Braunschweig. Die Gewerkschaften der Polizisten und der Lehrer machen seit Wochen Druck. Die Landesregierung lässt sie aber abblitzen.

Unser Leser, der sich Andy Anders nennt, fragt auf unseren Internetseiten:

Aus welchem Grund erhalten in Niedersachsen verbeamtete Lehrer noch immer kein Weihnachtsgeld?

Die Antwort recherchierte Andre Dolle

Beim G20-Gipfel in Hamburg im Juli sorgten etwa 15 000 Polizisten aus Deutschland für Sicherheit. Darunter waren 1900 Niedersachsen. Sie standen neben Kollegen aus Hamburg. Aber: Ein Hamburger Polizist (Besoldungsgruppe A9, unverheiratet, keine Kinder) bekommt 36 000 Euro brutto pro Jahr plus 1000 Euro Weihnachtsgeld. Der Niedersachse nur 32 000 Euro – und kein Weihnachtsgeld, obwohl er die gleiche Arbeit leistet.

Diese Ungleichbehandlung will die Gewerkschaft der Polizei (GdP) abschaffen. Passend zur Jahreszeit hat sie das Weihnachtsgeld in den Mittelpunkt gerückt – und erhält Unterstützung von der Lehrergewerkschaft GEW. Denn auch die verbeamteten Lehrer in Niedersachsen bekommen kein Weihnachtsgeld.

Neben den großen Gruppen der Lehrer und der Polizisten erhalten sämtliche Landesbeamte ab der Besoldungsgruppe A9 seit 2005 kein Weihnachtsgeld mehr. Das sind unter anderem noch die Finanzbeamten und Beamte in der Justiz und betrifft insgesamt gut 120 000 Landesbeamte. Niedersachsen zählt neben Sachsen und Brandenburg bundesweit zu den einzigen Bundesländern, bei denen dies der Fall ist. GdP-Landeschef Dietmar Schilff sagte: „Das ist eine Frage der Wertschätzung für die Beamten.“

Doch die Große Koalition in Niedersachsen zeigt sich trotz warmer Worte für die Polizisten, Lehrer und sonstigen Beamten unnachgiebig. Auf Anfrage unserer Zeitung verwies das Finanzministerium auf die Haushaltlage. Der neue Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU) sagte: „Die Beamtinnen und Beamten sind amtsangemessen zu alimentieren. Wir gehen davon aus, dass das auch der Fall ist.“

Hilbers’ Sprecher Kai Bernhardt wurde konkreter. Er sagte: „Über die Wiedereinführung einer jährlichen Sonderzahlung kann dann nachgedacht werden, wenn haushalterische Spielräume dies zulassen.“ Das sei nicht der Fall – obwohl die Steuereinnahmen steigen. Im Nachtragshaushalt 2018 werden sich Spielräume von 684 Millionen Euro ergeben.

Ein Weihnachtsgeld für die Beamten würde das Land in der Tat einiges kosten. „Die Wiedereinführung einer jährlichen Sonderzahlung von 100 Prozent würde den Landeshaushalt mit 740 Millionen Euro zusätzlich belasten“, sagte Bernhardt. Somit wäre der Spielraum für 2018 auf einen Schlag ausgereizt.

Polizei-Gewerkschafter Schilff findet diese Rechnung hingegen „unredlich“. Denn vom Weihnachtsgeld in Höhe von 100 Prozent sei nie die Rede gewesen. Als das Land letztmals ein Weihnachtsgeld ausgezahlt hatte – 2004 – waren das 65 Prozent. Jedoch: Auch das wäre noch eine knappe halbe Milliarde Euro. Es geht aber auch anders: Erst Ende November hat der Landtag in Sachsen-Anhalt entschieden, den dortigen Landesbeamten noch in diesem Jahr ein Weihnachtsgeld auszuzahlen.

Schilff fordert von der Landesregierung zumindest einen Zeitplan, wann und in welcher Höhe das Weihnachtsgeld für Landesbeamte auch in Niedersachsen wieder eingeführt wird. Den will das Ministerium aber nicht nennen. „Was die Gehälter bei den Polizisten betrifft, steht Niedersachsen im Ländervergleich an 13. oder 14. Stelle. Das kann nicht sein“, sagte Schilff.

Mit Blick auf die Lehrer verweist das Ministerium auf den in Niedersachsen hohen Anteil der Beamten. Deshalb falle es zum Beispiel Sachsen-Anhalt leichter, auch den Beamten ein Weihnachtsgeld auszuzahlen.

Etwa drei Viertel aller Lehrer in Deutschland sind Beamte. Das ist von Bundesland zu Bundesland aber extrem unterschiedlich. Gerade die Ost-Länder leisten sich weniger Beamte. In Baden-Württemberg sind mehr als 90 Prozent aller Lehrer im Schuldienst Beamte – in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen sind es weit unter zehn Prozent. In Niedersachsen liegt der Beamtenanteil bei etwa 90 Prozent.

Niedersachsen hat die Pensionierungswelle fest im Blick. 2016 zahlte das Land für Pensionen bereits 3,2 Milliarden Euro – mehr als zehn Prozent des Landeshaushalts. 2030 steigt diese Summe laut dem Finanzministerium auf 3,7 Milliarden Euro an.

Beamte erhalten auf absehbare Zeit kein Weihnachtsgeld. Und doch soll es Verbesserungen geben. Im Koalitionsvertrag ist vereinbart, dass in einem ersten Schritt die Schulleitungen auf mindestens A 13 angehoben werden sollen. Darüber hinaus ist dort vereinbart, einen Stufenplan mit dem Ziel zu entwickeln, die Besoldungsstruktur für Lehrkräfte zu überarbeiten.

Auch für Polizisten sind im Koalitionsvertrag Verbesserungen vorgesehen. Wurden bereits zu Beginn dieses Jahres die Zulagen für den Dienst zu ungünstigen Zeiten angehoben, sollen die Beförderungswartezeiten reduziert und die Zulagen dynamisch angepasst werden.

Einen Kommentar dazu lesen Sie hier: Privilegierte Beamte