Braunschweig. Regionalverbands-Direktor Brandes wehrt sich gegen den Vorwurf, ein „Auslaufmodell“ zu sein. Er verteidigt die Windpark-Pläne.

Turbulent geht es zu beim Regionalverband Großraum Braunschweig. Der frisch wiedergewählte Verbandsdirektor Hennig Brandes steht im Fokus, weil er vorzeitig in Pension gehen will. Die Windpark-Pläne sind umstritten. Armin Maus und Andre Dolle sprachen mit Brandes.

Um Ihren Direktorenposten gab es zuletzt Unstimmigkeiten. Sie sind für acht Jahre gewählt, werden aber nur zwei Jahre zur Verfügung stehen. Sie wollen einen Antrag auf vorzeitigen Ruhestand stellen. Laut Landesinnenministerium besteht aber eine Unsicherheit, ob Sie als Beamter auf Zeit diese Möglichkeit überhaupt haben. Haben Sie und der Regionalverband sich nicht genügend abgesichert?

Ich würde ja keine Ansage machen, die nicht zulässig ist. Ich kenne die Rechtslage. Es steht außer Zweifel, dass ich nach dem Beamtenrecht vorzeitig gehen kann.

Bislang steht Wahlbeamten wie Ihnen dieses Recht aber nicht ausdrücklich zu. Zwar soll es bald eine Gesetzesänderung geben, in Niedersachsen wird die Chance zum Vorruhestand auf Antrag aber bisher nur explizit den Lebenszeitbeamten zugestanden.

Mir steht das Recht zu. Ich habe mich im Innenministerium informiert. Es wird bei Wahlbeamten in Niedersachsen so praktiziert und wurde vom Land noch nie beanstandet. Dennoch will das Land auch den Rest an Unklarheiten per Gesetz beseitigen. Das wird aber keine „Lex Brandes“. Das hatte die Landesregierung bereits vor, dann kamen die Neuwahlen. Nun nimmt die neue Landesregierung den Faden wieder auf.

FDP und Grüne haben unlautere Absprachen zwischen SPD und CDU für Ihre Nachfolge gerügt. Wie sehen Sie das?

Ich kann nicht nachvollziehen, dass von FDP und Grünen behauptet wird, es habe sich um einen „unsauberen Deal“ gehandelt. Ich habe sämtliche Fraktionen vor meiner Wiederwahl in Kenntnis gesetzt, dass ich weitermachen möchte, aber nur noch zwei Jahre zur Verfügung stehe, danach in Pension gehe. Ich bin dann insgesamt zehn Jahre als Direktor im Amt. Meinen Wunsch habe ich transparent gemacht.

Sie sagen, dass es sich um Ihren Wunsch gehandelt habe. Sie wurden doch aber von der SPD und auch von Ihrer CDU dazu gedrängt, früher aus dem Amt zu scheiden.

Nein. Es ist mein Wunsch, und der ist von der CDU und von der SPD so akzeptiert worden. Herr Herlitschke, der Fraktionschef der Grünen in der Verbandsversammlung, hat das so nicht haben wollen. Das ist sein politisches Recht.

Wie erklären Sie sich dann, dass CDU und SPD schon vor etwa drei Jahren über Ihre Nachfolge beraten haben? Wurden Sie informiert?

Nein, das ist mir neu.

FDP und Grüne bezeichnen Sie nun, da Sie statt der acht Jahre nur noch zwei Jahre weitermachen wollen, als Auslaufmodell, als Mann ohne Visionen für den Regionalverband und den Raum zwischen Harz und Heide insgesamt. Trifft Sie das?

Ich habe mir das nicht leicht gemacht, mich aber entschieden, mit offenen Karten zu spielen. Ich stehe zu der Entscheidung und werde dies auch einhalten. Die Mehrheit der Verbandspolitik steht hinter mir, ich wurde mit 72 Prozent wiedergewählt. Das ist kein Traumergebnis, aber auch nicht schlecht.

Die 72 Prozent haben Sie der SPD und der CDU zuzurechnen. Die SPD hatte ganz offensichtlich keinen passenden Kandidaten parat.

Es ging nur um die Frage meiner Wiederwahl. Dass ich mit den Parteien spreche und diese sich untereinander absprechen, ist bei einem solchen Wahl-Amt völlig normal. Ich frage mich, wo das stickige Hinterzimmer ist, wo der unsaubere Deal? Es geht um eine wichtige Aufgabe für die Region.

Es bleibt aber doch ein Geschmäckle, dass sich die Parteien den Regionalverband aufteilen. Es geht um ein öffentliches Amt und um die Frage, ob der Beste den Direktorposten erhält oder der mit dem richtigen Parteibuch.

