 60 Leute gekommen. Die waren erstaunt, was Niedersachsen alles zu bieten hat.

Mit den anderen Ländern meinen Sie Bayern, Baden-Württemberg ...

Zum Beispiel. Wenn Professoren Ideen entdecken, müssen sie die mal ganz zwanglos diskutieren können. Wir dürfen außerdem die Internationalität nicht aus den Augen verlieren, das muss nicht nur Richtung Westen sein. Die Uni Posen zum Beispiel ist hochspezialisiert. Im Herbst dieses Jahres reise ich nach Finnland und Estland. Digitalisierung ist da das Thema, aber die haben auch sonst richtig was auf die Beine gestellt. Da müssen wir uns stärker hinwenden.

Zum Vernetzen der Hochschulen fehlt bei uns doch schon die Infrastruktur. Wissenschaftler klagen, sie könnten kaum große Datenmengen von einem Standort zum anderen bekommen.

Wir müssen da sicher leistungsfähiger werden. Wir bräuchten zum Aufbau leistungsfähiger Netze deutschlandweit rund 80 Milliarden Euro. Da muss auch die Privatwirtschaft mit ran. Wir haben in Niedersachsen ein Sondervermögen von zunächst 500 Millionen Euro zur Digitalisierung geschaffen, der Bund will auch mehr tun. Das ist eine riesige Aufgabe.

Kommen wir noch mal zur Hochschullandschaft in Niedersachsen. Die Landkarte ist ziemlich voll mit Standorten. Wo sehen Sie die Zukunft?

Die Zukunft ist das, was wir Niedersachsen-Campus nennen. Die Verknüpfung unserer Standorte, auch über gemeinsame Projekte, muss sich verbessern. Wir haben ja auch nur beschränkte Möglichkeiten, zum Beispiel bei Großgeräten. Ich war gerade in Osnabrück und habe mir das neue CellNanOs angeschaut – das For- schungsgebäude beherbergt ein Labor mit Hochleistungsgeräten, die in Niedersachsen einmalig sind. Da muss man dann auch andere Forscher ranlassen. Ein großes Thema wird wie gesagt die Digitalisierung sein. Wir werden für den Netzwerkgedanken auch Geld zur Verfügung stellen. Dazu kommen bis zu 100 Digitalisierungsprofessuren, die wir schaffen wollen. Wir müssen jetzt richtig Gas geben.

Sowohl die regionale CDU als auch die SPD haben mehr Geld für die Landesmuseen in Braunschweig gefordert. Wie sieht der zuständige Minister das?

Die sechs niedersächsischen Landesmuseen in Braunschweig, Hannover und Oldenburg sind Gedächtnis und Labor der niedersächsischen Kultur zugleich. Zu ihren klassischen Aufgaben sind in den letzten Jahren verstärkt die Bereiche Dienstleistungen, kulturelle Teilhabe, vermittelnde und Mitmach-Angebote hinzugekommen. Zur Bewältigung beider Aufgabenfelder ist eine bessere Finanzausstattung der Häuser unerlässlich. Ziel ist es, zwei Millionen Euro zusätzlich für die Unterstützung aller Landesmuseen zur Verfügung zu stellen. Die Mittel sollen für den Haushalt 2019 angemeldet werden. Die Unterstützung aus der Region für dieses Vorhaben ist begrüßenswert.

Wie zufrieden sind Sie denn mit den Forschungsmitteln, die vom Bund und aus Europa nach Niedersachsen fließen?

Beim Bund ist es in Ordnung, wir liegen immer im Schnitt, manchmal drüber. Bei Europa ist Luft nach oben. Wir haben einen weiteren Mitarbeiter beauftragt, sich darum zu kümmern.

Die Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz (SBK) beschäftigt derzeit Ihr Ministerium. Der Landesrechnungshof hat zu hohe Ausgaben, rechtswidrige Förderungen sowie eine lückenhafte Buchhaltung der SBK gerügt. Das Wissenschaftsministerium hat die Rechtsaufsicht über die Stiftung, die meisten Mitarbeiter sind Landesbedienstete. Ihr Ministerium wird eine Stellungnahme an den Rechnungshof schicken. Die Frist wurde gerade verlängert.

Wir werten derzeit eine Stellungnahme der SBK zu dem Bericht des Rechnungshofs aus. Ich habe dem Stiftungspräsidenten Ulrich Markurth gesagt, dass die Stiftung selbst aufklären muss.

Sind denn nun Stiftungsmittel satzungswidrig verwendet worden oder geht es um Verwaltungsabläufe? Die Stiftung kämpft seit Jahren um mehr Personal.

Der Rechnungshof stört sich offenbar an Ausgabenzuwächsen. Dass die Stiftung personell nicht zu groß aufgewachsen ist, ist wohl auch so. Aber ich muss erst einmal den Bericht dazu abwarten. Fehlverhalten muss aufgeklärt werden, und wenn es keins gegeben hat, dann hat sich das Ganze nach viel Schall und Rauch erledigt.