Hannover. 2017 gab es weniger Unfalltote denn je, doch das Problem Lkw-Unfälle bleibt. Bei strengeren Vorschriften für Lkw-Fahrer sitzt die EU mit im Cockpit.

Unser Leser Georg König aus Braunschweig fragt:

Seit Jahren ist bekannt, dass die LKW auf der Autobahn zu geringen Abstand einhalten und es dadurch immer wieder zu schweren Unfällen zum Teil mit tödlichem Ausgang kommt. Was wird dagegen getan?

Die Antwort recherchierte Michael Ahlers

Mit der „Polizeilichen Unfallstatistik 2017“ hatte Innenminister Boris Pistorius (SPD) zunächst eine gute Nachricht im Gepäck.

„Unsere Forderung ist die, dass das Pflicht wird und dass sie nicht abschaltbar sind“
„Unsere Forderung ist die, dass das Pflicht wird und dass sie nicht abschaltbar sind“ © Minister Boris Pistorius (SPD) zu Fahrerassistenzsystemen in Lkw.

Verkehrsunfallstatistik Niedersachsen

„Das Risiko, auf Niedersachsens Straßen ums Leben zu kommen, ist so gering wie noch nie“, sagte Pistorius mit Blick auf die niedrigste Zahl Verkehrstoter seit Einführen der Statistik im Jahr 1953. 403 Opfer von Verkehrsunfällen gab es 2017, zehn weniger als 2016.

Dass sich sowohl die Zahl der Unfälle mit Verletzten als auch die Gesamtzahl aller polizeilich erfassten Unfälle im Vorjahr auf rund 216 000 erhöht hatte, ließ sich vor diesem Hintergrund verschmerzen. Drei Viertel aller Unfälle seien Bagatellunfälle, und viele weitere würden lediglich den Versicherern gemeldet, hieß es. Laut Statistik stieg 2017 allerdings auch die Zahl der Schwerverletzten. Natürlich sei jedes Unfallopfer eines zu viel, sagte Pistorius.

„Erneut haben sich rund zwei Drittel der tödlichen Verkehrsunfälle auf Landstraßen ereignet“, betonte Pistorius. Die Autobahnen seien die im Vergleich sichersten Straßen. Lediglich sieben Prozent der Verkehrsunfälle fänden auf Autobahnen statt. Mit 38 Toten durch Autobahnunfälle sei auch hier ein historischer Tiefstand erreicht.

Besonders gefährlich lebten 2017 offenbar Motorradfahrer und Fußgänger. In diesen beiden Gruppen gab es mehr Tote als 2016. Als Hauptursachen gelten weiterhin zu schnelles Fahren, aber auch Ablenkung am Steuer. „Fuß vom Gas, Augen auf die Straße“ gab der Minister als Parole aus. In Zusammenarbeit mit der TU Braunschweig und dem Verkehrsunfalldienst der Medizinischen Hochschule Hannover lässt das Land gerade die Smartphone-Nutzung als Unfallursache systematisch erforschen – auch mit dem Ziel eines Bewusstseinswandels. Auch bei den im Jahr 2017 getöteten Fußgängern könne teilweise Ablenkung eine Rolle spielen, mutmaßen die Experten der Polizei. Als traurigen Trend hob Carmen Buse vom Landespolizeipräsidium den Tod von 13 „Pedelec“-Fahrern hervor. 2015 waren es noch fünf gewesen, 2016 dann schon 11. Die Elektro-Fahrräder werden immer mehr genutzt.

Dass die Autobahnen trotz des Rückgangs der Unfalltoten ein Hotspot bleiben, weiß man natürlich auch im Innenministerium. Immer wieder machen Lkw-Unfälle mit Schwerverletzten und Toten Schlagzeilen, oft geht es um fehlenden Abstand und das Auffahren auf Fahrzeuge an einem Stauende. Nach Unfällen auf der A2 wurden laut Innenministerium 2017 insgesamt 11 Verkehrstote gezählt, 2016 waren es noch 17, davor 15. Damit bleibt die A2 die gefährlichste Autobahn. Die A7 etwa verzeichnet im Jahr 2017 wie die A 39 insgesamt 4 Tote.

„Seit 2015 schauen wir auf die Autobahnen etwas konkreter“, sagte Buse bei der Präsentation der Ergebnisse des Jahres 2017 im Innenministerium. Auslöser der Analyse waren seinerzeit die Baustellen auf der A2, A7 und der A1, gefährliche Staus und vergleichsweise viele Unfälle. Seitdem sind auch Assistenzsysteme immer mehr in der Diskussion. „Bei einer Ausstattung aller auffahrenden Lkw mit den aktuell geforderten Systemen hätte ein Viertel der untersuchten relevanten Verkehrsunfälle und mehr als ein Drittel der dabei Getöteten vermieden werden können“, so Buse. Mit noch leistungsfähigeren Assistenzsystemen und zusätzlicher, nicht abschaltbarer Abstandswarnung wären praktisch alle relevanten Unfälle und deren Folgen vermeidbar gewesen, sagte Buse.

Auf die Frage unseres Lesers, was dagegen getan wird, ging Minister Pistorius bereits in seinem Eingangsstatement zum Unfallgeschehen ein.

Danach drängt Niedersachsen die EU, die laut Landesregierung den Rechtsrahmen setzt, zu einer Vereinheitlichung der Vorschriften mit Blick auf Assistenzsysteme, und das mit einer klaren Zielsetzung. „Unsere Forderung ist die, dass das erstens bei allen Neufahrzeugen Pflicht wird und dass sie nicht abschaltbar sind“, sagte Pistorius. Denn manchmal seien die Geräte den Fahrern eben einfach lästig.

„Die Niedersächsische Landesregierung hat sowohl auf der letzten Verkehrsministerkonferenz als auch im Bundesrat Anträge zur Verbesserung der Wirksamkeit von Fahrerassistenzsystemen gestellt und die Bundesregierung aufgefordert, gegenüber der EU-Kommission eine Anpassung der Verordnungen 661/2009/EU und 347/2012/EC einzufordern“, heißt dieser Vorgang offiziell. Die Bundesanstalt für Straßenwesen untersucht Notbremsassistenzsysteme in diesem Zusammenhang „vertieft“. Der Trend dürfte also klar sein, das Tempo allerdings scheint Kriechspur.