Hannover. Was bringt die Pflegekammer? Die einen hoffen auf die Verbesserung der Qualität, die anderen fürchten ein „Bürokratiemonster“.

Unser Leser Klaus Fiebig fragt:

Nach dem Zwangsbeitrag für Rundfunk gibt es noch den für Pflegekammern. Hat man den Pflegekräften auch erzählt, dass sie einen Zwangsbeitrag zahlen, der sich steigen wird?

Die Antwort recherchierte Michael Ahlers

„Eins, Zwei, Drei - Start!“ So frisch und fröhlich kommt das Thema auf der Webseite der „Pflegekammer Niedersachsen“ daher. Der Errichtungsausschuss habe sich am 27. März 2017 konstituiert, die 40 vom Sozialministerium berufenen Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder hätten einen Vorstand gewählt und ihre Arbeitsweise bis zur Konstituierung der Kammerversammlung später im Jahr festgelegt. Denn dann ende die Arbeit des Errichtungsausschusses.

Dass hier ein Kraftakt gestemmt wird, und das teilweise eher unfroh, zeigt schon das komplizierte Procedere. Die neue Kammer hatten SPD und Grüne in Niedersachsen 2013 als Projekt in ihre Koalitionsvereinbarung geschrieben. „Über die Einrichtung einer niedersächsischen Pflegekammer wird die rot-grüne Koalition (...) beraten und entscheiden“, ließ sich der Text des Koalitionsvertrags zwar noch eine Hintertür offen. Doch auch massive Kritik aus Gewerkschaften und Unternehmerverbänden konnte die Kammer nicht stoppen. Die damalige Sozialministerin Cornelia Rundt (SPD) musste das Projekt von Rot-Grün durchziehen. Dass sie in ihrer früheren Funktion im Paritätischen Wohlfahrtsverband die Pflegekammer eher kritisch sah, wurde Rundt in der Debatte zwar genüsslich vorgehalten. Geändert hat es aber nichts. „Die Pflege hatte bisher nicht die stärkste Lobby“, sagt Uwe Hildebrandt, Sprecher im niedersächsischen Sozialministerium. Es gehe darum, dass die Pflegeberufe auf Augenhöhe kämen. Zum Beispiel mit Ärzten und Apothekern, die auch Kammern haben. Krankenpfleger, Altenpfleger und Kinderkrankenpfleger werden Mitglied der neuen Pflegekammer sein. „Für die Beschäftigten ergeben sich keinerlei Vorteile. Im Gegenteil, es gibt nur Nachteile: Angefangen bei der Zwangsmitgliedschaft“, erklärte seinerzeit die FDP-Abgeordnete Sylvia Bruns und sprach von einem Bürokratiemonster. So ähnlich dürfte das auch unser Leser sehen. Es käme nicht etwa eine neue Interessenvertretung für die Beschäftigten zustande. Vielmehr werde in einer Pflegekammer vor allem verwaltet und reglementiert. Die Befürworter sehen allerdings auch im Entwicklen von Leitlinien, Standards oder auch Weiterbildungen einen erheblichen Beitrag für mehr Qualität und Problembewusstsein in der Gesamtgesellschaft.

Was den monatlichen Beitrag angeht, ist auch in Niedersachsen offenbar an eine Sozialstaffel gedacht. In Rheinland-Pfalz beginne die bei 2,50 Euro und ende bei 9,80 Euro, sagt Tino Schaft, Sprecher der Pflegekammer Niedersachsen. Nur Höherverdiener ab 4500 Euro müssen in Rheinland-Pfalz mehr zahlen.

Auch Niedersachsen dürfte sich für die Gering- und Normalverdiener wohl bei einer Obergrenze von rund 10 Euro einpendeln. „Gute Pflege ist angesichts des demographischen Wandels, des Fachkräftemangels und der gestiegenen Lebenserwartung ein extrem wichtiges Thema, für das weiter überzeugende Lösungen gefunden werden müssen. Das kann nur gelingen, wenn die Pflegeberufe endlich eine höhere gesellschaftliche Anerkennung erhalten“, erklärte der SPD-Landtagsabgeordnete Uwe Schwarz 2017 zur Pflegekammer. Und der gilt seit langem als profiliertester Sozialpolitiker im Landtag.