Nochmal: Jetzt ging es um die Frage Wiederwahl ja oder nein. Darüber wurde in der Verbandsversammlung abgestimmt. Es handelt sich um ein politisches Amt. Das einzige, was feststeht, ist, dass ich in zwei Jahren aufhöre. Danach wird die Stelle ausgeschrieben und der Nachfolger von der Mehrheit gewählt. Das Rennen um meine Nachfolge ist also offen. Ich kann da nichts Verwerfliches erkennen.

So offen ist das nicht. Es ist klar, dass der Posten künftig an die SPD geht. Die Partei hat die Mehrheit in der Verbandsversammlung inne.

Die Wahl erfolgt mit politischer Mehrheit in der Verbandsversammlung, demokratischer geht es nicht.

Beim Regionalverband steht viel an: Die Bahnstrecke Weddeler Schleife zwischen Braunschweig und Wolfsburg soll das zweite Gleis erhalten, der Ausbau der Windkraft geht in die heiße Phase. Zudem hat der Verband mit dem Hochwasserschutz, den Berufsschulen und Gewerbegebieten neue Aufgaben bekommen. In dieser Umbruchphase sagen Sie, dass Sie nur noch zwei Jahre im Amt sind.

Ich habe dann insgesamt zehn Jahre als Direktor gearbeitet, habe diese Projekte vorangebracht und werde sie weiter voranbringen. Das ist meine Entscheidung. Die acht Jahre Amtszeit dienen nicht dazu, mich an den Schreibtisch zu fesseln. Die Amtszeit dient dazu, den Direktor unabhängig von der Politik zu machen.

Die Kontinuität in dieser wichtigen Phase ist doch aber bei nur noch zwei weiteren Jahren im Amt nicht unbedingt gegeben.

Zehn Jahre sind keine Kontinuität? Ich stehe überhaupt nicht unter Druck. Niemand kann mich aus dem Amt jagen. Es ist alles transparent. Ich habe in den zwei Jahren noch einiges vor.

Was wäre das?

Bis 2021 werden wir im Vergleich zu meinem Amtsantritt 2010 die Zugleistung zwischen Harz und Heide um 50 Prozent auf 8,4 Millionen Zugkilometer pro Jahr gesteigert haben. Bahnfahren kostet, das ist immens. Im Dezember werden wir den Halbstundentakt zwischen Braunschweig und Hannover einführen. Wir wollen die Weddeler Schleife in den nächsten ein, zwei Jahren zur Baureife bringen. Ab Ende 2022 wollen wir den 30-Minutentakt zwischen Braunschweig und Wolfsburg anbieten. Außerdem werden wir 13 Bahnhöfe sanieren. 13 weitere Bahnhöfe haben wir in den vergangenen Jahren bereits saniert. Schließlich wollen wir dafür sorgen, dass die Züge zwischen Braunschweig, Gifhorn und Uelzen endlich schneller fahren können – möglichst 120 Stundenkilometer.

Das hört sich alles gut an. Nur: Man muss bedenken, dass der Nahverkehr in unserer Region bisher in einem schlechten Zustand war.

Das stimmt. Wir sind aber mit Erfolg dran und setzen die Verbesserungen Schritt für Schritt um. Es ist nicht Schwerpunkt meiner Arbeit, mir Gedanken darüber zu machen, wie die Mobilität in 20 Jahren in unserer Region aussehen kann. Da gibt es zu viele Variablen – die Mobilität ist in einer Umbruchphase. Es ist die Aufgabe des Verbandes, das Angebot und die Qualität des ÖPNV und die Mobilität jetzt konkret zu verbessern. Auch bei den Regiobussen werden wir weiter für Verbesserungen sorgen. Wir werden digitale Fahrgastsysteme einführen, also Handytickets und Apps.

Was haben Sie denn beim Hochwasserschutz, den Berufsschulen und den Gewerbegebieten vor? Seit einem Jahr hat der Verband weitere Bereiche hinzubekommen, die es mit Leben zu füllen gilt.

Es war mein großes Ziel, den Verband und somit die Region insgesamt zu stärken. Da habe ich drei Jahre lang für gekämpft. Die Landkreise Gifhorn, Goslar, Helmstedt, Peine und Wolfenbüttel sowie die Städte Braunschweig, Salzgitter und Wolfsburg sind selbstbewusst. Sie wollen sich mal mehr oder mal weniger stark nicht hereinreden lassen.

Was bedeutet das etwa beim Hochwasserschutz konkret? Das Hochwasser macht an den Landkreisgrenzen nicht Halt. Es ist ja sinnvoll, dass der Verband als regionale Klammer Aufgaben übernimmt.

Wir sind in der Hochwasserpartnerschaft Schunter-Wabe bereits Mitglied. Weitere sollen folgen. Wir werden Hochwasserschutzkonzepte gemeinsam mit anderen Partnern voranbringen und finanziell unterstützen.

