Braunschweig. Ein Radiologe erklärt, wie anhand eines Röntgenbildes das Alter geschätzt wird.

Unser Leser Manfred Fehly aus Salzgitter fragt:

Wie groß ist die Gefahr bei Röntgenaufnahmen zur Altersbestimmung von Flüchtlingen?

Die Antwort recherchierte Eske Hansen

Der niedersächsische Städte- und Gemeindebund fordert Alterstests für junge Flüchtlinge gleich nach ihrer Ankunft in Deutschland. Für die Kommunen sei es entscheidend, wer da zu ihnen komme, erklärt der Sprecher Thorsten Bullerdiek. Denn minderjährige Flüchtlinge genießen einen besonderen Schutz vor Abschiebung, und strafgesetzlich spiele das Alter ebenso eine Rolle. Die Städte und Kommunen müssten sich auf die Integrationsarbeit konzentrieren können.

Aktuell lassen die zuständigen Behörden das Alter im Zweifelsfall ärztlich untersuchen. Dafür werden die Knochen der linken Hand geröntgt. Es handele sich hier um die gleiche Untersuchung wie bei einem Knochenbruch, erklärt der Radiologe Richard Schulz aus Salzgitter, und beantwortet damit die Frage unseres Lesers.

Das Gewebe des menschlichen Körpers reagiere nach Bereich ganz unterschiedlich auf Röntgenstrahlen. „Die Hand ist wie die anderen Extremitäten nicht sehr empfindlich“, erklärt der Mediziner. Anhand der Röntgenaufnahme könne man je nach Geschlecht erkennen, wie weit die Knorpel verknöchert seien. Während die Knochen bei Säuglingen noch aus Knorpel bestehen, verhärten sie im Laufe der Pubertät. Genauer werde das Ergebnis mit Einbeziehung der Größe der Eltern. Diese Werte liegen bei einem Flüchtling aber in der Regel nicht vor. Daher sei es laut Schulz eine schwierige Methode, das Alter genau zu bestimmen. „Es gibt eine relative Streuung“, erklärt er. In der Medizin werde so die zu erwartende Größe des Kindes ermittelt, um festzustellen, ob es „normal entwickelt“ sei. In diesem Fall sei die Begründung der Röntgenuntersuchung eindeutig.

Anders verhält es sich bei der Altersbestimmung von Flüchtlingen. Für die Ärzte spiele hier der Verstoß gegen ärztliche Ethik eine Rolle. „Röntgen ohne medizinische Indikation ist ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit“, erklärt der Bundesärztekammer-Präsident, Professor Frank Ulrich Montgomery, in einer Mitteilung. Dabei könnten weder medizinische noch psychologische Verfahren den Geburtstag juristisch sicher bestimmen, führt er weiter aus. „Die Untersuchungen sind aufwendig, teuer und mit großen Unsicherheiten belastet“, ergänzt Montgomery.

Ob es geeignete Alternativen zur Knochenuntersuchung gibt, muss nun ermittelt werden. Der Landkreis Hildesheim hatte in der vergangenen Woche erstmals einen DNA-Test zur Altersbestimmung durchgeführt. Die Fraunhofer-Gesellschaft hat im Oktober 2017 einen Ultraschall-Handscanner zur Identifizierung minderjähriger Opfer im Menschenhandel vorgestellt. Dabei handele es sich laut einer Pressemitteilung der Fraunhofer-Gesellschaft jedoch noch um einen Prototyp, der eigens für ein EU-Projekt gegen Menschenhandel entwickelt wurde. Ergebnisse des Scanners seien noch nicht vor Gericht verwertbar. Es könne jedoch helfen, einen anfänglichen Verdacht zu bestätigen, ohne den Flüchtling Röntgenstrahlen auszusetzen.

Trotz der Zweifel der Mediziner werden die Forderungen eines verpflichtenden Alterstests in der Politik lauter. So lasse sich im Bereich der Jugendhilfe sehr viel Geld sparen und es werde auch verhindert, dass sich Erwachsene und schutzbefohlene Minderjährige gemeinsam in den Einrichtungen der Jugendhilfe aufhalten. „Damit sichern wir das Kindeswohl“, sagt der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion Dirk Toepffer.