Hannover. Die Regierung sieht eine Besserung der Lage erst im nächsten Schuljahr. Kultusminister Tonne setzt auf bis zu 2000 Neueinstellungen zum Sommer.

Unser Leser, der sich auf unseren Internetseiten Gaston nennt, meint:

Es gab in den letzten Jahren weder Geld für die Einstellung noch für die Ausbildung von Lehrern. Gleichzeitig wird überall von Rekordsteuereinnahmen des Staates berichtet. Das passt nicht zusammen.

Die Antwort recherchierte Michael Ahlers

Die Lage wolle er keinesfalls schönreden, sagte Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD), als er mit einer Pressekonferenz im Ministerium das zweite Schulhalbjahr 2017/2018 politisch einläutete.

Über zu wenig Geld klagte Tonne allerdings nicht, sondern unter anderem über eine zu träge strategische Planung der Kultusministerkonferenz. Und auf die Frage, warum das Land beispielsweise zum 1. Februar nicht mehr als 301 Stellen an Grund-, Haupt- und Realschulen ausgeschrieben habe, sagte Tonne, man schreibe eben nur Größenordnungen aus, die man auch besetzen könne. Denn es herrscht Lehrermangel. „Es muss langfristig geplant und die Ausbildungsplatzkapazitäten aufgestockt werden“, fordert wie unser Leser die Grünen-Landtagsabgeordnete Julia Hamburg.

Die Zahlen zur Unterrichtsversorgung, die Tonne vorlegte, sind mit dem Stichtag 17. August nicht nur reichlich alt. Sie sagen als Durchschnittswerte auch wenig über die Lage an den einzelnen Schulen. Für einen Gesamttrend aber reicht es allemal: Der zeigt im laufenden Schuljahr mit 98,7 Prozent Versorgung um 0,2 Prozentpunkte nach unten. Mit Werten deutlich unter 100 Prozent des berechneten Stundenbedarfs geraten besonders Gymnasien schnell unter Druck, den Pflichtunterricht zu sichern, AGs und andere Zusatzaktivitäten sind als erste bedroht. „Unbefriedigend“ nannte Tonne die Werte, zum neuen Schuljahr sollen sie „deutlich besser“ sein.

Wie er das anstellen will, sagte der Minister auch. Mit 2000 Einstellungsmöglichkeiten zum neuen Schuljahr gäbe es 200 ausgeschriebene Stellen mehr als im Vorjahr. Eine andere Frage ist allerdings, wie viele davon besetzt werden können. Die anstehenden Pensionierungen würden auch volle 2000 Einstellungen wohl nur knapp unterschreiten, wie Tonne auf Nachfrage andeutete.

Mit dem Verlagern der vorschulischen Sprachförderung von Grundschulen auf Kitas will der Minister mehr als 14 000 Lehrerstunden wieder in den Grundschul-Unterricht zurückholen. Außerdem soll das Verfahren zum „Quereinstieg“ beschleunigt werden. Mit dem Wissenschaftsministerium ist Tonne wegen der Lehrerausbildung und mehr Plätzen im Gespräch. In der Kultusministerkonferenz schließlich will sich Neuling Tonne für eine schnellere und realistischere Datenlage zwecks besserer Planung einsetzen. Die Angaben über Geburten etwa kämen viel zu spät, sagte er am Donnerstag.

„Einsicht ist da, Besserung noch nicht in Sicht“, sagte Horst Audritz vom Philologenverband unserer Zeitung. Dass die Abordnungen von Gymnasiallehrern an Grundschulen zum 2. Halbjahr deutlich zunehmen, sieht der Verband mit großer Sorge. „Manche Schulen sind mit bis zu 100 Stunden betroffen“, sagt Audritz. Diese Stunden wiederum werden auf zehn oder mehr Lehrer verteilt. Dass sich das Gesamtvolumen der Stunden fast verdoppelt, liegt laut Landesregierung daran, dass man mangels anderer Lehrer mehr Gymnasiallehrer einstellte, um dann Stunden an die Grundschulen umzuschichten. „Ich will die Lehrer-Karawane durch Niedersachsen sehr zügig stoppen“, betonte Tonne aber.

Auf die Frage, ob Vorgängerin Frauke Heiligenstadt (SPD) sich mit Großprojekten von Ganztag bis zu Inklusion nicht verzettelt und die Probleme damit drastisch verschärft habe, wollte Tonne nicht eingehen. Es bringe nichts, nach hinten zu schauen, sagte der Minister, gewiss seien in den vergangenen zehn, fünfzehn Jahren aber Fehler gemacht worden. Großzügige Stundenzuschläge für Ganztagsbetrieb waren schon unter Heiligenstadt teilweise wieder gekürzt worden, um Ressourcen zurückzugewinnen. „Wenn der Beruf des Lehrers nicht schnell durch eine bessere Besoldung und eine schnelle Einstellungsgarantie für Nachwuchskräfte aufgewertet wird, werden wir in Niedersachsen nicht genügend Lehrer finden“, erklärt der FDP-Politiker Björn Försterling. Und ist man dann doch wieder beim Geld.