Braunschweig. Auch Waschbären und Biber breiten sich aus. Werden Sie zur ökologischen Gefahr? Ein Biologe des Nabu bezweifelt das.

Unser Leser Martin Kämmer aus Braunschweig fragt:

Der Dachs ist hier heimisch, die Biberratte nicht, nicht wahr?

Die Antwort recherchierte Johannes Kaufmann und unseren Agenturen

Der Dachs gehört zu Deutschland – würde Horst Seehofer unserem Leser vielleicht antworten. Tatsächlich ist er (der Dachs, nicht der Leser) als Grimbart aus Fabeln und Märchen seit Jahrhunderten bekannt. Doch sein Bestand galt lange Zeit als gefährdet. „Das war eine Folge der Tollwutbekämpfung“, sagt der Biologe Florian Preusse, stellvertretender Vorsitzender des Nabu-Kreisverbands Gifhorn. Denn in den 1970er Jahren wurden Baue von Füchsen, den Trägern der Tollwut, systematisch begast. Doch in Fuchsbauen leben häufig auch Dachse, die deswegen in großer Zahl zu Tode kamen. Dachse wurden deshalb als potenziell gefährdet eingestuft.

Nun hat sich der Bestand der Dachse in Niedersachsen nach Ansicht von Experten erholt. Er sei zuletzt kontinuierlich gewachsen, sagt BUND-Landesvorstandsmitglied Reinhard Löhmer. Auf eine positive Entwicklung deutet auch die Rekordzahl von erlegten Dachsen hin. Nach Angaben der Landesjägerschaft wurden im abgelaufenen Jagdjahr in Niedersachsen 7164 Dachse zur Strecke gebracht. Dies sind knapp 700 mehr als im Vorjahr und so viele wie nie zuvor seit Beginn der regelmäßigen Erhebungen zur Jagd im Jahr 1959.

Die meisten Dachse wurden in den Landkreisen Gifhorn (429) und Göttingen (395) erlegt. Es folgten die Region Hannover (367) sowie die Kreise Osnabrück (353), Uelzen (326), Lüneburg (305) und Northeim (288). 1978 hingegen umfasste die gesamte Jagdstrecke lediglich 81 Exemplare.

„Einen ökologischen Grund zur Bejagung von Dachsen gibt es aber gar nicht“, meint Preusse. Das Tier richte kaum Schäden an – nur wenn er in landwirtschaftliche Kulturen wie Maisfelder eindringe, nage er „ein paar Maiskolben weg“. Ansonsten bekomme man von der Renaissance des nachtaktiven Jägers aber nicht viel mit.

Eine solche Renaissance konstatiert die Biologin Reinhild Gräber von der Tierärztlichen Hochschule Hannover im aktuellen Landesjagdbericht. Mittlerweile erreiche die Population in Niedersachsen sogar eine nie dagewesene Größe.

Detaillierte Daten über den aktuellen Bestand lägen dem Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) zwar nicht vor, sagt Sprecher Achim Stolz. Aber auch der NLWKN gehe davon aus, dass der Dachs sich erholt hat. Nach Einschätzung des BUND gibt es inzwischen so viele Tiere, dass die Art durch die zuletzt immer größeren Jagdstrecken nicht bedroht ist.

Wegen der inzwischen hohen Populationsdichte vor allem im südlichen und östlichen Niedersachsen rücke der Dachs vielmehr als Beutegreifer für bodenbrütende Vögel und Niederwild immer weiter in den Vordergrund, berichtet die Biologin Gräber im Landesjagdbericht. Eine akute Gefahr für bodenbrütende Vögel und Niederwild sieht der BUND-Experte Löhmer im Dachs allerdings nicht.

Anderes hingegen wird den Arten nachgesagt, die nicht schon länger hier leben, sondern neu dazugekommen sind – um im Duktus der Zuwanderungsdebatte zu bleiben. So würden etwa Waschbär, Marderhund oder der amerikanische Nerz „in der gleichen Nische Nahrung suchen und so für eine Unwucht im System sorgen“, sagt Löhmer. Es seien diese eingeschleppten Arten, die den Druck auf das Niederwild und die Bodenbrüter erhöhten.

Zu einem ähnlichen Schluss komme die Staatliche Vogelschutzwarte, sagt NLWKN-Sprecher Stolz. Als typischer Allesfresser komme der Dachs zwar auch als Beutegreifer von Bodenbrütern infrage. Im Vergleich zu anderen Raubsäugern spiele er aber eher eine geringe Rolle, wenn es um Verluste bei Wiesen- und Feldvögeln gehe.

Florian Preusse sieht aber auch bei manchen zugewanderten Arten keine großen Probleme. Die Nutria richte eigentlich kaum ökologische Schäden an. „Sie kann aber wirtschaftliche Schäden verursachen, wenn sie Löcher in Deiche gräbt.“ In solchen Fällen hält auch der Nabu-Aktivist notfalls eine Dezimierung durch Jagd für gerechtfertigt. „Insgesamt ist die Art aber in Deutschland etabliert. Ausrotten wird man sie nicht mehr.“ Außerdem würden kalte Winter den Bestand der aus Südamerika stammenden Art ganz natürlich eindämmen.

Auch der Waschbär sei besser als sein Ruf. Beide Arten, Waschbär und Nutria, integrierten sich gut in die Tierwelt. Preusse verweist auf eine Dissertation zur Nahrungszusammensetzung von Waschbären im Nationalpark Müritz. Die habe ergeben, dass die Tiere hauptsächlich von Insekten lebten. „Lokal begrenzt können Waschbären aber zum Problem für einzelne Bestände von Uferschnepfen werden“, gesteht Preusse ein. Vor allem aber gehe das pfiffige Tier den Menschen auf die Nerven, indem er Mülleimer durchwühle und an Dachrinnen hoch- und in Kamine hineinklettere.

Ein regelrechter Integrationsverweigerer scheint hingegen der Mink, der amerikanische Nerz, zu sein. „Der ist auf kleine Säugetiere und Vögel spezialisiert und kann dadurch zu einem ökologischen Problem werden“, sagt Preusse. Der Biologe betont: Einheimische und zugewanderte Arten dürften nicht pauschal beurteilt werden. „Man muss von Art zu Art prüfen.“