Das ist ein Anfang. Wie sieht es bei den Berufsschulen aus?

Der Verband hat eine koordinierende Rolle, analysiert die Angebote und macht im Sinne der Schulträger, also der Landkreise und Städte, Vorschläge. Da muss Vertrauen wachsen. Wir werden vom Land einen Fachmann für drei Jahre abgeordnet bekommen, betrachten uns als Dienstleister und werden mit den Schulträgern Konzepte erarbeiten.

Und wie sieht es bei den Gewerbegebieten aus?

Hier werden wir eine beratende Funktion wahrnehmen. Es geht darum, zu schauen, wo in der Region Gewerbegebiete am besten angesiedelt werden können. Bisher wurden wir von den Kreisen und Städten noch nicht um Rat gefragt. Unabhängig davon bereiten wir ein Gewerbeentwicklungskonzept für die ganze Region vor.

Sie wollen die Windkraft in der Region massiv ausbauen. 49 Windparks mit bis zu 200 Meter hohen Windrädern entstehen neu oder werden erweitert. Sie planen seit 2011. Unser Leser, der sich Fred nennt, bemerkt auf unseren Internetseiten: „Die Unternehmen brauchen Planungssicherheit, und die Menschen brauchen ihre Ruhe.“ Warum dauert das so lange?

Wir hatten fast 4000 Einwender mit 20 000 einzelnen Belangen. Meine Mitarbeiter haben sich jede einzelne Einwendung angeschaut. Das dauert leider. Der Gesamtplan beträgt etwa 7000 Seiten. Jeder Einwender hat Post von uns bekommen. Wir haben eine renommierte Kanzlei aus Berlin eingeschaltet, die sich auf Windkraftverfahren spezialisiert hat.

Und doch wird der Beauftragte der Landesregierung für unsere Region, Matthias Wunderling-Weilbier, Ihre Windkraftpläne womöglich nicht genehmigen. Wie kommt es dazu?

Uns hat es auch überrascht, dass der Landesbeauftragte Fragen aufgeworfen hat. Wir standen seit langem in Kontakt. Mich hat es erstaunt, dass der Vorgang an die Öffentlichkeit gelangt ist. Das habe ich in 30 Jahren Verwaltung noch nicht erlebt. Das Landesamt fordert eine neue öffentliche Beteiligung, da wir nach der zweiten Offenlage zehn Windparks geändert hätten. Es sieht dadurch neue Betroffenheiten. Wir sehen das nicht so. Die Änderungen waren marginal, es ging nur um einige Hektar. Es ging zudem um rechtliche Aspekte wie den Artenschutz von Vögeln, die Flugsicherheit. Da hatten wir keinen Abwägungsspielraum. Außerdem ging es um die Differenzierung von 1000 bzw. 400 Metern Abstand zu den Siedlungen. Wir werden das Gespräch zum Landesamt suchen.

Eine erneute Bürgerbeteiligung würde Sie um Jahre zurückwerfen. Es geht auch um die von Ihrem Verband genannten „harten“ und „weichen“ Kriterien. Dem Landesbeauftragten fehlt hier eine einheitliche, nachvollziehbare Linie.

Das Landesamt will die Herleitung der Siedlungsabstände klarer differenziert haben. Rechtlich ist das einwandfrei. Dafür hatten wir unseren Gutachter. 400 Meter ist der gesetzliche Mindestabstand, den wir aus Lärmschutzgründen einhalten müssen. In den meisten Fällen haben wir Vorsorgeabstände von 1000 Metern, die wir gar nicht zubilligen müssten.

Die Pläne insgesamt stehen also nicht auf der Kippe?

Überhaupt nicht. Es handelt sich hier um rechtliche Detailfragen. Wir werden uns mit dem Landesamt darüber auseinandersetzen.

Die Aussagen von Herrn Wunderling-Weilbier waren aber doch eindeutig. Er sagte: „Die Pläne sind derzeit nicht genehmigungsfähig.“

Wir werden uns das gemeinsam anschauen und werden das klären. Aber noch einmal: Einzelne Gebiete oder gar der Gesamtplan werden nicht infrage gestellt.

Bis wann müssen denn die Pläne von der Verbandsversammlung beschlossen werden, und bis wann muss der Landesbeauftragte die Pläne genehmigen, damit es nicht zu einem Windrad-Wildwuchs in der Region kommt?

Ich sehe da kein Problem. Das Raumordnungsprogramm von 2008 ist bis Ende Mai gültig. Im Mai wird die Verbandsversammlung die Gesamtfortschreibung beschließen. Dadurch bleibt das Programm gültig. Die Teilfortschreibung Wind sollte auch im Mai abgeschlossen werden, das wird von der Genehmigungsfähigkeit abhängen.