Braunschweig. Im Nationalpark Harz behindern die Tiere die gewünschte Entwicklung des Waldes. Deswegen wird die Abschussquote nun angehoben.

Unser Leser Kai Haller aus Braunschweig fragt:

Welcher ideologische Gedanke steckt dahinter, dass im Harz die Natur einerseits sich selbst überlassen werden soll, auf der anderen Seite aber das Rotwild abgeschossen wird?

Die Antwort recherchierte Johannes Kaufmann

Es ist nur ein kleines Insekt, aber es hinterlässt verheerende Spuren: Im Nationalpark Harz führt der Befall mit Borkenkäfern zu einem massenhaften Absterben von Fichten. Die Verwaltung nimmt dies gelassen hin. „Natur Natur sein lassen“ lautet das Motto. Und dazu gehörten eben auch Schädlinge wie der Borkenkäfer. Doch wie passt es dann, dass jetzt – wie berichtet – die Abschussquote für Rothirsche erhöht werden soll, weil die Wildtiere an Bäumen fressen und diese dabei stark schädigen? Das fragt sich auch unser Leser.

„Das ist leider notwendig und einer der Kompromisse, die man in der Kulturlandschaft Mitteleuropas eingehen muss, wenn man Natur Natur sein lassen will“, sagt Dr. Friedhart Knolle, der Pressesprecher des Nationalparks. Mit Hilfe sogenannter Weisergatter, kleiner eingezäunter Waldflächen, werde die „Natürliche Potenzielle Vegetation“ (NPV) ermittelt, also der botanische Zustand ohne Wildverbiss und ohne menschliche Eingriffe. Aus dem Vergleich mit den ungeschützten Bereichen des Waldes werde dann die Abschussrate abgeleitet.

Denn durch den menschlichen Einfluss würde das natürliche Gleichgewicht von Wald und Wild gestört. „Der stärkste Regulator der Wildpopulation wären kalte Winter“, erklärt Knolle. Doch nicht nur der Klimawandel, sondern auch Wildfütterungen dämpften diesen Regulator. Zudem verhindere der Autobahnring um den Harz, dass die Tiere im Winter in die Niederungen wandern. So blieben sie im Wald – zum Schaden der Bäume. Hinzu kommt das Fehlen von Raubtieren wie Wölfen und Bären.

Zudem steht der Verbiss stärker als das Wüten des Borkenkäfers den Zielen des Nationalparks entgegen. Die sehen vor, die künstliche Fichten-Monokultur im Harz in einen Mischwald umzuwandeln. Das Rotwild frisst aber besonders gern die Triebe von Laubbäumen. Das geht aus dem Jahresbericht des Nationalparks hervor. Demzufolge wurde 2017 auf den untersuchten Flächen jede zweite Buche geschädigt. Bei Bergahorn und Aspen waren es sogar mehr als 70 Prozent. So soll nun dem Hirsch verwehrt werden, was dem Käfer gestattet ist. Knolle legt aber Wert auf die Tatsache, dass der Nationalpark die Jagd in Eigenregie durchführe. Es gehe nicht um die Produktion von Wildfleisch – „und Trophäen gibt es ebenfalls nicht!“