Hannover. Das Bundesverfassungsgericht prüft, ob die Berechnungsgrundlage gegen das Grundgesetz verstößt. Das Urteil hat weitreichende Folgen.

Unser Leser Ludwig Huml fragt via Facebook:

Was soll die Grundsteuer überhaupt?

Die Antwort recherchierte Jens Gräber mit unseren Agenturen

Die Grundsteuer könnte in ihrer jetzigen Form gegen das Grundgesetz verstoßen. Sie ist eine Substanzsteuer, die auf den Besitz gezahlt werden muss – anders als die Grunderwerbssteuer, die nur beim Eigentümerwechsel anfällt. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe prüft nun die Berechnung der kommunalen Grundsteuer, die auf Grundstücke und Gebäude erhoben wird. Die sogenannten Einheitswerte, die der Berechnung zugrunde liegen, gehen im Westen auf das Jahr 1964 und im Osten sogar auf das Jahr 1935 zurück. Eigentlich sollen die Werte alle sechs Jahre neu festgestellt werden (Paragraf 21 Bewertungsgesetz). Das ist jedoch nicht geschehen. Das hat nach Überzeugung des Bundesfinanzhofs Ungerechtigkeiten zur Folge.

Fest steht: Die Kommunen wollen auf keinen Fall auf die Grundsteuer als Einnahmequelle verzichten. Niedersachsens Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU) betont, die Grundsteuer sei ein „unverzichtbarer Bestandteil der kommunalen Finanzen“ und müsse als verlässliche Einnahmequelle für die Gemeinden erhalten bleiben. Kein Wunder: Die Grundsteuer ist nach Gewerbesteuer und Einkommenssteueranteil die wichtigste Einnahmequelle der Kommunen. Unterschieden werden Grundsteuer A für land- und forstwirtschaftliches Vermögen und Grundsteuer B für bebaute oder bebaubare Grundstücke und Gebäude. Die Bemessungsgrundlage ist bundesweit einheitlich geregelt. Jede Kommune bestimmt aber mit einem Hebesatz selbst die tatsächliche Höhe der Steuer.

Dieser Hebesatz ist je nach Kommune sehr unterschiedlich und reicht von weniger als 100 bis mehr als 900 Prozent. In unserer Region lag der Spitzenwert 2016 bei 517 Prozent in Clausthal-Zellerfeld, der niedrigste Wert lag bei 300 Prozent in Cremlingen (Kreis Wolfenbüttel). Die Einnahmen aus der Grundsteuer A lagen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 2016 bei rund 400 Millionen Euro. Die Grundsteuer B spülte etwa 13,3 Milliarden Euro in die Kassen.

Finanzminister Hilbers hat sich schon für eine möglichst rasche Reform der Abgabe ausgesprochen. Nach der mündlichen Verhandlung zeichne sich ab, dass das Bundesverfassungsgericht die zugrunde liegende Einheitsbewertung voraussichtlich als nicht mehr verfassungsgemäß ansehen werde. „Hierauf muss der Gesetzgeber reagieren“, betonte der Politiker am Dienstag in einer Mitteilung. „Die Wertverhältnisse, auf denen die Grundsteuer beruht, sind nicht mehr zeitgemäß“, so Hilbers.

Der Bundesfinanzhof, der das Verfahren ins Rollen brachte, hält die Vorschriften über die Einheitsbewertung spätestens ab 2009 für verfassungswidrig. Die Richter sehen einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes (Artikel 3 Absatz 1). Nach einem Beschluss zur Vorlage beim Bundesverfassungsgericht vom 22. April 2014 (II R 16/13) kommt es darauf an, ob es durch den Verzicht auf Hauptfeststellungen zu Wertverzerrungen bei den Einheitswerten innerhalb einer Gemeinde kommt.

Eine Reform wird in jedem Fall Zeit in Anspruch nehmen. Finanzminister Hilbers meint, die Aufgabe sei beachtlich: Eine Grundsteuerreform bedeute, dass zunächst rund 35 Millionen Grundstücke bundesweit neu bewertet werden müssen. In Niedersachsen betreffe das rund 3,5 Millionen Grundstücke. Als wahrscheinlich gilt deshalb, dass das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber eine Frist gibt, eine verfassungskonforme Regelung zu beschließen, und die bisherige Praxis vorerst weiterlaufen lässt.

Steigt die Grundsteuer, hätte das nicht nur Folgen für Eigentümer, sondern auch für Mieter: Die zahlen mit den Nebenkosten einen Anteil daran. Der Hamburger Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) zum Beispiel befürchtet, eine drastische Erhöhung könnten sich viele Mieter in seiner Stadt nicht mehr leisten.